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10.02.07 / Wie der preußische Staat endete / Vor 60 Jahren löste der Alliierte Kontrollrat den "Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland" auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-07 vom 10. Februar 2007

Wie der preußische Staat endete
Vor 60 Jahren löste der Alliierte Kontrollrat den "Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland" auf
von Manuel Ruoff

Der Staat Preußen, der seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland gewesen ist, hat in Wirklichkeit zu bestehen aufgehört. Geleitet von dem Interesse an der Aufrechterhaltung des Friedens und der Sicherheit der Völker und erfüllt von dem Wunsche, die weitere Wiederherstellung des politischen Lebens in Deutschland auf demokratischer Grundlage zu sichern, erläßt der Kontrollrat das folgende Gesetz:

Artikel I. Der Staat Preußen, seine Zentralregierung und alle nachgeordneten Behörden werden hiermit aufgelöst.

Artikel II. Die Gebiete, die ein Teil des Staates Preußen waren und die gegenwärtig der Oberhoheit des Kontrollrats unterstehen, sollen die Rechtsstellung von Ländern erhalten oder Ländern einverleibt werden.

Die Bestimmungen dieses Artikels unterliegen jeder Abänderung und anderen Anordnung, welche die Alliierte Kontrollbehörde verfügen oder die zukünftige Verfassung festsetzen sollte.

Artikel III. Staats- und Verwaltungsfunktionen sowie Vermögen und Verbindlichkeiten des früheren Staates Preußen sollen auf die beteiligten Länder übertragen werden, vorbehaltlich etwaiger Abkommen, die sich als notwendig herausstellen sollten und von der Alliierten Kontrollbehörde getroffen werden.

Artikel IV. Dieses Gesetz tritt mit dem Tag seiner Unterzeichnung in Kraft."

Es besteht ein breiter Konsens, daß dieses vor 60 Jahren erlassene Gesetz Nr. 46 des Alliierten Kontrollrates weniger ein Todesurteil, denn ein Totenschein des preußischen Staates war. Wenn jedoch der preußische Staat vorher schon zu existieren aufgehört hatte, stellt sich natürlich die Frage, wann. Hierauf gibt es eine Fülle von Antworten. Zweifellos ist im Vierten Koalitionskrieg von 1806/07 das alte Preußen untergegangen. Danach war Preußen jedoch in den Befreiungskriegen eine Wiedergeburt vergönnt.

Entsprechend der herrschenden Lehre war der 1815 auf dem Wiener Kongreß als Nachfolger des Heiligen Römischen Reiches gegründete Deutsche Bund ein Staatenbund, das 1871 gegründete Deutsche Reich hingegen ein Bundesstaat. Den Norddeutschen Bund lassen wir einmal als Interimslösung außen vor. Folgt man dieser Lehrmeinung, dann verlor Preußen formaljuristisch mit der Reichsgründung seine Souveränität. Hans-Joachim Schoeps läßt deshalb die Zeit nach der Kaiserproklamation nur noch als "Nachgeschichte Preußens" gelten.

Nun läßt sich lange darüber diskutieren, ob in der Folgezeit eher Deutschland prussifiziert oder Preußen germanisiert wurde, ob es eher zu einer Verpreußung Deutschlands oder zu einem Aufgehen Preußens in Deutschland gekommen ist. War das Kaiserreich eher ein Großpreußen oder ein kleindeutscher Nationalstaat? Die Wahrheit liegt sicherlich irgendwo zwischen diesen Polen. Mit Sicherheit läßt sich jedoch feststellen, daß der Bundesstaat Preußen im Reich kein Gleicher unter Gleichen war. So stellte Preußen mit seinem König den höchsten Repräsentanten des Reiches, den Kaiser, der nicht ohne Macht war. Und auch schon rein äußerlich-optisch war die bevorzugte Stellung Preußens deutlich. Der Reichsadler trug einen Brustschild, und der zeigte das Wappen Preußens. Zur Schwierigkeit der Standortbestimmung des Reiches zwischen den Polen Großpreußen und kleindeutscher Nationalstaat trug auch bei, daß sich der Führungskreis um den König und Kaiser Wilhelm I. noch nicht einmal selber einig war, was dieses Reich denn nun eigentlich sein sollte. Weiter erschwert wird die Verortung dadurch, daß das Kaiserreich in den Jahrzehnten seiner Existenz eine Entwicklung durchgemacht hat. Man denke nur an die Kaiser. Schon von ihrem Selbstverständnis her war Wilhelm I. im Vergleich zu seinem gleichnamigen Enkel zweifelsohne eher Preuße, während Wilhelm II. im Vergleich zu seinem Großvater ebenso zweifelsfrei eher Deutscher war.

