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27.01.07 / Kleiner Mann ganz groß / Präsidentschaftskandidat Sarkozy hat sich gegen seine Kritiker durchgesetzt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-07 vom 27. Januar 2007

Kleiner Mann ganz groß
Präsidentschaftskandidat Sarkozy hat sich gegen seine Kritiker durchgesetzt
von Jean-Paul Picaper

Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac glänzte auf dem Kongreß der Mehrheitspartei UMP, deren Vorsitzender er früher gewesen war, durch seine Abwesenheit. Premierminister Dominique de Villepin, Chiracs Traumkandidat für die eigene Nachfolge, stattete seinerseits dem Kongreß nur einen kurzen Besuch ab. Denn an diesem Tag wurde der Innenminister und Vorsitzende der UMP Nicolas Sarkozy, 51, zum Kandidaten der vereinten Konservativen und Liberalen im Rennen um das Präsidentenamt (die Wahlen sind am 22. April und am 6. Mai) mit 98 Prozent der Stimmen nominiert. Und das gefällt weder Chirac noch Villepin.

Für diese beiden über 1,90 Meter großen Politiker erreicht "der kleine Sarkozy" mit seinen 1,65 Meter nicht das repräsentative Gardemaß fürs höchste Staatsamt. Seit langer Zeit wird Sarkozy außerdem von der Staatsspitze als "Verräter" betrachtet, weil er 1995, den damaligen neogaullistischen Premierminister Edouard Balladur gegen den Neogaullisten-Chef Chirac unterstützt hatte. Gaullisten jeder Schattierung haben ein langes Gedächtnis. Während Sarkozy einen "Bruch" mit dem bisherigen Stil und Inhalt der Politik in Frankreich predigt, hat in den letzten Wochen und Monaten Chirac stets gekontert, sich für "Kontinuität" ausgesprochen und in seinen Erklärungen dem "jungen Putschisten" die Leviten gelesen.

Daß "Sarko", wie man ihn in seiner Partei nennt, die Gunst des scheidenden Amtsinhabers Chirac nicht genießt, kann ihm jedoch nicht schaden. Im Gegenteil. Manche fragen sich, ob Chiracs Häme gegen ihn nicht ein Trick ist. Die übergroße Mehrheit der Franzosen würde Chirac gerne loswerden. Daran kann kein Zweifel sein. 2002 war der Staatspräsident mit 80 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden, weil er der einzige Kandidat im zweiten Wahlgang gegen den Rechtsaußen Jean-Marie Le Pen, den Vorsitzenden der Nationalen Front, war. Eine dritte Chance bekäme der 74jährige kaum.

Dennoch läßt dieser Mann, der nicht immer eine glückliche Hand in seiner Amtsführung hatte, Zweifel über seine Absichten schweben. Er wird erst im März sagen, ob er kandidiert. Inzwischen vermehren sich seine politischen Initiativen wie die internationalen Kongresse, die er nach Paris einlädt. Das wirft auf Sarkozy einen dunklen Schatten, manchmal dunkle Wolken. Man kann nicht sagen, daß ihm die Bewerbung um das höchste Staatsamt von den heutigen Staatsoberen leicht gemacht worden wäre, obwohl die politischen Getreuen, Alain Juppé, Michèle Alliot-Marie, die Chirac gegen ihn aufstellen wollte, Vernunft angenommen haben und sich zu Sarko bekannt haben. Der von Chirac entlassene Vorgänger von Villepin im Amt des Ministerpräsidenten Jean-Pierre Raffarin unterstützt ihn nach Kräften.

Nicolas Sarkozy wurde erst im Alter von 14 Jahren Franzose. Er ist der Sohn des dem ungarischen Kleinadel angehörenden Auswanderers, Pal Nagy Bocsa y Sarkösy, der in der unmittelbaren Nachkriegszeit vor den Kommunisten mittellos flüchtete und seine erste Nacht in Frankreich als Obdachloser auf der Straße verbrachte. Der gutaussehende und gebildete Ungar machte aber bald als Werbeagent viel Geld und auch weibliche Eroberungen, so daß er seine Frau, Andrée Mallah, eine ebenfalls zugewanderte Französin und Tochter eines jüdischen Chirurgen aus Saloniki, verließ, als Nicolas vier Jahre alt war. Der Junge entwickelte eine heiße Liebe zu der Mutter, und der vom Fortgang des Vaters verursachte "Frust" treibt ihn heute noch zu Höherem an.

