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24.02.07 / Ein Supermarkt extra für Senioren / Kaufhalle lockt mit viel Platz, großen Schildern und Sofas zum Ausruhen - Trend greift um sich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-07 vom 24. Februar 2007

Ein Supermarkt extra für Senioren
Kaufhalle lockt mit viel Platz, großen Schildern und Sofas zum Ausruhen - Trend greift um sich
von Peter Westphal

Der Einkauf der Alten" - so könnte der Titel einer, auf den ersten Blick belanglos scheinenden, Fernsehreportage lauten, die aus dem ersten Berliner Supermarkt für Senioren berichtet. Der Markt wurde Anfang Dezember 2006 im Stadtbezirk Friedrichshain eröffnet.

Kürzlich hatte das ZDF eine "Doku-Fiktion" ausgestrahlt, die unter dem reißerischen Titel "Der Aufstand der Alten" ein katastrophales Panorama zeichnete: eine Gesellschaft, die wegen Kindermangels und kollabierender Sozialsysteme von Altersarmut überzogen wird und in der Heere gestrauchelter Senioren zum Straßenbild gehören.

Ob es bis zum Jahre 2030 oder 2050 tatsächlich zu so heftigen sozialen Verwerfungen kommt, ist nur zu mutmaßen. Fest steht: Die Gesellschaft wird älter.

Jenseits aller Horrorvisionen muß sich der freie Markt früher oder später auf diese Veränderung einstellen. Was mit "Mode für Ältere" begann, ist nun auch im Lebensmittelhandel zu beobachten, der die wachsende Zielgruppe von "sibernen Kunden" entdeckt.

Der Ausdruck stammt aus dem Bereich von Industrie und Werbung, wo man schon länger entdeckt hat, daß Senioren in der Regel konsumfreudig und markenbewußt sind. Das sagen zumindest verschiednene Studien, etwa die des Kölner "Instituts für Handelsforschung" (IfH), welches die ältere Zielgruppe unter den albernen Begriff "Perfect Ager" faßt, ebensohäufig ist denglisch-dämlich von den "Silver" oder "Best Agern" die Rede.

Der "Markt der Generationen", wie die Kaiser's-Filiale offiziell heißt, befindet sich in der Nähe des Ostbahnhofs, an der Ecke Singer-/Andreasstraße, wo einst die legendären Concordia-Säle ge-standen haben. Die DDR postierte hier eine HO-Kaufhalle, die mit der Wende an den Lebensmittelhändler Tengelmann überging. Seit Dezember lädt nun ein großer Parkplatz gezielt fortgeschrittene Semester zum Einkauf ein. Die Vorzüge des neuartigen Supermarkts werden gleich neben dem Eingang in übergroßer Schrift angepriesen. Der erste Unterschied zu herkömmlichen Großläden sticht dem Kunden tatsächlich sofort ins Auge: Der Eingangsbereich ist "barrierefrei", es gibt hier keine von doppelten Drehkreuzen gesicherte Sperren, die besonders Menschen, die mit Gehhilfe unterwegs sind, andernorts beträchtliche Schwierigkeiten machen können.

Drinnen angekommen fällt auf, wieviel Platz überall ist. Eine ältere Kundin zeigt sich denn auch zufrieden mit der Kaufhalle, sie könne "nur empfehlen, mehr so zu bauen". Mehr so, heißt: breitere Gänge, rutschfeste Böden, blendfreie Beleuchtung, Einkaufswagen mit eingebautem Sitz, Lupen zur besseren Lesbarkeit von Etketten und speziell gekennzeichnete Kleinverpackungen für Ein-Personen-Haushalte.

Wer die gewünschte Ware trotz riesengroßer, an Straßenschilder erinnernder Beschriftungen nicht findet, kann am Schluß jeder Regalreihe eine Klingel drücken, die einen Mitarbeiter herbeiruft. Und wer am Ende trotzdem "gerädert" ist, kann sich auf einem Sessel für automatische "Shiatsu-Massagen" erholen - allerdings steht der gleich neben der WC-Tür.

Aber wenigstens gibt es hier eine Toilette. Und wenige Schritte weiter lockt eine Sofagruppe zum Ausruhen. Dabei steht ein großer Flachbildschirm, auf dem der Kunde Rezepte aufrufen und kostenfrei ausdrucken kann, zum Beispiel ein "Zehnkämpfer-Müsli (Für 1 Person)" - ob dies ein Fingerzeig auf den "Aufstand der Alten" im Jahr 2030 ist?

Die Idee altersgerechter Kaufläden greift um sich. In der Lausitz betreibt Holger Deliga den ersten Fachmarkt für Senioren. Die Zielgruppe "70 plus" erwartet ein speziell auf ihre Bedürfnisse abgestimmtes Angebot "von Stützstrümpfen bis zu Fernsehlupen". In diesem Jahr will Deliga expandieren: nach Freiburg und Erfurt.

Verbesserungswürdig scheint in Friedrichhain noch das Auftreten der Mitarbeiter. Eine Deutsch-Amerikanerin, die hier gelegentlich einkauft, bemängelt, daß die Verkäufer im Ostteil Berlins merklich unfreundlicher seien als im Westteil. Wie zum Beweis verweigert der junge Marktleiter dem Autoren dieses Beitrags jegliche Auskunft, da der Reporter keine "Erlaubnis" vorzuweisen habe. Auf den Hinweis, daß es zum journalistischen Arbeiten keiner Erlaubnis durch die Supermarkt-Kette bedürfe, entgegnet Marktleiter Kuttula: "Dann sind wir halt was besonderes."


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