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20.01.07 / Lautloses Leben / Taub geborenes Mädchen erinnert sich an die Stille

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-07 vom 20. Januar 2007

Lautloses Leben
Taub geborenes Mädchen erinnert sich an die Stille

"Können Sie sich vorstellen, wie es ist, wenn man seine Heimatstadt plötzlich neu entdeckt? Wenn man sie nicht nur sieht, nicht nur durch sie schlendert, sie nicht nur riecht und ihren Puls spürt, sondern seine Stadt auch hört?"

1983 wurde Fiona Bollag als drittes Kind ihrer Eltern in der Schweiz geboren. Die kleine Fiona war ein entzückendes Baby, doch sie schrie sehr viel, nichts konnte sie beruhigen.

Weder Liedchen der Mutter, die Spieluhr noch sanfte Worte des Vaters brachten die Kleine dazu, Ruhe zu geben.

Erst als ihr Vater anhand einiger Beobachtungen eine Vermutung hegte, was sein jüngste Tochter so ängstigte, ja isolierte, konnte die Familie wenigstens verstehen, was mit dem Mädchen war: Fiona war taub.

Von da an schildert Fiona Bollag in ihrer Autobiographie wie ihre Familie und deren Bekannte darauf reagierten, daß sie behindert war. Während der Vater resigniert den Kopf in den Sand steckte, entwickelte ihre Mutter ungeahnte Energie, lief von einem Spezialisten zum anderen und hoffte, daß irgendjemand ihrer Tochter helfen könnte, die Welt zu verstehen. Fiona wußte ja gar nicht, was Töne und Wörter waren, und wie sollte man ihr dies begreiflich machen, wenn sie gar nicht ahnt, worum es geht?

Nach unzähligen ergebnislosen Anläufen findet die Mutter in Frau Schmid-Giovannini eine große Hilfe. Die Sprachexpertin bringt Fiona durch Schwingungen bei, was Töne sind. Stück für Stück bekommt die Kleine ein Gefühl dafür, was Geräusche sind. Nach mühseligen Therapiebesuchen lernt das Mädchen Laute zu artikulieren, später sogar zu sprechen.

Auch Fionas Vater merkt allmählich, daß seine Tochter das Leben durchaus genießen kann, obwohl sie die Welt um sich herum nicht hören kann. Das Mädchen erschließt sich mutig auf seine Weise die Welt. Wie sie das macht, was für sie wichtig ist, beschreibt sie in "Das Mädchen, das aus der Stille kam".

Als Fiona 16 Jahre ist, verändert sich ihr Leben radikal. Sie bekommt auf der einen Seite ihres Schädels ein Implantat eingesetzt, mit dem sie erst Geräusche hören, später Worte verstehen kann. Einige Jahre später folgt das zweite Implantat und plötzlich ist die junge Frau in der Welt der Hörenden angekommen - ein Segen, aber auch ein Schock, wie sie es in ihrer Autobiographie nennt. R. B.

Fiona Bollag: "Das Mädchen, das aus der Stille kam", Ehrenwirth, Bergisch Gladbach 2006, geb., 222 Seiten, 18 Euro, Best.-Nr. 6028


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