20.04.2024

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27.01.07 / Tarnen und Täuschen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-07 vom 27. Januar 2007

Gedanken zur Zeit:
Tarnen und Täuschen
von Wilfried Böhm

Wer von den Älteren erinnert sich nicht an den "Ersatzkaffee" der Kriegs- und Nachkriegszeit, den es auch schon früher in sogenannten "schlechten Zeiten" gab und der sich dann sogar zu edlen Marken für solche Menschen entwickelte, für die der "echte Bohnenkaffee" gesundheitlich nicht verträglich ist? Wer erinnert sich nicht an die "entrahmte Frischmilch" als Tarnbezeichnung für die "Magermilch", während die "Vollmilch" Kleinkindern und Schwerstarbeitern vorbehalten blieb? Tatsächlich verraten Tarnbezeichnungen verbale Täuschungen, die aus vielerlei Gründen verwendet werden. Sie sind so etwas wie Nebelkerzen im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben, hinter denen ungelöste Probleme versteckt oder gesellschaftliche Veränderungen schöngeredet werden.

Die Zahl solcher Begriffe ist heutzutage Legion: Ein-Euro-Kräfte und Zeitarbeiter gibt es statt Vollzeit-Arbeitsplätzen. Bürgerpolizisten mit ein paar Euro Stundenlohn sollen die Innenstädte schützen.

Entwertet hingegen wird die Meisterqualifikation, weil sich jeder in jedem handwerklichen Metier tummeln kann. Um eine Unterrichtsgarantie zu gewährleisten, werden akademische Vollpädagogen durch Hilfslehrer ersetzt, "um den Unterricht zu garantieren", damit sie so die Kinder lebenstüchtig machen. An den Universitäten wird das traditionelle und erfolgreiche Studiensystem durch die Einführung des Bachelors und des Masters systematisch abgebaut, bis es "Weltniveau" erreicht haben wird, also gegenüber dem bisherigen Zustand in Deutschland minder qualifiziert sein wird. Man sieht fassungslos, daß sich die Masse der deutschen Hochschullehrer diesen Entwicklungen gegenüber passiv verhält und ihnen mehr oder weniger schweigend zustimmt, offensichtlich so lange, wie der eigene Platz in der Besoldungstabelle nicht gefährdet ist.

Alles in allem dokumentiert sich so, daß in vielen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Bereichen versucht wird, den schleichende Ausverkauf des deutschen Staates sprachlich zu kaschieren. So wird schließlich aus der deutschen Leitkultur eine Art "Kultur light", die allerdings im Gegensatz zu dem, was tatsächlich aufgegeben wird und damit verloren geht, eher als eine Art "Leidkultur" erscheint.

Kein Wunder, wenn der spanische Ministerpräsident Zapatero unlängst mit Blick auf die wirtschaftlichen Wachstumsraten von jährlich über drei Prozent in Spanien ankündigte, sein Land werde Deutschland demnächst beim Pro-Kopf-Einkommen überholen. Zur Erinnerung: Spanien war und ist einer der Nettoempfänger der Europäischen Union (EU), das aus den Brüsseler Töpfen kräftig absahnt, während Deutschland der weitaus am meisten geschröpfte Nettozahler ist und hin und wieder ein paar Milliarden Euro nachschiebt, wenn es denn gewünscht wird und das wird es eigentlich immer. "Europäisierung" heißt nun einmal Nivellierung.

Keine Schulden zu machen und nicht mehr auszugeben, als man einnimmt - diese klare und eindeutige, vor 275 Jahren ausgesprochene Mahnung König Friedrich Wilhelms I. in Preußen - sollte nicht nur in allen Bereichen der deutschen Politik zur Richtschnur werden, sondern auch - und das mit Nachdruck - gegenüber der Brüsseler Umverteilungsmaschinerie.

Anders ist die in nahezu allen öffentlichen Haushalten angeschlagene Kassenlage nicht zu bewältigen.

Mit sprachlichen Eskapaden jedenfalls, um mit Tarnen und Täuschen über die Runden zu kommen, kann Politik sich bestenfalls selbst täuschen.


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