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10.02.07 / Ein sturer Preuße

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-07 vom 10. Februar 2007

Ein sturer Preuße
Ernst von Rüschel

Wenn heute der Name Ernst Friedrich Wilhelm Karl Ferdinand Philipp von Rüchel fällt, so können nur wenige etwas mit dieser Person anfangen. Der Historiker und Jurist Olaf Jessen hat nun mit seiner Biographie Rüchel aus der Versenkung des Vergessens zurückgeholt.

Rüchel (1754-1823) ist Sproß eines hinterpommerschen Adelsgeschlechts. Nach harter und entbehrungsreicher Ausbildung in der ärmlich ausgestatteten Kadettenanstalt in der Neuen Friedrichstraße zu Berlin avancierte das junge Talent, das Friedrich II. bald entdeckte, zum Lieblingsschüler des Königs, der ihn in Strategie und Taktik ausbildet.

Als Rüchel 1786 heiraten will, antwortet Friedrich der Große ihm: "Ich gratuliere ihm, sei er recht glücklich. Ich habe auch ein Herz im Leibe, aber wir Könige dürfen es uns nicht merken lassen, sonst mengt sich das Weib in die Regierung, und das bringt für den Staat kein Glück." Wohltuend zitiert Jessen aus Korrespondenzen, oft sogar im vollständigen Wortlaut.

Unter Friedrich Wilhelm II. bekommt Rüchel gegen die Franzosen seine Feuerproben. Im Zuge der Belagerung von Mainz wird Ernst von Rüchel zum Generalmajor befördert, er ist - abgesehen von Sprößlingen königlicher oder fürstlicher Familien - der jüngste General seit dem Siebenjährigen Krieg.

Er gilt als Gralshüter "fritzischen Geistes" schlechthin. Neid umgibt ihn und seine cholerische und bisweilen überhebliche Natur sowie die Förderung eigener Seilschaften tragen nicht zur Besserung bei. Doch Rüchel wird der Präsident der "Militärischen Gesellschaft", jenes Forums um Scharnhorst, das als geistige Keimzelle der späteren Heeresreform gilt. Friedrich Wilhelm III. kommt mit der direkten Art Rüchels nicht klar und versetzt ihn als Gouverneur nach Königsberg.

1806 - General Rüchel ist auf dem Höhepunkt der Macht. Er, der als Genie gilt, erlaubt sich, bisweilen auch den König zu brüskieren. Nach dem für Preußen ungünstigen Vertrag von Paris und dem Demobilisierungsbefehl des Königs kommt Rüchel nach Potsdam und meldet dem Monarchen: "Ich bringe Euer Majestät das Mißvergnügen der Armee!" Jessen vermag diverse Anekdoten zu zitieren. Doch nach der Schlacht von Jena und Auerstedt 1806, in der Rüchel am Frontabschnitt Kapellendorf mehrere Fehler begeht, die zwar nicht mehr den Schlachtausgang entscheiden, aber Rüchels Feinde stärken, beginnt der schnelle Abstieg des Generals. 1813, als alle Kräfte noch einmal in der Völkerschlacht gegen Napoleon aufgeboten werden, erhält Rüchel kein Kommando mehr. Als er zehn Jahre später starb, hatte Preußen den letzten Heerführer friderizianischen Geistes vergessen.

Jessens Biographie ruft den vergessenen Preußen in die Erinnerung zurück. Die Biographie ist eine detailverliebte, aber spannend zu lesende Schatztruhe preußischer Anekdoten. Jessens Werk, das auch die Motive von Rüchels Kritikern beleuchtet, lädt zur Neubetrachtung mancher Aspekte der Geschichte ein. B. Knapstein

Olaf Jessen: "Preußens Napoleon? - Ernst von Rüchel. Krieg im Zeitalter der Vernunft 17541823", Schöningh, Paderborn 2007, 490 Seiten, 39,90 Euro, Best.-Nr. 6049


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