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20.01.07 / Zum Alleinherrscher gekrönt / Venezuelas Präsident will den Sozialismus neu beleben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-07 vom 20. Januar 2007

Zum Alleinherrscher gekrönt
Venezuelas Präsident will den Sozialismus neu beleben
von Hans Heckel

Venezuelas Präsidentschaftswahlen vergangenen Monat mögen frei und gerecht gewesen sein, doch es ist zunehmend unwahrscheinlich, daß die nächsten es auch sein werden" fürchtet der Kommentator der "Los Angeles Times". Schon die Szene der Amtseinführung des wiedergeählten Staatschefs bestätigt die Sorgen des US-amerikanischen Blattes. Eigenmächtig erweiterte der Sozialist Hugo Chávez die Eidesformel um den Zusatz "Vaterland, Sozialismus oder Tod" - eine offene Huldigung an den siechenden kubanischen Diktator Fidel Castro, dessen Parole "Sozialismus oder Tod" Genossen wie Gegnern in den Ohren klingt.

Chávez' dreister Auftritt war mehr als hohles Pathos, es war ein Signal, das ausdrücken sollte: Ich mache ab jetzt die Regeln in diesem Land selbst, brauche mich nicht einmal mehr an heilige Rituale der Republik zu halten wie die Eidesformel des Präsidenten. Und: Wer sich mir jetzt noch in den Weg stellt, muß sich auf mehr gefaßt machen als auf eine friedliche Auseinandersetzung, zwischen Opposition und Regierung: "... oder Tod!"

Mit der selben herrische Geste kündigte Chávez an, als nächstes die Verfassung dahingehend zu ändern, daß er bis zum Ende seiner Tage Präsident bleiben kann. Bislang gilt, daß Venezuelas Staatsoberhäupter wie die der USA nur einmal wieder antreten dürfen. Danach wäre Chávez' Zeit 2013 abgelaufen.

Die Szene vom 10. Januar markiert den nächsten, womöglich entscheidenden Schritt zur völligen Machtergreifung der venezolanischen Sozialisten, die mittels fortschreitender Verstaatlichungen ihre Macht nicht nur wirtschaftlich festigen. Im März will Chávez den allzu kritischen Fernsehsender "RCTV" kurzerhand abschalten. Offizielle Begründung: Das Medium störe die öffentliche Ordnung und nationale Sicherheit. In dem Maße, in dem Chávez sich selbst und seine Partei als einzig legitime Vertreter von Nation und Öffentlichkeit stilisiert, läßt sich auf der Grundlage dieser Verfügung bald jede Opposition ersticken.

Beobachter hegen die Sorge, daß Chávez sein Land zur roten Diktatur macht und wirtschaftlich in den Ruin treibt. Nach der Ankündigung breitangelegter Verstaatlichungen stürzten die Kurse an der Caracaser Börse um durchschnittlich fast 19 Prozent in die Tiefe, das Kapital verläßt das Land. Doch Venezuelas Ölreichtum erlaubt es seinem autoritären Führer noch, die ökonomische Entkernung seiner Heimat zu ignorieren. Mit Hilfe von Milliardengeschenken an die Armen des Landes hat er sich - vorerst - die Unterstützung der zahlenmäßig dominierenden unteren Schichten gesichert, über 60 Prozent gaben ihm im Dezember 2006 ihre Stimme.

Mit den Ölmilliarden will sich Chávez zudem einen eigenen Machtblock zimmern, in welchem er die lateinamerikansichen Länder gegen die USA in Stellung bringen möchte. Mit dem seit jüngstem ebenfalls linksradikal regierten Bolivien und Castros Kuba bildete Chávez die Freihandelszone "Alba" als Gegenmodell zu der von Washington dominierten "Nafta". Und Chávez' Träume gehen über Lateinamerika hinaus: Mit Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad übt er den offenen Schulterschluß, auch sucht er die Nähe zu China.

