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17.02.07 / Von Roten und Blauen Funken / Wie das ambivalente Verhältnis der Rheinländer zu Preußen den Kölner Karneval geprägt hat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-07 vom 17. Februar 2007

Von Roten und Blauen Funken
Wie das ambivalente Verhältnis der Rheinländer zu Preußen den Kölner Karneval geprägt hat
von Manfred Müller

So mancher Nicht-Rheinländer, der bei einer Fernsehübertragung einer karnevalistischen Prunksitzung aus Köln die Roten Funken gesehen hat, schüttelt über das Auftreten dieser Männer in der rot-weißen Uniform der reichsstädtisch-kölnischen Stadtsoldaten den Kopf. Da richten sich diese Karnevalisten auf gemütlich gegebene Kommandos hin nur mühsam aus, präsentieren recht lahm die Holzgewehre, stellen sich dann in Reih und Glied mit dem Rücken gegeneinander, Gesäß an Gesäß, und machen zu munteren Klängen "Stippeföttchen". Militärparodie pur!

Allzu schnell behaupten manche Rheinländer unter Hinweis auf solche Szenen, der rheinische (insbesondere der Kölner) Karneval sei durch eine antipreußische Grundhaltung geprägt. Eine gründliche Beschäftigung mit der Geschichte des Kölner Karnevals zeigt jedoch, daß diese Behauptung in dieser Pauschalität nicht haltbar ist.

1815 kamen die Rheinlande im Zuge der Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongreß an Preußen. Trotz großer Mentalitätsunterschiede zwischen nüchtern-strengen, auf Ordnung bedachten Preußen und eher leichtlebigen Rheinländern färbte schnell einiges von preußischer Genauigkeit und Ordnung auf die bisherigen Lebensgewohnheiten der Rheinländer ab. So auch im Karneval. 1823 bildeten Angehörige der Kölner Oberschicht ein "Festordnendes Komitee der Karnevalslustbarkeiten", das den Maskenzug des Rosenmontags vorbereitete und in diesem Zusammenhang Sitzungen abhielt. Andere Städte am Rhein folgten diesem Vorbild, Koblenz 1824, Düsseldorf 1825 und Aachen 1829.

Eine gewisse Schlitzohrigkeit mag hier mit im Spiel gewesen sein. Indem man der Ordnungsliebe preußischer Behörden entgegenkam, schuf man zugleich eine Möglichkeit, Kritik an der strengen (die Zensur handhabenden) Obrigkeit zu üben, und zwar in Wort, Lied und Pantomime. Manche, die an die französische Besatzungsherrschaft zurückdachten, fühlten sich an die Jakobinerklubs und deren Sitzungen erinnert - nur daß man jetzt anstatt der Jakobinermütze die mit Schellen geschmückte Narrenkappe trug und, wenn Politisches zur Sprache kam, das närrische Wort bevorzugte. Das durch Spannungen gekennzeichnete Verhältnis der Kölner zur starken preußischen Garnison in ihrer Stadt führte zur Parodierung der strengen militärischen Zucht der Preußen und wurde schon im ersten Kölner Rosenmontagszug von 1823 sichtbar.

Doch war nicht nur Preußen Opfer des Spotts. Schon damals waren die Roten Funken dabei, gekleidet in der Uniform der ehemaligen Stadtsoldaten, bewaffnet mit Besenstielen, Säbeln und Patronentaschen. Ihre Körpersprache deutete an, daß sie "em Dusel" waren (nach reichlichem Genuß von Wein, Bier und Schnaps). In diesem karnevalistischen Korps berief man sich darauf, daß die Kölner Stadtsoldaten beim Heranrücken der französischen Revolutionstruppen heldenhaft die Flucht ergriffen hätten. In Wirklichkeit waren die Stadtsoldaten durchaus wehrhaft gewesen. Der Befehlshaber der damaligen kaiserlichen Truppen hatte den Kölner Stadtsoldaten im Rahmen seiner Verteidigungsstrategie den Rückzug über den Rhein befohlen. Konfrontiert man die Roten Funken mit den nicht folkloristisch gefärbten historischen Fakten, kann man die Antwort bekommen: "Es geht um unseren guten Ruf, die legitimen Nachfolger der schlechtesten Soldaten aller Zeiten zu sein."

