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20.01.07 / So nicht gewollt / Österreichs neue Große Koalition ist schon jetzt unbeliebt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-07 vom 20. Januar 2007

So nicht gewollt
Österreichs neue Große Koalition ist schon jetzt unbeliebt
von R. G. Kerschhofer

Seit voriger Woche hat Österreich, wie manche sagen, eine "ÖVP-Regierung mit rotem Bundeskanzler". Das ist zwar überzeichnet, drückt aber recht gut aus, daß der Pokal fürs Brechen von Prinzipien und Wahlversprechen eindeutig an die SPÖ ging. Ungewollt dazu beigetragen hat auch Bundespräsident Heinz Fischer, der ein entschiedener Großkoalitionär ist (wenn sich keine SPÖ-Alleinregierung ergibt): Er hatte noch vor Weihnachten den Partei-Chefs das Koalitionsversprechen abgerungen und gleich den Termin für die Ernennung festgesetzt! Der Zeitdruck beim Aushandeln der "Kleinigkeiten" traf primär den designierten Kanzler Gusenbauer, und der Taktiker Schüssel wußte dies zu nutzen.

Schüssel scheiterte dann aber in der eigenen Partei: Der von ihm als Vizekanzler favorisierte Finanzminister Grasser wurde abgelehnt. Beide Posten erhielt Wilhelm Molterer, der früher Landwirtschaftsminister und zuletzt ÖVP-Klubobmann war. Molterer ist nun auch designierter und bereits geschäftsführender Nachfolger Schüssels an der Parteispitze. Schüssel ist - vorläufig? - Klubobmann.

Die ÖVP behält das Innenministerium, das bisher in jeder Regierung mit SPÖ-Beteiligung eine SPÖ-Domäne war. Die ÖVP behält auch das Finanzministerium, das bisher immer der Kanzler-Partei "gehörte". Kleiner Wermutstropfen: ein SPÖ-Staatssekretär als Aufpasser. Die ÖVP behält auch das Außenministerium, gibt aber das Verteidigungsministerium an die SPÖ ab - ein Danaergeschenk, das schon 2000 zum Niedergang der FPÖ beigetragen hatte. Neuer Verteidigungsminister ist der bisherige SPÖ-Zentralsekretär Darabos, ein lupenreiner Parteisoldat und zuletzt SPÖ-Zentralsekretär, noch dazu ein "Zivildiener aus Gewissensgründen". Unterricht und Kunst gehen an die SPÖ - doch diese Bereiche waren bisher schon in derart "fortschrittlichen" Händen, daß es nicht schlimmer werden kann.

Koalitionsbedingt erhöht sich die Zahl der Regierungsmitglieder. Um nicht allzu viele Wahlversprechen brechen zu müssen, erhöht man auch Steuern und Abgaben - so die Krankenkassenbeiträge und damit die Lohnnebenkosten (ein Umfaller der ÖVP), die Mineralölsteuer, die Lkw-Maut und voraussichtlich auch die Autobahn-Vignette für Pkw. Trotz allem wird auch das Budget-Defizit um gut einen halben Prozentpunkt wachsen - aber da liegt man ja im europäischen Trend.

Das Wahlversprechen der SPÖ, die Anschaffung der "Eurofighter" rückgängig zu machen, wird sich kaum realisieren lassen. Damit muß sich nun ein Zivildiener herumschlagen. Doch der kann sich vielleicht hinter dem im Oktober gegen die ÖVP gerichteten parlamentarischen Untersuchungsausschuß verschanzen, den die SPÖ zusammen mit der FPÖ und den Grünen beschlossen hatte. Der zweite Ausschuß - über "Bawag", Bankenaufsicht und dergleichen - dürfte allerdings sanft entschlafen, denn da sitzen SPÖ und ÖVP im selben Boot.

Die Abschaffung der Studiengebühren - das andere kategorische SPÖ-Versprechen - wird "salomonisch" gelöst: Die betroffenen Studenten werden von den Gebühren befreit, wenn sie zweieinhalb Stunden wöchentlich nicht näher definierte "soziale Arbeit" verrichten. Mit der Durchführung - die erheblichen Verwaltungsaufwand bedeutet - muß sich der ÖVP-Wissenschaftsminister herumschlagen. Da sich dieser "Arbeitsdienst" auf sechs Euro Stundenlohn umrechnen läßt, herrscht Aufstand an der "SPÖ-Basis", sprich bei den Gewerkschaftern und bei den lautstarken Studentenfunktionären. So kam es auch diesmal bei der Ernennung zu heftigen Protesten. Immerhin reichten die massiven Absperrungen der Polizei, und die Regierungsmitglieder konnten die 50 Meter vom Bundeskanzleramt zum Bundespräsidenten oberirdisch zurücklegen - nicht wie 2000 durch den unterirdischen "Geheimgang".

Das "Kleingedruckte" in der Regierungserklärung wird den Österreichern wohl erst im Laufe der Zeit bewußt werden. Die Oppositionsparteien, allen voran die FPÖ, verspüren jedenfalls deutlichen Aufwind.


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