Im Gegensatz zu Chirac, zu Villepin, zur Sozialistin Ségolène Royal sogar, und zu vielen anderen wurde er nicht mit einem goldenen Löffel im Mund geboren und hat als Quereinsteiger und Nichtkonformist nicht die typische französische Elite-Ausbildung absolviert. Der heutige "Workaholic" war kein fleißiger Schüler und Student. Er ist auch "nur" Rechtsanwalt wie seine Mutter geworden. Herkunft und Ausbildung machen aus ihm einen Sonderling im französischen politischen Mikrokosmos. Er steht zum Bündnis mit den USA. Er gilt als israelfreundlich. Er hat eine Ader für die Staaten Mitteleuropas, die Chirac auf unflätige Art und Weise beschimpft hatte, als sie George W. Bushs Irak-Politik guthießen. Außerdem hat der Antirassist Sarkozy ein Programm der "positiven Diskriminierung" zugunsten der afrikanischen Immigranten entwickelt.

Trotz alledem gelang es lange Zeit den Sozialisten und sonstigen Linken, ihm den Ruf eines Neofaschisten anzuhängen, der "die Grundsätze der Republik außer Kraft setzen" würde. Heute noch führt Royal gegen ihn das Wort "Abschaum" (la racaille) im Munde, womit Sarkozy die Unruhestifter in einer Vorstadt bezeichnet hatte. Er hatte auch gesagt, er würde den Ort mit dem Hochdruckreiniger reinigen. Dabei hatte er diese Worte von Anwohnern übernommen, die ihn zu Hilfe riefen. Nachdem er in einer wichtigen und langen Fernsehsendungen klargemacht hat, daß er aufgrund seiner Detailkenntnis der Probleme der Frau Royal haushoch überlegen und durch seine gemäßigte Einstellung ein echter Demokrat ist, ist dieser böswillig gestreute Verdacht vom Tisch.

"Sarko" bleibt immerhin hart im Nehmen und will Staat und Gesellschaft zum Positiven umkrempeln, wie aus seinem programmatischen Buch "Témoignage" ("Zeugenaussage") hervorgeht. Er hat als Finanzminister den inflationären Preisauftrieb mit harten Bandagen bekämpft, die Polizei verstärkt und moralisch aufgerichtet, die Justiz ob ihrer Nachsicht mit den jungen Meuterern gegeißelt. Immerhin läßt sich seine Bilanz sehen. Die Kriminalitätsrate wurde heruntergedrückt, während sie unter den sozialistischen Vorgängern gewaltig gestiegen war. Die extrem gewalttätigen Straßenunruhen vom Herbst 2005 hat seine Polizei ohne einen einzigen Todesfall beendet.

Als Anwalt hat er eine Samtstimme und redet - im Gegensatz zu Frau Royal - immer nur zum Thema und kein Wort zuviel. Er ist kein Apollo, aber hochintelligent und umtriebig. Seine Lebensführung ist genau das Gegenteil von derjenigen seiner Gegnerin, er liebt den Sport, joggt und fährt Rad, mag gutes Essen, schätzt in der Arbeit Männer, auf die Verlaß ist, und intelligente Frauen. Er ist sehr kommunikativ, badet gerne in der Menge und redet leidenschaftlich vor vollen Sälen. Von der Tribüne hält er flammende, mitreißende Reden. Eine ganze Schar von Fans folgt ihm auf Schritt und Tritt. Sarkozy ist ein Großstadtkind, das mit 28 Jahren zum Bürgermeister der Pariser Nobelvorstadt Neuilly wurde.

Warum gilt er als Mann als weniger charismatisch denn Royal? Er verspricht den Franzosen nicht Wunder wie sie, sondern Arbeit. Er setzt seit etwa einem Jahr auf Transparenz. Vielleicht auch aus medialen Gründen. So konnte die Regenbogenpresse die Ehedramaturgie seines Zwistes mit seiner zweiten Frau Cécilia verfolgen, die ihn verlassen hatte und zu ihm händchenhaltend zurückkam. Von der schönen Cecilia, die ihn um einen guten Kopf überragt, hat er einen Sohn, Louis, bekommen. Aus seiner ersten Ehe mit Marie-Dominique Cucioli stammen die Söhne Pierre und Jean.


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