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10.02.07 / Langatmiges Schelmenstück / Umberto Eco jenseits großer Spannung, aber voller Witz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-07 vom 10. Februar 2007

Langatmiges Schelmenstück
Umberto Eco jenseits großer Spannung, aber voller Witz

Anno 1204. Konstantinopel, die prachtvolle Hauptstadt des Byzantinischen Reiches, wird von den Kreuzrittern erobert, geplündert und in Brand gesteckt. Niketas Choniates, Kanzler des Kaisers von Byzanz, zugleich Geschichtsschreiber, fürchtet um sein Leben. Im letzten Augenblick rettet ihn der Geschichtenerzähler Baudolino vor der Wut der Invasoren, bringt ihn an einen sicheren Ort und verspricht ihm, ihn heil aus Konstantinopel herauszubringen. Während dieser Zeit erzählt Baudolino Niketas seine unglaubliche Lebensgeschichte. Er beginnt mit einem Geständnis: "Ich habe einen Menschen getötet. Es war der, der vor fast 15 Jahren meinen Adoptivvater ermordet hat, den besten aller Könige, den Kaiser Friedrich." "Aber Friedrich ist doch in Kilikien ertrunken!" "Das glauben alle. Aber er ist ermordet worden."

Baudolino wächst als armer Bauernsohn in dem norditalienischen Dorf Alessandria auf. Er lernt früh schreiben und lesen und ist sehr sprachbegabt. Anno 1154 begegnet er Kaiser Friedrich I. Barbarossa. Fasziniert von den Begabungen und Talenten des Jungen nimmt der ihn als Adoptivsohn mit an seinen Hof. In den nächsten Jahren wird Baudolino von dem bedeutenden Geschichtsschreiber des deutschen Hochmittelalters Bischof Otto von Freising unterrichtet. Dem bleibt das Talent seines Schülers nicht verborgen: ",Baudolino', sagte er zu ihm, ,du bist ein geborener Lügner. Aber glaub nicht, daß ich dir deshalb einen Vorwurf mache. Willst du ein Mann der Schrift werden und womöglich eines Tages auch Historien schreiben, so mußt du auch Lügen und Geschichten erfinden können, sonst wird deine Historia langweilig. Aber du mußt es in Maßen tun. Die Welt verurteilt die Lügner, die nichts als Lügen erzählen, selbst über die geringsten Dinge, und sie preist die Poeten, die nur Lügen über die allergrößten Dinge erzählen.'" Von Otto erfährt Baudolino auch zum ersten Mal von dem sagenhaften mythischen Reich des Priesterkönigs Johannes im fernen Orient, eine Geschichte, die ihn nicht mehr losläßt. Um Baudolinos Wissensdurst zu stillen, schickt ihn der Kaiser zum Studium nach Paris. Neben Theologie, Poetik und Rhetorik studiert der junge Mann aber auch Wein, Weib und Gesang. Begleitet von seinen Freunden, einem Poeten, der in Wahrheit noch nie ein Gedicht geschrieben hat, Abdul, der davon überzeugt ist, daß die Erde eine Kugel ist, und Rabbi Salomon, der ebenfalls auf der Suche nach dem mächtigen Reich des Priesterkönigs Johannes ist. Nach 13 Jahren des Studierens kehrt Baudolino zurück an Friedrichs Hof. Von nun an begleitet er den Kaiser als Berater bei seinen Feldzügen gegen die aufsässigen und rebellischen oberitalienischen Städte. Es gelingt ihm auf diesen Feldzügen, das eine oder andere Mal seinen Adoptivvater aus militärischen und politischen Mißlagen zu befreien. Nach Jahren kann er endlich in das unbekannte rätselhafte Reich des Priesterkönigs Johannes aufbrechen ...

Während Baudolino Niketas seine abenteuerliche Lebensgeschichte erzählt, kann er Wahrheit und Dichtung nicht mehr auseinanderhalten. Gespickt mit grotesken Abenteuern, phantastischen Geschehnissen, bizarren Gestalten und Absurditäten verschmelzen Realität und Phantasie. In diesem Roman erreicht Umberto Eco nie die Spannung seines Bestsellers "Der Name der Rose". Mit "Baudolino" ist ihm eher ein Schelmenroman gelungen, in dem auch die Liebe und ein bißchen Spannung nicht fehlen. Obwohl einige Schilderungen etwas langatmig daherkommen, bereitet es Vergnügen, dieses Buch mit durchaus witzigen und humorvollen Passagen zu lesen. Barbara Mußfeldt

Umberto Eco: "Baudolino", dtv Verlag, München, brosch., 632 Seiten, 9,90 Euro, Best.-Nr. 6050


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