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13.01.07 / Der unpassende Erzbischof / Zusammenarbeit von Stanislaw Wielgus mit dem Geheimdienst schwächt die katholische Kirche

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-07 vom 13. Januar 2007

Der unpassende Erzbischof
Zusammenarbeit von Stanislaw Wielgus mit dem Geheimdienst schwächt die katholische Kirche
von Sverre Gutschmidt

Es war eine öffentliche Demütigung: Hunderte Menschen in der Kathedrale und kaum weniger davor, die geistliche Elite Polens im festlichen Ornat, führende Politiker, darunter die regierenden Kaczynski-Zwillinge, sind versammelt. Eigentlich sollte die Amtseinführung des neuen Erzbischofs von Warschau Stanislaw Wielgus (67) gefeiert werden, der am 6. Dezember von Papst Benedikt ernannt worden war. Statt dessen wurde kurzfristig eine Art Rücktrittsgottesdienst einberufen. Eine kurze Stellungnahme, Worte des Bedauerns, Schweigen: Der Erzbischof ist zurückgetreten, zurückgedrängt, bevor er feierlich eingesetzt ist. Gedemütigt und beschädigt durch dieses Ritual, das in einem Bußgottesdienst endet, ist nicht nur Stanislaw Wielgus (67), der Beinahe-Erzbischof, sondern auch die katholische Kirche.

Es geht daher nur bedingt um Wielgus. Erzbischof wird man schließlich nicht über Nacht - der Kirche war der Lebensweg des bisherigen Bischofs von Plock längst bekannt. Wie es so weit kommen konnte, verrät nur ein Blick in seine Vergangenheit.

1973, zehn Jahre nachdem die Welt während der Kuba-Krise in den Abgrund eines Atomkrieges geblickt hatte, bot die Entspannungspolitik zwischen Ost und West einem jungen Polen einen Studienplatz im westdeutschen Ausland. Kaum einer ahnte das Ende des Kommunismus voraus. Heute, mehr als 30 Jahre später, erhält Wielgus die Rechnung dafür, daß er damals ein Blatt Papier unterschrieb. Es war die Eintrittskarte ins Weststudium, dargeboten vom polnischen Geheimdienst in Form einer Verpflichtungserklärung. Eine Formalität - so mag er es damals empfunden haben. Geheimdienstkontakte waren Routine für Kleriker, stand die polnische Kirche doch unter Dauerbeobachtung des Regimes. Als Stipendiat der Ludwig-Maximilians-Universität in München lernte er als Theologiestudent: "Die Wahrheit siegt gegen die Gewalt" - so der Titel einer Rede, die er bereits während dieses Studienaufenthalts in Deutschland veröffentlichte. Wer so handelt, erweckt nicht den Eindruck willfähriger Zuträger eines kommunistischen Geheimdienstes zu sein.

Genau das soll Wielgus aber gewesen sein, glaubt man den Urteilen polnischer Zeitungen. Sie haben im Vorfeld des Gottesdienstes eine beispiellose Kampagne losgetreten. Allen voran weidete sich die "Gazeta Polska" kurz vor Weihnachten an Details aus der Akte des einstigen polnischen Sicherheitsdienstes SB über den deutschfreundlichen Kleriker. Sein Vertrauen in den SB sei von Gespräch zu Gespräch gewachsen, heißt es da. 50 Treffen mit dem Dienst innerhalb von fünf Jahren seien dokumentiert, "eine Reihe konkreter Informationen" von Wielgus über andere Priester und Wissenschaftler gegenüber dem SB abgegeben worden. Wie die Stimmung unter Gläubigen und Lehrpersonal in seiner Heimatstadt Lublin gewesen sei, habe Wielgus berichtet. Festgehalten sind die Begegnungen und Zitate in einem Bericht seines Führungsagenten vom Herbst 1973.

In Polen sind viele Klarnamen von SB-Agenten und Zuträgern allen bekannt, die davon wissen wollen. Die Überprüfung von öffentlichem Dienst und Politik sowie Strafverfolgung sind hingegen Neuland. Derart detailliertes Material und das auch noch passend zum Zeitpunkt der Amtseinführung Wielgus in der als antikommunistisch bekannten "Gazeta Polska" lanciert, deutet jedoch auf mehr als gründliche Recherche seitens der Medien hin. Das "Institut für Nationales Gedenken" (IPN), so der Name des polnischen Gegenstücks zur deutschen Stasi-(Birthler-)Behörde, gilt seit Jahren als weitgehend offene Einrichtung, in der auch schon mal Namenslisten geklaut werden. So geschehen im Januar 2005, als der ehemalige Oppositionelle und Journalist Bronislaw Wildstein eine Liste, die ausschließlich aus Namen von 240000 "Mitarbeitern" des SB besteht, mitgehen ließ und prompt an Zeitungsredaktionen weitergab. Brisant bei der seither als "Wildsteins Liste" bekannten Namenssammlung ist, daß darin auch unwissentliche Zuträger als Informanten und somit als Mitarbeiter geführt wurden. Sie stehen seit einiger Zeit am Internetpranger. Der Streit um die "Durchleuchtung" der kommunistischen Vergangenheit heute einflußreicher Personen ist in vollem Gange. Politisch angestoßen durch die Kaczynski-Zwillinge und ihre Partei (PiS), und im Prinzip auch von der Kirche begrüßt, bietet er zunehmend den Hintergrund für die persönliche Abrechnung mit Gegnern der Kaczynskis. Ein Erzbischof der deutsch spricht und als deutschfreundlich gilt, will kaum ins Konzept der Kaczynskis passen.

Fragt man nach dem Nutzen der Kampagne gegen Wielgus, so sind auch noch andere auszumachen. Der Effekt der Hatz auf die nun als unterwandert dastehende Kirche ist eben nicht eine differenzierte und persönliche Aufarbeitung. Nach dem Eklat in der Kathedrale regt sich zudem öffentlich Mitleid: Wenn sogar er dabei war, war es wohl nicht so schlimm. Das allgemeine Verständnis für einen damals jungen Priester, der niemandem schaden wollte, spielt eher den Post-Kommunisten zu. Sie befürworten schon lange den "dicken Schlußstrich".

 

IPN - Anders als unsere Birthler-Behörde

Das "Institut für nationales Gedenken" (IPN) ist nur bedingt mit der deutschen Stasi-Unterlagenbehörde vergleichbar, verfügt es doch auch über staatsanwaltschaftliche Befugnisse und besteht erst seit 1998 in der jetzigen Form. Der Vorsitzende wird vom Sejm (Parlament) für fünf Jahre gewählt und ist nicht weisungsgebunden. Das (Vorläufer-)Institut konzentrierte sich in der Vergangenheit auf die Verfolgung von nationalsozialistischen Verbrechen am polnischen Volk. 1990 kamen die Verbrechen des Kommunismus zu den Aufgaben hinzu, zu denen auch politische Bildungsarbeit zählt. Aufsehen erregte 2001 ein Bericht zu Massakern von Polen an jüdischen Bürgern in Jedwabne sowie der Diebstahl einer Namensliste mit Klarnamen von 240000 mutmaßlichen Mitarbeitern des SB im Februar 2005.


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