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27.01.07 / Startprobleme oder Konzeptfehler? / Die ersten Tage der neuen österreichischen Regierung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-07 vom 27. Januar 2007

Startprobleme oder Konzeptfehler?
Die ersten Tage der neuen österreichischen Regierung
von R. G. Kerschhofer

Für die neue rot-schwarze Bundesregierung gibt es keine Schonfrist seitens der Opposition: Die Grünen sind frustriert, weil sie wieder nicht in die Regierung kamen - sie hatten zuletzt, als sich SPÖ und ÖVP bereits einig waren, sogar die Unterstützung einer SPÖ-Minderheitsregierung angeboten. Das BZÖ trachtet, den mit dem Ausscheiden aus der Regierung verbundenen Machtverlust irgendwie zu kompensieren. Und die FPÖ kann zur Wahrung der Glaubwürdigkeit ohnehin nur eine harte Oppositionslinie durchziehen.

Ansatzpunkte zur Kritik gibt es jedenfalls: Das Koalitionsprogramm wurde in einigen Bereichen viel zu oberflächlich ausgehandelt - was sich bereits bemerkbar macht und früher oder später das Klima in der Regierung beeinflussen wird. Die Auswahl der Regierungsmitglieder scheint zum Teil sehr überhastet erfolgt zu sein, und die vor allem bei der SPÖ durchgepeitschte Frauenquote dürfte der einen oder anderen Kollegin bald den Ruf einer "Quotenfrau" eintragen. Mittlerweile leisteten sich Regierungsmitglieder auch schon Entgleisungen mit unüberlegten Wortmeldungen.

An erster Stelle zu nennen ist hier die Kompromiß-"Lösung" um die von der SPÖ versprochene Abschaffung der Studiengebühren: Studenten können durch zweieinhalb Wochenstunden "sozialer Arbeit" - darunter etwa auch Nachhilfeunterricht - von den Gebühren befreit werden. Die heftigen Proteste der sozialistischen Hochschüler, deren Spitzenfunktionärin sogar aus der Partei austrat, suchte Bundeskanzler Gusenbauer mit der Ankündigung zu entkräften, er selbst werde gratis solche Nachhilfestunden geben, weil er dabei viel lernen könne. Abgesehen von der Unsinnigkeit dürfte dieses Angebot wegen des Verbots von Parteienwerbung an Schulen sogar rechtlich ausgeschlossen sein. Mit innerparteilicher Kritik konfrontiert ist Gusenbauer auch von den Gewerkschaftern, die nach Lösung der "Bawag"-Krise wieder Aufwind verspüren, und aus den Bundesländern, vor allem vom steirischen Landeshauptmann Voves.

Sehr zur Enttäuschung aller Linken und der "Staatskünstler" gibt es wieder nicht das versprochene Kulturministerium. Die Kunst und Schule sind vielmehr - wie in früheren rot-schwarzen Koalitionen - zusammengefaßt. Die neue Ressort-Ministerin Schmied (SPÖ) hatte eine halbe Stunde Zeit, Gusenbauers Angebot für dieses Amt anzunehmen! Als bisheriger Bank-Managerin ist ihr immerhin der Umgang mit fremdem Geld zuzutrauen. Die von der SPÖ geforderte "Gesamtschule" und deren halbherzige Ablehnung durch die ÖVP will sie nun als eine "gemeinsame Schule der Vielfalt" umsetzen. Inzwischen wird bekannt, daß 20 Prozent der in Wien einzuschulenden Kinder keine ausreichenden Deutschkenntnisse haben.

Die neue Justizministerin Berger (SPÖ), zuletzt EU-Abgeordnete, mußte die vorschnelle Androhung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den Kärntner Landeshauptmann Haider wieder zurücknehmen. Im übrigen kommen von ihr aber durchaus annehmbare Töne: Sie hält frühere SPÖ-Positionen von einer "gefängnislosen Gesellschaft" für unrealistisch und plädiert sogar für härtere Strafen bei Gewaltdelikten, primär bei Sexualdelikten. Ebenso unrealistisch ist für sie die "Homo-Ehe". Doch bei "modernen Formen des Zusammenlebens" - Stichwort "Patchwork-Familien" - soll es "Verbesserungen" geben.

Einen denkbar schlechten Start hatte die neue Gesundheits- und Familienministerin Kdolsky (ÖVP).

Sie ist Raucherin und will keine "Diskriminierung" von Rauchern, sie bekennt ihre Liebe zu "fettem Schweinebraten" (in Wien "Schweinsbraten") - und als Geschiedene und Kinderlose dokumentierte sie auch eine ganz und gar nicht zum Familienbild ihrer Partei passende Haltung zu Kindern: In ihrem Beitrag zu einem kürzlich erschienen Sammelband "Kinderlos, na und? Kein Baby an Bord" wendet sie sich gegen ein "politische Verklärung der Mutterschaft" und spricht unter anderem davon, daß ein schreiendes Kind "schon einiges vermiesen" könne.

Fragwürdig ist auch die Absicht von Außenministerin Plassnik (wie bisher ÖVP), ihre Behörde in "Ministerium für europäische und internationale Angelegenheiten" umzubenennen. Soll damit besiegelt werden, daß in Wien keine Außenpolitik mehr gemacht wird? Was würden Metternich und Kreisky dabei denken! Innerparteiliche Kritik gibt es in der ÖVP aber auch, weil die Regierung viel zu "Wien-lastig" sei (mit neun von 20 Mitgliedern.) Eine graue Eminenz der Partei wiederum, der (fast) allmächtige "Raiffeisen"-Generalanwalt Christian Konrad, gab bekannt, daß er sich mit Gusenbauer "gut vertrage".

In finanzieller Hinsicht hat die Regierung jedenfalls noch Schonfrist: Die Steuereinnahmen lagen 2006 deutlich über den Voranschlägen, die Exporte stiegen um 12,6 Prozent auf erstmals über 100 Milliarden, und auch die meisten anderen Daten liegen im europäischen Spitzenfeld.


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