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06.01.07 / Das Jahr Beck / Man muß dem SPD-Chef leider glauben, daß er mit Reformen Schluß machen will

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-07 vom 06. Januar 2007

Das Jahr Beck
Man muß dem SPD-Chef leider glauben, daß er mit Reformen Schluß machen will
von Klaus D. Voss

Soweit hat es der Mann schon gebracht: Wer ohne alles weitere nur "Beck" sagt, meint ihn - den SPD-Vorsitzenden, den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten, auf jeden Fall den stets gemütlich wirkenden Mittfünfziger von der Südlichen Weinstraße. Kurt Beck ist "wer".

Jetzt muß "er" den Menschen im Land klar machen, wofür Kurt Beck steht und was er will: Kanzlerkandidat der SPD werden - und natürlich gewinnen. Erfahrene Bundesbürger ahnen es bereits, wenn führende Sozialdemokraten an sich und ihr Fortkommen denken, bedeutet das selten etwas Gutes für das Land; es wird vermutlich teuer bis sehr teuer.

Zum Jahresanfang hat Beck die Linie vorgegeben. Es soll jetzt Schluß sein mit den "schmerzhaften Reformen", erklärte er in einem Interview. Zuvor hatte er den tapfer arbeitenden Bundesbürgern aus der Seele sprechen können ("Haare schneiden und rasieren, dann klappt es auch mit der Arbeitsstelle"). Man mag an glückliche Zufälle in der Politik glauben oder eher an geschickte Regie im Hintergrund, der Zusammenstoß mit dem enttarnten Faulenzer Henrico F. auf dem Wiesbadener Weihnachtsmarkt war ein Auswärtssieg für den Mainzer Regierungschef. Unvergessen in der SPD ist auch die Wiederentdeckung der Unterschicht unter dem Arbeitstitel "Prekariat". Seitdem kann die SPD-Linke wieder in dem Bereich Fuß fassen, den sie ihre politische Heimat nennt. Da droht Ausgabenpolitik nach alter Manier.

Die SPD fährt jetzt im Schongang. Man muß Kurt Beck leider glauben, daß mit ihm keine großen Reformen mehr zu machen sind. Wie stark die Gegenwehr der Unionsparteien tatsächlich sein wird, bleibt offen. Auf dem Reform-Kalender für 2007 steht ohnehin nicht mehr viel. Die Gesundheitsreform wird in endlosen Detaildiskussionen noch weiter an Reform-Substanz verlieren, bis schließlich ein Alibi-Gesetzchen die parlamentarischen Hürden nehmen kann - die dicken Brocken an Problemen im Gesundheitswesen sind ohnehin schon auf 2009 vertagt. Die Rente mit 67 haben die Bundesbürger bereits geschluckt; sie kann den Bundestag passieren. Und die Unternehmenssteuerreform schließlich ist kein großer Aufreger für das breite Publikum.

Die dringend notwendige Reform der Pflegeversicherung wäre eine Nummer zu groß für diese Regierung; mehr als Debattenbeiträge sind 2007 nicht zu erwarten.

Beck ist in der Tat in einer sehr komfortablen Position, um sein sozialdemokratisches Profil ausweiten zu können. Er ist nicht in das Kabinett Merkel eingebunden und genießt sein Recht auf Freigang.

Kanzlerin Merkel wird sich 2007 zwar auf internationaler Bühne bewähren können, allerdings muß sie sich auch wenig populäre Themen aufladen wie die EU-Verfassung und unbeliebte wie die Globalisierungspolitik der G-8-Staaten.

Beck macht es sich da leichter. In seiner Neujahransprache als Mainzer Regierungschef hielt er sich nicht bei den Themen Sparen und Reformen auf, im Gegenteil: Seine Stichwörter "Soziale Verantwortung" und "Chancengleichheit in der Bildung" stehen für die alte Verteilungsmentalität. Und während andere Bundesländer selbst mit den Schulbüchern knausern, versprach Beck den Schulen an Rhein und Mosel mehr Lehrerstellen, mehr Sozialarbeiter sowie eine satte Aufstockung der Lernmittel-Subvention. Kurt Beck trägt seine Wunschrolle als Anwalt des kleinen Mannes jedenfalls überzeugender vor als sein NRW-Amtskollege Jürgen Rüttgers von der CDU, dessen Zwischenruf in SPD-Tonart ("Mehr Geld für ältere Arbeitslose") verklungen ist.

Becks unverblümter Populismus trägt erste Früchte. Auf der Liste der zehn beliebtesten Politiker führt ihn das ZDF-Politbarometer inzwischen auf Rang drei - nach Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel, ganz knapp vor dem niedersächsischen Regierungschef Christian Wulff (CDU). Aber im ewigen Duell der Volksparteien um die Wählergunst steht es inzwischen nach Prozenten 33:28 zugunsten der Union; hier machen die Christdemokraten Boden gut, während die SPD weiter schwächelt.

Das zeigt, woran Beck arbeiten muß. Er will die ganze Partei auf seine Linie bringen und das Jahr 2007 nutzen, um die SPD auf die kommenden Wahlentscheidungen einzustellen. Im Frühjahr 2008 werden die Landtage von Niedersachsen und Hessen sowie die Bürgerschaft in Hamburg neu gewählt, im Herbst folgen die Wahlen in Bayern. In allen vier Bundesländern fehlen der SPD überzeugende oder wenigstens einigermaßen bekannte Spitzenkandidaten - da muß der Parteichef als oberster Wahlkämpfer aller Sozialdemokraten selbst antreten.

Man muß Kurt Beck zugestehen, daß er das kann. Nach der Amtsübernahme 1994 in Mainz von Rudolf Scharping hat er konsequent die Machtposition der SPD in dieser ehemaligen CDU-Hochburg ausgebaut - auch um den Preis, daß Rheinland-Pfalz in seiner wirtschaftlichen Entwicklung hinter den Nachbarländern Hessen und Baden-Württemberg herhinkt.

Für Beck geht es jetzt ums Ganze: Die Landtagswahlen werden als großer Stimmungstest für die Bundestagswahl gewertet, die nach Plan im Herbst 2009 ansteht. Er ist niemand, der sich diese Chance seines Lebens nehmen lassen will - wozu sollte er den Ärger schultern, den Reformer in diesem Land auf sich nehmen müssen? Das gilt vor allem bei den Themen, die den Deutschen Verzicht von dem abverlangen sollten, was man fatalerweise sozialen Besitzstand nennt.

Foto: Beginnt das Rennen um die Kanzlerkandidatur 2009: SPD-Chef Kurt Beck


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