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03.03.07 / "Rußland ist nicht China-Town" / Nationalbolschewisten fordern "Eisernen Vorhang" von Putin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-07 vom 03. März 2007

"Rußland ist nicht China-Town"
Nationalbolschewisten fordern "Eisernen Vorhang" von Putin
von M. Rosenthal-Kappi

Früh morgens versperrten Irkutsker Nationalbolschewisten den Eingang zum Gebäude der örtlichen Einwanderungsbehörde. Sie drangen in das Haus ein, entrollten auf dem Balkon Spruchbänder mit den Parolen "Rußland ist nicht China-Town", "Stoppt die chinesische Expansion" und "Beamte sind Handlanger Chinas". Dabei zündeten sie Feuerwerkskörper. Einige der Teilnehmer ketteten sich am Balkongeländer an.

Mit dieser Protestaktion wollten die Nationalbolschewisten die sogenannte chinesische Expansion nach Sibirien bekämpfen. Die Demonstranten forderten von ihrem Staat einen "Eisernen Vorhang", der China von Rußland trennt. Ihr Anführer Eduard Limonow erklärte, daß es sich um keine nationalistische Aktion handele.

Der Grund für den Protest ist ein tatsächlicher Anstieg der Zahl der chinesischen Migranten in Sibirien und im fernen Osten Rußlands. Ein Trend, der seit 1988 anhält, als für die Überschreitung der sowjetisch-chinesischen Grenze die Visumspflicht abgeschafft wurde. Damals zog es vor allem kleine Händler und Gewerbetreibende nach Rußland. Da das Land darauf nicht vorbereitet war, machten sich erste Ängste vor einer chinesischen Überfremdung breit. Von "demographischer, friedlicher, stiller" Expansion war die Rede. Die Angst vor der "gelben Gefahr" hat sich bis heute gehalten.

Die Nationalbolschewisten gehen davon aus, daß die Irkutsker Einwanderungsbehörde die Zahl der chinesischen Migranten absichtlich offiziell niedriger beziffert, als sie tatsächlich ist. Schon jetzt leben ihrer Ansicht nach mehr als eine Million Chinesen auf russischem Territorium. Sie fürchten, daß innerhalb der nächsten zehn Jahre in Sibirien und im Fernen Osten ein eigener Kosovo entstehen könnte. Die Art und Weise, wie die Irkutsker Behörde mit Einwanderern umgehe, sei mit dem Kampf des Staates gegen illegale Einwanderung nicht vereinbar.

Die nicht genehmigte Aktion wurde von der Polizei schnell beendet. Fünf Nationalbolschewisten wurden verhaftet und am Abend gegen Zahlung einer Strafe von 500 Rubel wegen der "Durchführung einer nicht genehmigten öffentlichen Aktion" wieder freigelassen. Dies war die erste Demonstration der Nationalbolschewisten mit nationalistischen Untertönen. Bisher wurden Aktionen radikaler Gruppierungen wie der "Bewegung gegen illegale Einwanderung" und der "Union orthodoxer Bruderschaft", die in der Vergangenheit politische und soziale Protestaktionen durchgeführt hatten, von den Nationalbolschewisten nie unterstützt. Eduard Limonow rechtfertigte die jetzige Aktion damit, daß das Problem der chinesischen Expansion ein drängendes sei. Wenn das Gebiet weiter mit Chinesen bevölkert werde, bedeute dies auf lange Sicht einen Gebietsverlust für Rußland. Ihn beunruhigen weniger die Chinesen an sich als die allgemeine demographische Situation.

Tatsächlich stellt die Migration chinesischer Nachbarn den russischen Staat vor Probleme, die komplexer Natur sind. China und Rußland sind aufgrund ihrer umfangreichen wirtschaftlichen Beziehungen und ihrer geopolitischen Lage auf eine freundschaftliche Grundhaltung zueinander angewiesen. Zwar hat der russische Staat genaue Vorschriften für chinesische Migranten, sprich strenge Paßkontrollen und Registrierung bei den örtlichen Behörden, erlassen, ihre Überprüfung stellt jedoch ein Problem dar. Sei es, weil örtliche Politiker absichtlich illegal in ihrem Amtsbereich arbeiten lassen, um den Mangel an eigenen Arbeitskräften auszugleichen und so die Produktivität der Region anzukurbeln, sei es, weil in fernöstlichen Regionen nicht genügend russisches Personal zur Überprüfung zur Verfügung steht. Exakte Statistiken über die in Rußland lebenden Chinesen gibt es nicht. Nach einer Schätzung Moskauer Experten leben bis zu 500000 Chinesen auf russischem Boden. Von einer Bedrohung kann bei solch einer Zahl noch keine Rede sein. Schon eine etwas stärkere Migration nach Rußland könnte Regionen im fernen Osten oder in Sibirien laut dem russischen Wissenschaftler Baklanow jedoch aus dem Gleichgewicht bringen. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn etwa fünf Millionen Chinesen in ein dünn besiedeltes russisches Gebiet einwanderten, während der russische Bevölkerungsanteil beständig zurückginge. In den fernöstlichen Regionen Rußlands beträgt der Bevölkerungsschwund seit 1989 16 Prozent insgesamt.

Die Befürchtungen der sibirischen Russen sind nicht unbegründet. Bei einem Besuch in Sibirien soll Präsident Putin schon im Jahr 2000 davon gesprochen haben, die russische Bevölkerung werde im Fernen Osten in einigen Jahrzehnten Japanisch, Chinesisch oder Koreanisch sprechen, wenn nicht sehr bald gewaltige Anstrengungen zur Entwicklung dieser Regionen unternommen würden.

Die chinesischen Interessen sind für Rußland Chance und Bedrohung zugleich. Der gewaltige demographische Druck, dem China ausgesetzt ist, führt zu beständig wachsendem Energiebedarf und einer hohen Arbeitslosenquote im Lande.

Rußland hingegen kann mit Hilfe chinesischer Migranten seinen Mangel an Arbeitskräften ausgleichen. Vor allem gering bezahlte und bei Russen unbeliebte Arbeiten werden von Chinesen gern verrichtet. Rußland kann seinen rasanten wirtschaftlichen Aufstieg nur mit dem Zuzug neuer Arbeitskräfte aufrechterhalten. Gleichzeitig boomt die Wirtschaft in China und verleiht dem Reich der Mitte neue Macht.

Aufgrund des steigenden Energiebedarfs hat China ein besonderes Interesse an russischen Rohstoffen, bei deren Ausbeutung chinesische Arbeitskräfte Rußland ebenfalls dienlich sein könnten, während China das Problem der hohen Arbeitslosigkeit so verringern könnte. Die Beteiligung chinesischer Firmen würde den russischen Staatshaushalt darüber hinaus mit neuen Steuereinnahmen verbessern.

Rußland wird die Probleme seiner grenznahen Regionen nur in den Griff bekommen, wenn der Staat das Vertrauen der dort ansässigen Bevölkerung zurückgewinnt, indem es für annehmbare Lebensbedingungen sorgt bei gleichzeitiger Begrenzung und Kontrolle der Migration.

Foto: Billig, aber nicht überall gern gesehen: Chinesische Gastarbeiter in Rußland


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