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03.03.07 / Angst vor Image-Schaden / Berlinale-Erfolg "Yella" versetzt Wittenberge in Unruhe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-07 vom 03. März 2007

Angst vor Image-Schaden
Berlinale-Erfolg "Yella" versetzt Wittenberge in Unruhe
von Peter Westphal

Auch Trostlosigkeit ist preisverdächtig. Den Beweis hierfür erbrachte der Film "Yella" von Regisseur Christian Petzold. Dessen Hauptdarstellerin Nina Hoss erhielt gerade auf der Berlinale den Silbernen Bären für die beste schauspielerische Leistung.

Sie verkörpert in dem gesellschaftskritischen Streifen eine junge Buchhalterin aus Wittenberge in der Prignitz. Da die Firma von Yella, so der Name der Protagonistin, pleitegeht, verläßt die nunmehr arbeitslose junge Frau die Region gen Westdeutschland.

Die Handlung in dem Streifen führt in Wittenberge zu Unmut, weil die Stadt im Film nicht nur als fiktive Kulisse fungiert, sondern bei ihrem Namen genannt wird. Die Pressesprecherin der Stadt hat jetzt Angst: Wenn Wittenberge durch den Film "exemplarisch für den Niedergang von Menschen stehen sollte", so Christine Schomaker, "würde uns das leidtun".

Auch der Vorsitzende des Stadtparlaments Wolfgang Strutz, fürchtet um den Aufbruchs-Elan in seinem Heimatort, wie die "Berliner Zeitung" berichtet. Strutz gehört der Linkspartei/PDS an, ausgerechnet jener Partei also, die für den wirtschaftlichen Niedergang in 40 Jahren DDR verantwortlich ist. Er beklagt, daß die Arbeitsplätze der klassischen Industriestadt "nun in Asien" seien.

Früher war der am Elblauf gelegene Ort unter anderem für seine Singer-Nähmaschinenfabrik bekannt, heute kündet nurmehr der Singer-Uhrenturm davon - immerhin mit der zweitgrößten Turmuhr Europas. Für viele ältere Wittenberger mag die Zeit stehengeblieben sein. Dessen ungeachtet findet der PDS-Mann, daß Filme, welche die Agonie der Stadt vor Augen führten, wenig hilfreich seien - in der Tat kann bloße Realtitätsdarstellung auch dazu beitragen, eine schwierige Lage noch zu zementieren.

Wittenberge teilt das Hauptproblem fast aller Gemeinden der ehemaligen DDR: 10000 Menschen, rund ein Drittel der Bevölkerung, haben die Stadt seit dem Mauerfall verlassen. Glaubt man den Kommunalpolitikern, richten die jetzt noch knapp 20000 Einwohner einen etwas beklommenen Blick auf den 11. Oktober. Dann kommt "Yella" in die Kinos. Dabei ist es nicht der erste Film, der in Wittenberge spielt. Für die "Pilotstadt Stadtumbau Ost" ist die Filmindustrie mittlerweile ein relevanter Wirtschaftsfaktor geworden. Wegen ihrer unsanierten Gründerzeitviertel wird sie immer häufiger als Filmkulisse genutzt, besonders für Produktionen, die während der NS-Zeit oder im Nachkriegsdeutschland spielen. So verkörperte hier Heiner Lauterbach den jungen Axel Spinger in "Der Verleger", und auch der Film "Neger, Neger, Schornsteinfeger" nach der Autobiographie des Hamburgers Hans-Jürgen Massaqoui wurde hier gedreht.

Doch Ironie des Schicksals: Während beide Filme in einem Hamburg aus Wittenberger Straßenzügen spielen, verlassen junge Frauen ebendiesen Ort, die meisten von ihnen, um ausgerechnet nach Hamburg zu gehen. Dort erwartet sie anderes als etwa Kurse der Wittenberger Gleichstellungsbeauftragten unter dem Motto "Existenzsicherung und Eigenständigkeit von Frauen in der Prignitz".

In Wittenberge böte Komparsen-Tätigkeit oder Kulissenbau womöglich eher eine Chance zum Geldverdienen als die Teilnahme an solchen gutgemeinten Kursen, wie die schon zahlreichen Drehtermine auch weniger bekannter Filmproduktionen belegen. Allerdings ist Wittenberge mittlerweile dabei, das "Kapital an Kaputtheit", das es besitzt, zu verspielen. Ein Streifen wie die "Gladow-Bande" könnte hier nicht mehr gedreht werden, der hierfür genutzte Packhof wurde inzwischen mit Geld aus den "Stadtumbau"-Mitteln abgerissen.

Mit dem Abbruch dieser "historischen Filmkulisse", so der ehemals langjährige Kulturdezernent Andreas Schön, sei eine Chance vertan worden.

Die nächste eröffnet sich erst einmal auf einem anderen Feld: mit den "VIII. Elblandfestspielen Wittenberge" vom 20. bis 21. Juli 2007, einem internationalen Freiluft-Festival für Operette und heitere Bühnenkunst.

Während "Yella" und ihre Altersgenossinnen Wittenberge Ade sagen, kehrt die inzwischen 103 Jahre alte Schauspiel- und Operretten-Legende Johannes Heesters zurück an den Ort, den er bereits vor zwei Jahren besucht hatte. Im Vorfeld der Elblandfestspiele findet vom 10. bis 12. Mai der "Internationale Gesangswettbewerb für Operette Paul Lincke" statt. Zu dessen Gala wird am letzten Tag Stargast Heesters erwartet, der eine von ihm selbst gestiftete Medaille überreichen wird.

Foto: Beliebt als Kulisse für Filme zur Zeitgeschichte: Veronika Ferres mit den Hauptdarstellern von "Neger, Neger, Schornsteinfeger", in dem die Häuser von Wittenberge das Hamburg der NS-Zeit abgaben. Foto: ddp


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