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30.12.06 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / 30. Dezember 2006

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

dieses ist nun unsere letzten Familien-Kolumne im alten Jahr, das für uns wieder ein recht erfolgreiches gewesen ist, denn wir haben viele Wünsche erfüllen, manche Begegnung mit alten und neuen Freunden bewirken, Erinnerungen wieder aufleben lassen können - und das nach mehr als 60 Jahren nach Flucht und Vertreibung. So manche Hoffnung, vielleicht zu früh geweckt, blieb leider unerfüllt, und das tut immer ein bißchen weh, auch uns, die wir nur Mittler sind. Und manches Päckchen nehmen wir mit in das neue Jahr, denn Fragen und Antworten richten sich nun einmal nicht nach dem Kalender. Obgleich wir schon einige Glückbringer gebrauchen können, mit denen man zur Jahreswende beglückt wird. Vor allem, wenn sie nicht aus Pappe, Marzipan oder Schokolade sind, sondern quicklebendig wie die Marienkäfer, die gerade auf meinem Computer herumkrabbeln, während ich diese Zeilen schreibe. Es müssen wohl die warmen Dezembertage gewesen sein, die eine wahre Invasion bewirkt haben, denn in meinem Gartenzimmer krauchen und kriechen sie überall herum, die kleinen Siebenpunkte, die meine Mutter immer so zärtlich "Babuttvogelchen" nannte oder auch nur kurz "Babuttke". Ihr besonderes Interesse gilt dem Computer, wenn ich ihn einschalte, dauert es nicht lange, und der erste Marienkäfer hockt auf der Tastatur. Als hätte ich es gerufen: Während ich diese Zeilen schreibe, kommt gerade wieder ein Babuttchen angeschwirrt und landet auf meinem linken Zeigefinger! Was nicht gerade zur Konzentration beiträgt, aber ich betrachte meine kleinen "Mitarbeiter" gerade jetzt zur Jahreswende als echten Glückskäfer, nicht nur für mich sondern, für unsere ganze große Ostpreußische Familie.

Auch wenn es nur ein kleines Quentchen Glück ist, das wir manchen Leserinnen und Lesern vermitteln konnten wie Frau Mößer, die eine Originalpostkarte vom alten Walterkehmen erhielt. Sie schreibt: "Sie glauben gar nicht, was Sie mir für eine Freude gemacht haben, zumal auf der Karte auch die Anhöhe zu sehen ist, auf welcher der Hof meiner Großeltern bzw. dann meiner Eltern stand. Es war wie ein kleines Wunder."

Einen ausführlichen Brief erhielt ich von Herrn Karl-Heinz Riedasch, der nun endlich etwas über die letzten Tage seines seit März 1945 im Samland vermißten Vaters erfahren hatte. Zwar liegt seine Frage schon länger zurück - die Veröffentlichung erfolgte im April 2005 - , aber es ergaben sich im Laufe der Zeit so wertvolle und wichtige Informationen, daß Herr Riedasch nun ein umfangreiches Resümee zusammenstellen könnte, aus dem ich leider nur einige Auszüge entnehmen kann. Die wichtigste Mitteilung kam von einem Leser, der ihm die Anschrift eines Zeitzeugen der Kämpfe am Galtgarben vermittelte. Dieser konnte tatsächlich aufgrund des letzten Briefes seines Vaters sehr genaue Angaben machen, so daß die Einheit nun fest stand: Es war der Radfahrzug des IR 273. Präzise sind die Angaben über das Geschehen am 1. März 1945, als die Rückeroberung des Galtgarbens stattfinden sollte. Dem Radfahrzug gelang eine Umgehung, auf der dieser fast auf sich allein gestellt war. Der Bismarckturm konnte erobert werden. Aus Freude darüber bestiegen mehrere Soldaten den Turm, wohl auch, um eine geschützte Deckung beim nun einsetzenden Gegenangriff der Russen zu haben. Dies erwies sich als großer Irrtum. Der Turm und die Umgebung waren mit Sprengladungen versehen. Die Pioniere begannen diese auszubauen. Das Leuchtzeichen "Bismarckturm erreicht" war für die Russen das Signal zur Fernzündung und zum Gegenangriff. Das Ergebnis bestand in der Vernichtung des erst siegreichen deutschen Gegners. Es konnten nur noch vier Kameraden von einem anderen Trupp der Division schwerverletzt geborgen werden. - Herr Riedasch hat im Sommer das Samland besucht und ist den Spuren nachgegangen, die zu dem Sterbeort seines Vaters führten. Viele Fragen, die er sich stellte, blieben offen: Wo ist er gefallen? Hat er schwer leiden müssen? Wo wurde er begraben? Die Antwort wird ihm niemand mehr geben können, aber immerhin weiß er nun dank unserer Leserschaft mehr über die letzten Tage seines Vaters. Er hatte alle in Frage kommenden Institutionen angeschrieben, hatte offene Ohren gefunden, aber die wichtigsten Informationen kamen von den noch lebenden Zeitzeugen. Und allen, die dabei geholfen haben - vor allem unsere Leserin Barbara Kleine aus Osnabrück, die Herrn Riedasch auf die Ostpreußische Familie hinwies - sagt er seinen herzlichen Dank.