Manche machen denn auch an der Ära des letzten Kaisers und Königs, am Wilhelminismus Preußens Ende fest. Zweifelsohne glänzte das wilhelminische Preußen und Deutschland nicht gerade durch preußische Bescheidenheit und Sparsamkeit. Nun gehört es allerdings auch zur ganzen Wahrheit, daß ein Armer eher bescheiden und sparsam leben kann als ein Reicher. Preußens Bescheidenheit und Sparsamkeit war ja nicht aus Jux und Tollerei frei gewählt, sondern aus der Not geboren. Die sprichwörtliche märkische Streusandbüchse war mit Bodenschätzen nicht reich gesegnet, und wenn man dann wie der Große Kurfürst und in seiner Tradition der Soldatenkönig aus den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges die Lehre zieht, daß ein großes stehendes Heer hermüsse, bleibt zu Bescheidenheit und Sparsamkeit kaum eine vernünftige Alternative. Im Gegensatz dazu hatte das wilhelminische Preußen wie Kaiser Wilhelms gesamtes Reich eine blühende Wirtschaft, wie Ehrhardt Bödecker völlig zu Recht und löblicherweise nicht müde wird, den Bundesbürgern vor Augen zu führen.

Dieser Blüte bereitete der Erste Weltkrieg ein jähes Ende, und böse Zungen behaupten, daß gerade dieses auch sein Zweck gewesen sei. Mit dem Wohlstand verloren die Preußen auch ihren König. Monarchistisch Gesinnte mögen nun dazu neigen, deshalb das Ende des preußischen Staates mit 1918 zu datieren. Mir dünkt das zu brandenburgzentrisch gedacht. Dafür scheinen zu viele Wurzeln der preußischen Ideale in den - nicht-monarchischen - Staat der Deutschen Ordensritter zu reichen. Doch muß man nicht Anhänger der Monarchie sein, um das Ende des preußischen Staates am Ende des König- und des Kaiserreiches festzumachen, denn mit der Novemberrevolution verlor Preußen nicht nur seinen Monarchen, sondern auch seine durch die Verfassung verbriefte herausgehobene Rolle im Reich. Preußen stellte nicht mehr automatisch das Staatsoberhaupt des Reiches - und sein Schild zierte auch nicht mehr die Brust des Reichsadlers. Zumindest verfassungsrechtlich war es im Deutschen Reich nun Gleicher unter Gleichen.

Für viele eher linksgerichtete Beobachter endet der preußische Staat 1918 jedoch trotzdem nicht, sondern vielmehr fängt in ihren Augen die beste Phase der preußischen Geschichte jetzt erst an - die Ära des sogenannten roten Preußen. Vom "roten" Preußen spricht man, weil nach der Umwandlung des Königreiches in einen Freistaat in Preußen fast ausnahmslos die Weimarer Koalition mit Sozialdemokraten als Regierungschefs regierte.

Das "rote Preußen" endete mit dem sogenannten Preußenschlag, als per Reichsexekution der sozialdemokratische Ministerpräsident Otto Braun vom Deutschen Reich durch den nichtsozialdemokratischen Reichskommissar Franz von Papen ersetzt wurde. Vor allem Anhänger und Freunde des "roten Preußen" vertreten gerne die Ansicht, daß der ihnen verhaßte "Preußenschlag" mit dem "roten Preußen" auch gleich Preußen beendet habe. Sie entrüsten sich, daß die Reichsexekution ein verfassungswidriger Staatsstreich gewesen sei, der zum Ende des Staates geführt habe, loben aber die Novemberrevolution, die kaum weniger verfassungswidrig war. Dabei könnte man den Spieß umdrehen und den beklagten Kontinuitätsbruch von 1932 als Versuch interpretieren, den Kontinuitätsbruch von 1918 zu revidieren. So beschreibt der renommierte Historiker Horst Möller die Reichsexekution als "einen Versuch der politischen und gesellschaftlichen Restauration der 1918/19 revolutionierten Strukturen und ihrer politischen Führungsschicht".

Nun ließe sich seitens der Anhänger von Novemberrevolution und "rotem Preußen" argumentieren, daß die Revolution von innen kam und die Reichsexekution von außen, nämlich vom Reich. Das wäre aber spitzfindig, denn Preußen war das mit Abstand größte Land des Reiches und der Reichskommissar Franz von Papen sowie der Reichspräsident Paul von Hindenburg, mit dessen Amtsautorität die Reichsexekution durchgeführt wurde, waren nicht weniger Preußen als der abgelöste Ministerpräsident Otto Braun. Und wenn wir schon bei Spitzfindigkeiten sind: Der Reichskommissar war nur eine Interimslösung. Schon 1933 bekamen die Preußen wieder einen eigenen Ministerpräsidenten - Hermann Göring.

