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03.03.07 / Ost-Deutsch (4): Schlagbaum

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-07 vom 03. März 2007

Ost-Deutsch (4):
Schlagbaum
von Wolf Oschlies

Wer war das? Wer hat den Winterorkan vom Januar pietätlos "Kyrill" getauft? Kyrill und sein Bruder Method, die um 860 den Slawen die Schrift brachten, sind seit 1985 die Schutzpatrone Europas. Jetzt ist Kyrill Namenspatron eines Sturms, der Europa devastierte - pfui! Der Sturm stürmt, Bäume fallen um, alle (Auto)Räder stehen still. Das ist auch die Etymologie des "Schlagbaums", der von Russen schon vor Jahrhunderten entlehnt wurde und bis heute gebraucht wird: Am 9. Januar ereignete sich im St. Petersburger Hafen ein schwerer Unfall - ein Lkw stieß mit einem Zug zusammen. Warum? Weil "na pereezde slagbauma netu" - am Schienenübergang kein Schlagbaum war.

"Schlagbaum" ist nicht irgendeins von Tausenden deutschen Lehnwörtern in der russischen Sprache - es ist ein Stichwort für eine Fülle von Problemen und Alltagssorgen: Russische Hühnerfarmen verlangen einen "Schlagbaum" gegen Hühnerimporte, Turkmenien ließ den "Schlagbaum" für russische Medikamente herunter, die Ukraine für russische Zeitungen - Brüssel hob ihn für Bulgarien und Rumänien und senkte ihn für Arbeiter aus diesen Ländern. Russische Ferienlager für Kinder standen seit jeher hinterm "Schlagbaum", seit neuestem auch Nobelviertel in Moskau und St. Petersburg. Daneben stehen witzige Wortverwendungen: Moskau möchte den "zolotoj slagbaum" (goldenen Schlagbaum) noch goldener machen, also die Straßenmaut erhöhen. Seit Jahren kämpft die Moskauer Metro gegen die "zajcy" (Hasen), die Schwarzfahrer, 2005 haute sie ihnen den "Schlagbaum" übers Fell, nämlich ein elektronisches Billettsystem, dem kein Hase entwischen kann. Das klappte gut und wurde darum von Überland-Verkehrssysteme übernommen: Wer, wenn nicht deutsche Ordnung, verkörpert im "Schlagbaum", bringt Russen zu Finanzdisziplin?

Am 9. November 2004 erinnerten russische Medien (www.smi.ru) amüsiert daran, wie sich auf den Tag vor 15 Jahren der "Schlagbaum" mitten in Berlin hob - geliftet durch Schabowskis Äußerung, daß das sofort geschehen werde. Das seien "rokovye dlja svoej partii i gosudarstva slova" gewesen: Schicksalsträchtige Worte für seine Partei und seinen Staat. Schadenfroh erinnert!

Wolf Oschlies, der PAZ als Osteuropa-Experte verbunden, hat in der Münchner wissenschaftlichen Reihe "Slavistische Beiträge" ein "Lehrbuch der makedonischen Sprache" veröffentlicht: 20 Seiten Einführung in Land, Leute und Kultur, 160 Seiten Grammatik "der jüngsten slavischen Literatursprache". Daß diese Sprache alt ist, läßt Oschlies in Übungstexten erkennen - aus Sprichwörtern, Liedern und Sagen ausgewählt.


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