Daß unsere Familie weit über den Namen, den sie trägt, ihre Kreise zieht, ist bekannt. Das konnte nun auch Herr Helmut Bargel feststellen, der nach der Familie Schön aus Schwiebus suchte, weil dieser Name auf einer Grabplatte stand, die als Fensterplatte verwendet worden war. "Ich hatte nicht an einen Erfolg geglaubt, aber gehofft, doch Reaktionen zu bekommen," schrieb Herr Bargel. Und die kamen auch durch Vermittlung unserer Leser. So konnte die Verbindung zu einem heute in Dänemark lebenden Herrn Schkerl hergestellt werden, der über den Familiennamen Schön in Schwiebus nachforscht. Leider konnte nicht festgestellt werden, ob seine "Schöns" mit der Grabplatte in Verbindung zu bringen sind. Herr Siegfried Reimann in Düsseldorf, der für den Heimatkreis Schwiebus-Züllichau zuständig ist, führt in seiner Kartei nicht mehr den Namen Schön und gab deshalb Herrn Bargel den Rat, die Grabplatte dem Heimatmuseum in Schwiebus zu übergeben, in dem Zeugnisse aus deutscher Zeit gesammelt und ausgestellt werden. Das teilte Herr Bargel seinem jetzt in Schwiebus lebenden Schwager mit, der diesen Rat befolgen wird. Was Herrn Bargel erstaunt und mich erfreut, ist die Tatsache, wie lebhaft und interessiert unsere Leserinnen und Leser auf diese "außerostpreußische" Frage reagierten. Vielen Dank allen, die sich bemüht haben!

Einen kurzen, herzlichen Gruß übersandte uns Herr Clemens Grimm vom Reiterhof Nöda, der die Züchter der schweren "Ermländer" wieder beleben will. Er hat viel Resonanz erfahren - das ahnte ich schon - und wird zu einem späteren Zeitpunkt darüber berichten. Darauf freuen wir uns schon.

Das Vokabular, das die Eigenschaften unserer Ostpreußischen Familie umfaßt, hat sich um eine neue Bezeichnung bereichert: Unverzichtbar! Mit Ausrufungszeichen und fett gedruckt. So hat es uns jedenfalls unser Landsmann Burghard D. Lubbe in einem Schreiben übermittelt, das die Beweise für dieses neue Attribut enthält. Denn Herr Lubbe hat tatsächlich beste Erfahrungen mit unserer Familie gemacht, wenn auch einer seiner vielen Wünsche nicht erfüllt werden konnte: Die Klärung des Schicksals seiner Großeltern, die 1945 in Königsberg verblieben. Wahrscheinlich wird sich das nie klären lassen, wie das von so vielen Opfern, die das Inferno, in dem unser geliebtes Königsberg unterging, auf grausamste Weise forderte.

Was bleibt, ist aber viel, sehr viel sogar. Schon ehe Herr Lubbe die Zeitung, in der sein Wunsch erschien, aufgeschlagen hatte, kam der erste Anruf. Und so ging es munter weiter. Von mehreren Seiten wurde dem Enkel mitgeteilt, wo genau die Großeltern in Ponarth gewohnt hatten. Auch eine Korrektur gab es: Herr Lubbe hatte seinen Großvater zum Reichsbahninspektor befördert - er war aber Sekretär, auch das konnte ein Leser klären, so penibel kann unsere Familie sein! Eine weitere Information über die Familie Lubbe kam von einer Leserin aus Hamburg, die mit einer Tante von Burghard zur Schule gegangen war. Sie konnte ihm auch sagen, daß sein Onkel Helmut, Bruder seines Vaters Kurt Lubbe, seit Ende 1944 in Polen verschollen ist. Auch seinen Vater kannte sie und war sehr erfreut, von dem Sohn über den weiteren Lebenslauf von Kurt Lubbe zu erfahren. Es war ein langes Gespräch, aber es wurde an Dauer noch übertroffen von einem Telefonat, das Burghard Lubbe mit Frau von Kalben in Kanada führte: Es dauerte eine Stunde! Denn es stellte sich heraus, daß beide Königsberger Familien Nachbarn am Steindammer Wall gewesen waren und im Kolonialwarengeschäft von Ernst Sprengel gekauft hatten, dessen Sohn Gerd der Spielkamerad von Burghard gewesen war. Die größte Überraschung: Dieser Freund aus seiner Kinderzeit lebt, wie ihm von mehreren Seiten mitgeteilt wurde, und Herr Lubbe hat sofort einen langen Brief an ihn geschrieben.

Etwa eine Stunde "plachandert" hat auch Herr Dietmar E. Spiwokz mit Herrn Lubbe, denn er kennt sich als geborener Ponarther dort so gut aus, daß er seine Erinnerungen in einem Büchlein zusammengefaßt hat, das er Herrn Lubbe - und auch mir - übersandte. Ein herzliches Dankeschön!

Aber das ist längst noch nicht alles, denn Burghard Lubbe bekam als ehemaliger "Sängerknabe" auch Zuschriften von ehemaligen Mitgliedern der Spielschar des Reichssenders Königsberg und des Heinrich-Albert-Chors - na ja, ich kann schon verstehen, daß er sich "seeehr" über das große Echo seiner gesammelten Suchwünsche gefreut hat.

Nun möchte ich unserer großen Ostpreußischen Familie, allen Helfershelfern und Mitdenkern, ein frohes Neues Jahr wünschen, in der Hoffnung, daß meine lebenden Glücksbringer ihr Versprechen halten - im Augenblick turnen vier Babuttchen auf meinem Computer herum!

Ihre Ruth Geede

Der milde Dezember hat auch seine positiven Seiten. So kann man zu dieser Jahreszeit Babuttchen bewundern. Gerade zum Jahreswechsel werden Marienkäfer gerne als Glücksbringer verschenkt. Foto: privat


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