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10.02.07 / Mißlungener Bunkerbau / Von Lausbuben und ihren Flausen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-07 vom 10. Februar 2007

Mißlungener Bunkerbau
Von Lausbuben und ihren Flausen
von Walter Moewius

Ich war 1938 elf Jahr alt, und wir wohnten in Linkuhnen bei Heinrichswalde in der Elchniederung. Meine Eltern hatten eine kleine Landwirtschaft, und zu der Zeit kauften sie sich im Nachbardorf Weinoten noch einen mittleren Hof dazu. Da wir umgezogen waren, hatte ich meine guten Freunde zurücklassen müssen, denn ich mußte auch die Schule wechseln. In das Linkuhner Anwesen zog die Familie meines besten Freundes ein.

Sobald der Sonntag kam, zog es mich immer wieder dort hin. Waren wir Freunde zusammen, so kamen wir auf die dümmsten, schlimmsten Gedanken, die wir auch manchmal ausführten.

Zu unserem Land in Linkuhnen gehörte auch ein kleiner Sandberg, daran grenzte ein größeres Bruchgelände, welches mit schönen mittelgroßen Birken bewachse war. Das Bruchgelände gehörte aber meinen Eltern nicht allein, ein breiter Wassergraben bildete die Grenze zum Besitz des Nachbarn. An einem stillen Sonntagnachmittag hatten wir Burschen es uns in den Kopf gesetzt, in unseren Sandberg einen großen Bunker zu bauen. Schnell wurden aus dem Schauer unseres Mieters heimlich Schaufeln und Spaten herbeigeschafft. Nicht lange dauerte es, bis wir mit fünf Jungen ein großes Loch, etwa zwei Meter tief, ausgehoben hatten. Damit nun die Grube nicht einstürzte, wollten wir die Wände und die Decke mit Holz abstützen. Sofort kam uns dieses Birkenwäldchen in den Sinn, denn ein Birkenstamm neben den anderen gestellt, müßte doch eine schöne Wand abgeben; auch für die Decke würden sich die Stämmchen gut eigen.

Sogleich schlichen wir uns nochmals in den besagten Schauer. Alles, was wir dort vorfanden und für unser Vorhaben für geeignet befanden, nahmen wir mit. Mit Sägen und Äxten bewaffnet stürmten wir jetzt dem Wäldchen zu. Sofort rückten wir den jungen Birkenbäumen zu Leibe.

Soviel sagte uns doch unser Gewissen, daß wir in meines Vaters Wäldchen nicht mit der Arbeit anfangen sollten. Auf einem kleinen Umweg gelangten wir auf einem Steg über dem Graben auf des Nachbars Gelände. Wir machten uns die Arbeit leichter, indem wir die Bäume etwa 50 Zentimeter über der Erde absägten. Da wir mit zwei Burschen laufend die Bäume absägten, dauerte es nicht lange, und wir hatten einer großen Anzahl Birken ein Ende bereitet.

Durch unser Hacken und Sägen, das ja gerade an einem ruhigen Sonntag weit über das Land schallte, hatte unser Nachbar, dem das Wäldchen gehörte, doch etwas gemerkt. Wir wollten gerade mit unserem Bauholz zu unserem Erdloch ziehen, als wir plötzlich von einem heranstürmenden, sehr erregten Mann die Worte hörten: "Na Jungen, seid ihr denn ganz verrückt geworden!?"

Vor Schreck waren wir fast wie erstarrt. Unser Glück war, daß er eine Sekunde zu früh zu schimpfen begonnen hatte, sonst hätte er mich bestimmt am Kragen gehabt. Im selben Augenblick ließen wir unsere Werkzeuge fallen und stürzten uns durch den breiten und keinesfalls flachen Wassergraben. Der Nachbar hatte nicht den Mut, uns durch den Graben zu verfolgen, doch wir in unserer großen Angst rannten, bis uns die Puste ausging, ohne uns auch nur einmal umzuschauen. Keiner von uns hatte auch nur einen trockenen Faden am Leib. Niemand dachte mehr an unseren Bunker, wir liefen schnell auseinander.

Auf Umwegen schlich ich mich nach Hause. Ich konnte unbemerkt die Kleider wechseln und den Eindruck vermitteln, als ob nichts geschehen sei.

Leider mußte ich am nächsten Nachmittag mit Vater nach Linkuhnen zum Kartoffeln nachlesen. Wir waren noch nicht vom Wagen gestiegen, als unser Mieter schon auf meinen Vater zukam. Was dieser nun erzählte, wußte ich ja am besten; mein Vater konnte es nicht glauben. So machten wir uns auf den Weg zu der "Unglücksstätte", wo ja auch noch das Handwerkszeug verstreut lag. Wie nicht anders zu erwarten, erschien der zornige Nachbar. Wie es mir da zumute war, kann ich nicht beschreiben.

Mein Vater konnte sich nun davon überzeugen, was wir am Tage zuvor geleistet hatten. Die schwersten Schläge konnten nichts mehr ändern, denn das Wäldchen hatten wir fast dem Erdboden gleichgemacht.

Mein Vater hat mit dem Nachbarn eine gütliche Einigung erreicht, mir aber wird dieser Tag stets in Erinnerung bleiben.

Als ich nach 47 Jahren wieder in der Heimat sein konnte, wollte ich die Spuren meiner Jugendsünde auffinden. Aus dem kleinen Wäldchen war ein großflächiger dichter Wald geworden, der die "Schandtat" ummantelt hat.


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