Es dauerte nicht allzu lange, bis König Friedrich Wilhelm III. in Berlin auf den rheinischen Karneval aufmerksam wurde und seine tiefe Abneigung gegen die "Narretei dinge" kundtat. Mit seiner Kabinettsorder vom 20. März 1828 legte er fest, daß nur noch in den größeren Städten der Rheinlande "Karnevals-Lustbarkeiten mit Maskeraden" erlaubt seien, sofern sie denn altem Herkommen entsprachen. Mit List und Einfallsreichtum unterliefen die Rheinländer allerdings dieses partielle Karnevalsverbot.

Die Spannungen, Animositäten und Vorurteile zwischen Rheinländern und Preußen nahmen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts allmählich ab. Der rheinische Revolutionär (und spätere US-Innenminister) Carl Schurz hielt in seinen Lebenserinnerungen zwar fest: "Das kurz angebundene, autoritätssüchtige preußische Wesen, die stramme preußische Ordnung sagte dem etwas leichtsinnigen rheinischen Volke nicht zu", doch räumte er ein: "Im Laufe der Zeit sah man allerdings ein, daß die ehrliche und gut geregelte preußische Administration sehr große Vorzüge besaß."

Zusammen mit dieser Erkenntnis bewirkte die durch Preußen herbeigeführte Reichseinigung bei vielen Rheinländern, daß die anfängliche Preußenskepsis durch eine Hochachtung, ja Bewunderung Preußens ersetzt wurde. Dies wirkte sich auch auf den Karneval aus. Rosenmontag 1869 spalteten sich die Roten Funken in die Infanterie, die weiterhin rot-weiße Uniformen trug, und die Artillerie, welche die Uniform des ehemaligen preußischen Dragonerregiments Ansbach-Bayreuth übernahm.

1872 führten die Blauen Funken auf einem Wagen - unter Verzicht auf Persiflage und Parodie - die sieggekrönte Germania mit sich, umjubelt von der großen Mehrheit der Kölner, die den Sieg über Frankreich und die Reichsgründung begeistert aufgenommen hatten. Den Abschluß dieses Rosenmontagszuges bildete der mit preußischen Adlern und den Wappen von Elsaß und Lothringen geschmückte Prunkwagen des Prinzen Karneval, der in einer mächtigen Kaiserkrone thronte. Auch in den Karnevalssitzungen dieser Jahre herrschte patriotische Hochstimmung. An patriotischen Liedern und der Anwesenheit hoher Militärs nahm kaum noch jemand Anstoß.

Und die Preußen machten mit. Schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts stellte die Kölner Garnison Pferde und Gespanne für den Rosenmontagszug. Die Musikmeister und Stabstrompeter der in Köln ansässigen preußischen Regimenter betätigten sich als Komponisten von Büttenmärschen. Der preußisch-zackige Einfluß auf den Kölner Karneval zeigte sich auch an den Karnevalsorden, die kaum mehr etwas mit Parodie, aber viel mit einem vaterländischen Credo zu tun hatten.

Nach 1945 gehörte die Diffamierung des Preußentums zur neuen politischen Mode. In Köln kehrte man, dem Zeitgeist folgend, wieder die Preußenparodie heraus. Erst heute scheint - trotz der versuchten Multikulti-Einfärbung des Kölner Karnevals - eine abgewogene Betrachtungsweise möglich zu werden.

Foto: Blaue Funken: Sie tragen die Uniform des ehemaligen preußischen Dragonerregiments Ansbach-Bayreuth


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