Wie die Novemberrevolution von 1918 brachte auch die "nationale Revolution" von 1933 eine Stärkung der Zentralgewalt im Deutschen Reich auf Kosten der Bundesstaaten beziehungsweise Reichsländer. Und so bietet denn die NS-Zeit diverse Daten, an denen man einen Verlust an Staatlichkeit festmachen kann. Genannt sei hier das Gesetz über den Neuaufbau des Reiches von 1934 oder das Reichsstatthaltergesetz von 1935.

Ganz anders wird hinsichtlich des 20. Juli 1944 argumentiert. Vor allem im eher konservativen Lager wird Preußens Ende gerne an der blutigen Rache des NS-Regimes nach dem mißglückten Hitler-Attentat festgemacht, dem in überdurchschnittlichem Maße Angehörige der traditionellen preußischen Oberschicht angehörten. Immerhin waren laut dem Internet-Lexikon "Wikipedia" von insgesamt 200 später wegen der Erhebung Hingerichteten einer Generalfeldmarschall, 19 Generäle, 26 Obersten, zwei Botschafter, sieben weitere Diplomaten, einer Minister, drei Staatssekretäre, einer der Chef der Reichskriminalpolizei sowie mehrere Oberpräsidenten, Polizeipräsidenten und Regierungspräsidenten. Mehr als zwei Drittel derjenigen, die am

20. Juli 1944 in der einen oder anderen Form mitwirkten, sind einer Schätzung Gerd Heinrichs zufolge dem preußischen Milieu im Reich zuzurechnen. Stalin begnügte sich nicht mit Hunderten, sondern hat alleine beim Massaker von Katyn Tausende von Polen umbringen lassen, und auch hier gehörten viele der Funktionselite an. Polen hat einen Aderlaß von Tausenden Angehörigen der staatstragenden Elite überlebt, sollte da die Tötung von 200 das Ende Preußens bedeutet haben?

Schwerwiegender war da die Eroberung und Besetzung durch die Alliierten. Erstmals seit dem Vierten Koalitionskrieg in der napoleonischen Zeit war Preußen erobert und besetzt. Wie die Alliierten hatte auch schon Napoleon Preußen auflösen wollen. Damals hatte allerdings Rußland dieses verhindert. Eine solche Großmacht, die sich für Preußen stark machte, fehlte jedoch jetzt. Schon vor der offiziellen Auflösung Preußens, also der Erlegung des Bären, wurde sein Fell verteilt. Die Sowjetunion teilte den Osten Preußens zwischen sich und Polen auf, und die Westalliierten gründeten auf dem Boden des westlichen Teils Preußens neue Länder.

Stalin machte jedoch etwas, daß noch nicht einmal Napoleon in Erwägung gezogen hatte. Er vertrieb das Staatsvolk vom territorialen Kern und Namensgeber Preußens.

Am 25. Februar 1947 wurde der preußische Staat dann durch General Pierre Koenig für Frankreich, Marschall Wassiliy D. Sokolowsky für die Sowjetunion, Generalleutnant Lucius D. Clay für die USA und Generalleutnant Sir Brian Robertson für Großbritannien mit ihrer Unterschrift unter das Kontrollratsgesetz Nr. 46 auch formell aufgelöst. Eine zeitgleiche Reeducation (Umerziehung) hatte begleitend dafür Sorge zu tragen, daß anders als nach dem Frieden von Tilsit erst gar nicht der Wunsch nach einer Renaissance Preußens aufkommt.

 

Stalin vertrieb die Preußen von ihrem territorialen Kern und Namensgeber: Vertriebene Ostpreußen auf der Flucht Richtung Westen Foto: BpK

 

"Preußen hat Zukunft"

Aus Anlaß des 60. Jahrestages der Auflösung des Staates Preußen durch Beschluß des Alliierten Kontrollrates am 25. Februar 1947 laden die Landsmannschaft Ostpreußen und die Preußische Allgemeine Zeitung zur Veranstaltung "Preußen hat Zukunft". Die Gedenkveranstaltung beginnt am 25. Februar 2007 um 10.30 Uhr im Hotel Hilton Berlin. Die Festvorträge halten Prof. Dr. Wolfgang Stribrny über die Frage "Kann man Preußen verbieten?" und Prof. Dr. Harald Seubert über das Thema "Rationalität - Toleranz - Maß: Preußens geistiges Erbe". Anschließend, gegen 13 Uhr, bitten die Gastgeber zu einem Empfang. Für Interessenten an der Veranstaltung stehen noch einige kostenlose Restkarten zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich an die Preußische Allgemeine Zeitung, Stichwort "Preußen hat Zukunft", Parkallee 84/86, 20144 Hamburg.


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