Obschon bereits die Mehrheit der mittel- und südamerikanischen Staaten von linken oder mitte-linken Kabinetten regiert wird, wachsen in den übrigen Hauptstädten langsam Bedenken wegen Chávez. Von "Größenwahn" ist die Rede. Auch sympathisierenden Staatsführungen mag nicht einleuchten, warum ihre ganze Außenpolitik wie die von Chávez nur dem einen Ziel folgen solle: Auf alle erdenkliche Weise die USA zu reizen.

Selbst Nicaraguas Daniel Ortega, der vor wenigen Tagen ins Präsidentenamt zurückgekehrte einstige Chef der revolutionären "Sandinisten", versucht, sich mehrere Optionen offenzuhalten. Nicaragua wolle zwar der "Alba" beitreten, so der alte Marxist, aber dennoch Mitglied der "Nafta" bleiben.

Am intensivsten sorgt sich Nachbar Kolumbien, das sich von Chávez im Osten und dem ebenfalls links regierten und von Caracas materiell unterstützten Ecuador im Süden regelrecht eingekreist fühlt. Chávez weigert sich, die Terrorbanden der "Farc", die weite Teile Kolumbiens besetzt halten, als Terroristen zu bezeichnen.

Dennoch versucht Kolumbiens bürgerlicher Präsident Álvaro Uribe, der direkten Konfrontation mit Caracas auszuweichen. Die Wirtschaft seines Landes ist seit Jahren in einem sagenhaften Aufschwung. Die positive Entwicklung will Uribe weder durch Zankereien mit Chávez noch mit Washington gefährden. Für die USA wird Kolumbien als Partner in der Region daher immer wichtiger.

Foto: "Ich mache die Regeln": Hugo Chávez zeigt seinem Parlament den Weg.

 

Zeitzeugen

Fidel Castro - Schon Jahrzehnte vor Allende und Chávez machte sich Fidel Castro die USA durch seine lateinamerikanische Spielart des Sozialismus zum Feind. Seit 1959 ist der Kubaner Regierungs- und seit 1976 Staatschef seines Landes.

Juan Perón - Der 1895 geborene Berufssoldat und Ehemann der charismatischen Schönheit María Eva Duarte, genannt Evita, war von 1946 bis zu einem Putsch 1955 und von 1973 bis zu seinem Tode 1974 gewählter Präsident Argentiniens. Im Gegensatz zu den Sozialisten Castro und Chávez suchte der Bewunderer des italienischen Faschismus mit seinem Peronismus einen "dritten Weg" zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Allerdings führte auch er Verstaatlichungen durch, und auch er gehörte zu den Kritikern der USA.

Ernesto Che Guevara - Der laut Jean-Paul Sartre "vollkommenste Mensch unserer Zeit" nahm an der Seite Castros an der Kubanischen Revolution teil. Nach dem Sieg wurde ausgerechnet er Leiter der Nationalbank und Industrieminister. Diese profane, desillusionierende Regierungsarbeit war nichts für den idealistischen, intellektuellen Revoluzzer. Meinungsverschiedenheiten mit Castro kamen hinzu. So verließ der große Theoretiker des modernen Guerillakampfes die sichere Insel, um anderswo wieder als Guerillakämpfer in seinem Element zu sein. Als solcher wurde er 1967 in Bolivien erschossen.

Evo Morales - Der 2005 gewählte Präsident Boliviens ist dessen erstes Staatsoberhaupt, das der Bevölkerungsmehrheit der autochthonen Indios angehört. Wie seine politischen Freunde Castro und Chávez setzt der Sozialist zum Leidwesen der USA auf Verstaatlichungen.

Simón Bolívar - Der 1783 in Caracas geborene Sproß einer reichen Kreolenfamilie führte die Südamerikaner in ihrem Unabhängigkeitskampf gegen die spanischen Kolonialherrschaft. Mit seinem Streben nach Unabhängigkeit von europäischer wie US-amerikanischer Bevormundung sowie einer lateinamerikanischen Konföderation ist beziehungsweise war der Südamerikaner nicht nur Hugo Chávez und Ernesto Che Guevara ein Vorbild.


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