26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
30.12.06 / "Eisvogel trifft Klapperschlange" / Zinnfiguren und Kinderbücher in der Spielzeugsammlung des Germanischen Nationalmuseums

© Preußische Allgemeine Zeitung / 30. Dezember 2006

"Eisvogel trifft Klapperschlange"
Zinnfiguren und Kinderbücher in der Spielzeugsammlung des Germanischen Nationalmuseums

Wer heute am Kiosk eine Zeitschrift für Kinder kauft, bekommt oft eine CD oder ein Plastik-Spielzeug dazu. Die Ausstellung "Eisvogel trifft Klapperschlange" in der Spielzeugsammlung des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg zeigt derzeit, daß dies keine neue Erfindung ist. Ausgestellt werden etwa 300 farbig bemalte Zinnfiguren der Goethezeit, die als Anschauungsobjekte zu Begleitbüchern mit lehrhaftem Charakter dienten.

Die Studioausstellung im obersten Stock der Spielzeugsammlung in der Kartäusergasse rückt einen Hersteller in den Mittelpunkt, dessen sorgfältig gravierte Figuren mit einem geschwungenen "F" auf der Bodenplatte gekennzeichnet sind. Die Signatur konnte erst in den vergangenen Jahrzehnten entschlüsselt und dem Zinngießer Johann Ernst Fischer aus Halle sicher zugewiesen werden.

Ausgehend vom eigenen Bestand und unterstützt durch zahlreiche Leihgaben aus privaten Sammlungen des europäischen Auslandes, bietet die Sonderschau erstmals Gelegenheit zu einem Überblick über das breite Produktionsspektrum Johann Ernst Fischers, wie er in der in dieser Form bisher noch nicht zu sehen war.

Im Unterschied zu den nach der Mitte des 19. Jahrhunderts üblichen militärischen Themen zeigen diese frühen Exemplare meist eine Natur- und Völkerkunde im Miniaturformat.

Zusammen mit einer Serie von Büchern stellen die bemalten Zinnfiguren eine Einheit dar, durch die Kinder die Welt begreifen lernen konnten. Zugleich geben sie Einblick in Bildungsideen und Kulturgeschichte der Goethezeit.

Die Ausstellung regt daher nicht nur zu einem anderen Blick auf die Geschichte der Zinnfiguren an, sondern verdeutlicht, daß die Übergänge zwischen Spielzeug und Lehrmittel in der Zeit der Aufklärung zunächst fließend waren.

Fischers Tierfiguren und Figurengruppen verschiedener Völkerschaften waren Teil eines größeren Verlagsprojektes, zu dem kleine Bücher gehörten, welche die in Schachteln verpackten Zinnfiguren mit ihren erläuternden Texten thematisch ergänzten. Herausgeber dieses "Naturhistorischen ABC-Buchs", das in zwölf Lieferungen mit unterschiedlichen Titeln zwischen 1792 und dem Beginn des 19. Jahrhunderts erschien, war der Hallenser Kunsthändler Friedrich Georg Dreyßig, dessen Verlagsprogramm auch Schulbücher, Spielbücher und Kinderbücher umfaßte.

Die zwölf als "Geschenke für die Jugend" untertitelten Realienbücher mit lehrhaftem Charakter sind flüssig geschrieben und spiegeln den Wissensstand ihrer Zeit wider. Als Garanten eines hohen Bildungsanspruchs gewann Dreyßig mit G. S. Klügel (Mathematik und Physik) und J. R. Forster (Naturgeschichte) zwei Professoren der Universität Halle als Buchautoren, die außer ihren wissenschaftlichen Werken über naturkundliche und geographische Themen bereits Realienbücher für Kinder verfaßt hatten. In einigen Bändchen sind die Texte auch Reisebeschreibungen und naturkundlichen Werken der Zeit entnommen.

Dreyßig vertrieb diese Kinderbücher samt den zugehörigen Zinnfiguren Fischers über Buchhandlungen in verschiedenen deutschen Städten sowie in der Schweiz und in Dänemark. Fischer gravierte auch Zinnfiguren für vergleichbare Kinderbücher und Spiele des Hallenser Pädagogen Christian Adolf Buhle, darunter Zinnfiguren griechischer und römischer Gottheiten zu "Erzählungen aus der Mythologie für die wißbegierige Jugend", von denen das Germanische Nationalmuseum eine größere Anzahl besitzt. GNM

Die Ausstellung "Eisvogel trifft Klapperschlange - Zinnfiguren und Kinderbücher in der Aufklärung" im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, Kartäusergasse 20, ist dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr, mittwochs bis 21 Uhr geöffnet, Eintritt 4 / 3 Euro, ab 18 Uhr freier Eintritt, bis 22. April 2007.

Lehrreiche Beigaben: Zinnfiguren erfreuten das Kind im 18. und 19. Jahrhundert. Foto: Museum


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren