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03.02.07 / Seit über einem Jahr zerstritten bis aufs Blut / Fleischhandelsembargo: EU und Deutschland versuchen verzweifelt im Streit zwischen Polen und Rußland zu vermitteln

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-07 vom 03. Februar 2007

Seit über einem Jahr zerstritten bis aufs Blut
Fleischhandelsembargo: EU und Deutschland versuchen verzweifelt im Streit zwischen Polen und Rußland zu vermitteln
von Oliver Hinz

Der Fleischhandels-Konflikt zwischen Polen und Rußland ist längst zu einer Chefsache in der EU geworden. Über das Thema haben bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin bei ihrem Treffen in Sotschi geredet. Der Durchbruch sollte allerdings zuvor schon in Berlin gelingen. Politiker Polens, Rußlands und der EU verhandelten in der russischen Botschaft über die Aufhebung des Moskauer Importverbots für polnisches Fleisch. Das Ende des vor 14 Monaten verhängten Embargos würde auch den Weg frei machen für ein neues Partnerschaftsabkommen der EU mit Rußland. Doch genützt hat alles Reden bis jetzt nichts. Die Fronten bleiben verhärtet. Warschau hat die russische Importerlaubnis für polnisches Fleisch zur Bedingung dafür gemacht, daß es Gesprächen zwischen Brüssel und Moskau über ein Partnerschaftsabkommen zustimmt. Als einziges EU-Land hatte Polen im November sein Veto gegen solche Verhandlungen eingelegt. Die EU-Kommission darf deshalb nicht mit Rußland über einen Nachfolgevertrag für das im Herbst auslaufende Partnerschafts- und Kooperationsabkommen von 1997 sprechen.

Moskau begründet sein Einfuhrverbot für polnisches Fleisch mit angeblichen Hygieneproblemen und massiven Fälschungen bei der Deklarierung. Entgegen der Zollzertifikate sei kein hochwertiges Fleisch aus Polen, sondern minderwertiges aus Asien über Polen nach Rußland geliefert worden. Polnische Fernsehsender sprachen von einem "Fleischkrieg" und zeigten zu Beginn des Embargos schimpfende Lasterfahrer, die an der russischen Grenze abgewiesen wurden. Putin betonte im vergangenen November beim EU-Rußland-Gipfel in Helsinki: "Unter den derzeitigen Bedingungen sind wir gezwungen, alle polnischen Lebensmitteleinfuhren weiter zu unterbinden."

Die polnische Regierung hatte Fehler bei der Fleischdeklarierung Ende 2005 zwar eingeräumt, doch längst klagt Premierminister Jaroslaw Kaczynski, das russische Embargo sei inzwischen nur noch politisch motiviert. Alle Anforderungen würden jetzt erfüllt. Das bescheinigte Polen auch der EU-Kommissar Kyprianou. Ebenso solidarisierten sich die EU-Regierungen und das EU-Parlament mit Polen. Die EU erklärte sich sogar bereit, Rußland schriftlich zu garantieren, daß Polen alle Vorschriften erfüllt habe.

Auch wenn die Federführung bei den Verhandlungen bei der EU-Kommission liegt, spielt die Bundesregierung als EU-Ratspräsident eine Schlüsselrolle. Merkel rief in diesem Zusammenhang schon den polnischen Präsidenten Lech Kaczynski an, um über den polnisch-russischen Handelsstreit zu reden. Bereits im Dezember hatte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bei seinem Moskau-Besuch mit Putin "heftig über das polnische Fleisch diskutiert", berichtete die Warschauer "Gazeta Wyborcza".

Wie hoch der Embargoschaden für die polnische Lebensmittelindustrie ausfällt, ist unklar. Schätzungen reichen bis zu 100 Millionen Euro.

Das eigentlich für Rußland bestimmte Fleisch werde an andere Länder verkauft, heißt es in Warschau. Selbst nach Rußland gelange polnisches Fleisch weiterhin - über die Umwege Litauen, Slowakei oder Ungarn mit falschen Etiketten. Es scheint bei dem großen Handelsstreit daher vor allem ums Prestige zu gehen.

Das Ende des Fleischembargos soll nun eine Kontrolle von russischen Veterinärmedizinern in polnischen Schlachthöfen bringen. Am 5. Februar reisen fünf russische Experten nach Polen.

 

Trotz "Fleischkrieg" gute Handelsbeziehungen

Die polnisch-russischen Handelsbeziehungen entwickelten sich im vergangenen Jahr trotz des russischen Fleischembargos prächtig.

Neuesten offiziellen Zahlen zufolge legten Polens Ausfuhren nach Rußland in den ersten zehn Monaten gegenüber demselben Zeitraum des Vorjahres um 18 Prozent zu: auf 3,4 Milliarden Euro. Agrarprodukte spielen nur eine untergeordnete Rolle. Am wichtigsten sind chemische Produkte.

Rußland belegt Platz sechs auf der polnischen Exportrangliste. Über vier Prozent der polnischen Ausfuhren gehen in den einstigen Bruderstaat. Bei den Importen nimmt Rußland mit einem Anteil von zehn Prozent sogar den zweiten Platz ein. Er wächst ebenfalls stark. Aber auch Polens Handelsdefizit gegenüber Rußland nimmt zu. Polen importiert mehr als doppelt soviel aus Rußland als es nach Rußland exportiert.


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