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20.01.07 / Liebe im Widerstand / Niederländerin heiratet Schwarzen und hilft Juden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-07 vom 20. Januar 2007

Liebe im Widerstand
Niederländerin heiratet Schwarzen und hilft Juden

"Wer vom Geschichtsgeschehen etwas erfahren will, muß Biographien lesen, und zwar nicht die Biographien von Staatsmännern, sondern die viel zu raren Biographien der unbekannten Privatleute", hat der Historiker Sebastian Haffner einmal geschrieben.

Im Herbst 1928 ist die Ehe zwischen Rika van der Lans und ihrem Mann Willem durch Eifersuchtsszenen, lautstarke Auseinandersetzungen und zornige Streitereien am Ende. Mit 17 hatten sie zwar gegen den Widerstand ihrer Eltern geheiratet, aber die Liebe zueinander überwand jede Schwierigkeit. Willem bestand das Zulassungsexamen für den Staatsdienst und bekam eine Anstellung bei dem hoch angesehenen obersten Straßen- und Wasserbauamt in Rijkswaterstaat. Sie waren ein attraktives, lebenslustiges Paar, überall gern gesehen und bekamen vier Kinder - es hatte den Anschein, als könne nichts und niemand dieses Familienglück zerstören. Willem kletterte auf der Karriereleiter nach oben und wurde zum Deichgrafen von Goeree-Overflaken ernannt, einer Insel in Südholland. Für die fröhliche, lebenslustige Rika war dieses fromme, konservative, abgeschiedene Landleben ein Greuel, schlimmer noch, es war, als sei die Zeit stehengeblieben.

Zwischen Willem und Rika kommt es immer öfter zum Streit. Schließlich flieht sie mit ihrem jüngsten Sohn zu ihrer Familie nach Den Haag. Da sie von ihren Eltern keine Unterstützung erwarten kann, mietet sie sich eine Wohnung, holt ihre drei anderen Kinder zu sich und wird Zimmervermieterin. Ihr erster Untermieter ist der 17 Jahre jüngere schwarze Student Waldemar Nods, Sohn eines Goldsuchers aus Paramaribo in der niederländischen Kolonie Surinam, damals Niederländisch Guyana. Rika verliebt sich in den ruhigen und fürsorglichen Waldemar und sie bekommen einen Sohn, den sie liebevoll "Sonny Boy" nennen, nach dem sentimentalen Song von Al Jolson.

Für Rika und Waldemar beginnen schwierige Zeiten, für ihre Eltern und Geschwister ist es ein Skandal, daß sie sich mit einem schwarzen Jungen eingelassen hat, und Willem läßt ihr per Gericht das Sorgerecht für die Kinder entziehen. Allen Schwierigkeiten zum Trotz gelingt es den beiden jedoch, eine Pension in dem mondänen Seebad Scheveningen zu eröffnen. Dank Rikas Tatkraft, mütterlicher Fürsorge und ihrer Begabung, den Gästen ein warmes, geselliges Haus zu bieten, entwickelt sich die Pension zu einem florierenden Betrieb. Im März 1937 heiraten Rika und Waldemar im Rathaus von Den Haag. Im Sommer 1939 kamen wie immer die Badegäste, aber Ende August fällt auch über das sonnige Scheveningen der Schatten Adolf Hitlers. Die Familie Nods muß ihre Pension schließen, aber Rika gelingt es auch diesmal wieder, für ihre Familie ein neues Haus zu finden und einzurichten. Als die systematische Deportation der holländischen Juden in die Vernichtungslager in den Osten beginnt und immer mehr holländische Arbeiter nach Deutschland zur Arbeit in die Kriegsindustrie gezwungen werden, formieren sich Widerstandsgruppen. Eine von ihnen ist die "Landesweite Organisation zur Unterstützung Untergetauchter". Rika und Waldemar sind ein ideales Paar für eine "Tauchadresse". Sie haben ein großes Haus, viele Juden sind unter ihren Freunden und Bekannten, sie sind hilfsbereit und haben Erfahrung im Umgang mit Gästen. Die Wohnung fungiert bald als eine Durchgangswohnung, in der Verfolgte für kurze oder längere Zeit bleiben können, bis ein sicherer Platz für sie gefunden wurde. "Sie war eine edle Frau", schrieb ein Untergetauchter später über Rika. "Wir waren drei Monate bei ihr in Scheveningen, der Umgang miteinander war wie unter langjährigen Freunden."

Im Januar 1944 klingelt es frühmorgens an der Tür, und Männer in schwarzen Lederjacken stürmen ins Haus ...

Mit ihrem Roman "Sonny Boy" erzählt die niederländische Autorin Annejet van der Zijl eine authentische Lebensgeschichte zweier Menschen, die während des Hitler-Regimes den Kampf gegen Ausgrenzung, undemokratisches, rassistisches, inhumanes und gewalttätiges Handeln aufnehmen. Dieses Buch ist ein wichtiger Beitrag gegen Klischees und Vorurteile, gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Lesenswert! Barbara Mußfeldt

Annejet van der Zijl: "Sonny Boy", Rowohlt Verlag, Hamburg, 2006, geb., sw Fotos, 222 Seiten, 17,90 Euro, Best.-Nr. 6033


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