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03.03.07 / Was für Professoren brauchen wir? / Kurzfristig wird in Deutschland mit mehr Studenten gerechnet - Neuanstellungen lohnen nicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-07 vom 03. März 2007

Was für Professoren brauchen wir?
Kurzfristig wird in Deutschland mit mehr Studenten gerechnet - Neuanstellungen lohnen nicht
von George Turner

Wieder einmal wird an der Personalstruktur der Hochschulen herumgebastelt. Um die sich abzeichnenden anwachsenden Zahlen der Studierenden zu bewältigen, soll der Lehrkörper vergrößert werden. Aus dem Wissenschaftsrat kommt der Vorschlag, Professuren mit dem Schwerpunkt Lehre, und damit einer höheren Lehrverpflichtung, sowie Juniorprofessoren mit einem größeren Deputat einzuführen. Zurzeit beträgt es an Universitäten in fast allen Bundesländern acht Stunden in der Woche.

Bisher sind alle Vorschläge zur Änderung der Personalstruktur, um die vermehrten Lehraufgaben zu bewältigen, spätestens mittelfristig gescheitert. Das gilt für die Positionen von Studienräten im Hochschuldienst, Akademischen Räten oder Assistenzprofessuren. So wird es auch dem jetzt auf den Bildungsmarkt geworfenen Stellentyp ergehen. Entsprechende Stellen werden nur von denjenigen angenommen werden, die keine Chance haben, eine Position nach dem klassischen Muster zu erhalten, mithin also zweite Wahl sind.

Was aber schwerer wiegt, ist eine länger wirkende Verzerrung der Altersstruktur. Auch das hatten wir schon. Der rasante Ausbau der Universitäten hat vor 30 bis 40 Jahren dazu geführt, daß viele neue Stellen geschaffen und auf Dauer besetzt wurden. Dies hatte zur Folge, daß die Berufungschancen für nachfolgende Generationen extrem schlecht waren.

Der Fehler konnte nur mit großer Mühe durch die Einrichtung von Parallelprofessuren auf Zeit abgemildert werden. Dies geschah durch das Fiebiger-Programm, benannt nach dem Initiator, dem früheren Präsidenten der Universität Erlangen-Nürnberg. Folgt man den jüngsten Vorschlägen, wird es wieder eine neue Welle von Stellen und deren Besetzung innerhalb kurzer Zeit geben mit der Wirkung der Verstopfung des Zugangs für nachfolgende Wissenschaftler.

Bei dem Ansturm auf die Hochschulen handelt es sich nur um ein temporäres Problem, verursacht durch geburtenstarke Jahrgänge und zwei Abiturientenjahrgänge zur gleichen Zeit infolge der Schulzeitverkürzung. Deshalb sollten neue Stellen nur auf Zeit eingerichtet werden. Dann aber sind sie doppelt unattraktiv. Einmal wegen der Befristung und zum anderen, weil es mit Sicherheit als erstrebenswerter angesehen werden wird, eine Stelle zu erreichen, bei der die Lehre nicht dominiert. Bei allen begründeten Versuchen, die Lehre als wichtige Aufgabe herauszustellen, darf die Realität nicht aus dem Blick verloren werden. In Betracht ziehen sollte man deshalb die freiwillige Verlängerung der Dienstzeit zur Pensionierung anstehender Professoren. Parallel zu der Neubesetzung der aus Altersgründen frei werdenden Stelle könnte bisherigen Stelleninhabern bei Bedarf und Zustimmung der Beteiligten ein neuer Vertrag auf Zeit angeboten werden. Eine solche Maßnahme kann das Problem nur teilweise lösen. Die Aufstockung von Stellen an Fachhochschulen würde dort Kapazitäten schaffen, wo es ohnehin einen Ausbau geben sollte. Bei diesen Hochschulen haben die Lehrpersonen ein Deputat von bis zu 18 Stunden zu leisten. Eine zusätzliche Ausstattung mit Stellen würde zu Buche schlagen. Jedenfalls bedarf es keiner neuen Stellenkategorie. Im übrigen wird bei allen Versuchen, das Lehrangebot zu verbessern, vergessen, daß das Selbststudium die Mutter allen Erfolges ist.

Es sollte nicht übersehen werden: Das Studium an den Hochschulen wird grundlegend reformiert. Der Abschluß eines Bachelors soll in drei Jahren erreicht werden. Um den Stoff zu bewältigen, wird die jährliche Vorlesungszeit auf 40 bis 45 Wochen und die Zahl der Vorlesungs- und Übungsstunden pro Woche bis zu 40 erhöht werden. Zugleich ist mit einem Anwachsen der Gesamtstudierendenzahl von derzeitig rund zwei auf 2,7 Millionen zu rechnen. Unabhängig davon, ob es gelingt, den Personalbestand zu vermehren, ist es erfreulich, daß sich das Augenmerk von Politikern und Ranking-Experten auf Hochschulen auch zunehmend auf die Qualität der Lehre richtet. Gewiß ist es schwer festzustellen, was eine "gute Lehre" ausmacht - Anerkennungen in Form von Preisen, wie sie vor einiger Zeit von der Rektorenkonferenz und dem Stifterverband verliehen wurden, sind ermutigende Zeichen.

Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß noch so viele Bemühungen, mehr Lehrpersonen einzustellen und Anreize, Lehrveranstaltungen so effektiv wie möglich zu gestalten, für die Studierenden höchstens "die halbe Miete" sind.

Entscheidend bleibt die eigene Anstrengung, die persönliche Arbeit, das Lernen nicht nur durch den passiven Konsum des Dargebotenen. Ein rhetorisches Feuerwerk von Professoren und aufheiternde Gags können zwar studentische Zuhörer begeistern, verführen aber unter Umständen auch zu der Illusion, man habe die Zusammenhänge verstanden und verarbeitet. Manch weniger glänzender Vortrag, mühevoll durch Lektüre und Erarbeitung von schriftlichem Material nachvollzogen, hat länger anhaltende Wirkung. Das soll nun kein Plädoyer für komplizierte Vorlesungen und gegen spritzige Darlegungen sein. Aber es soll deutlich machen, daß ein noch so reichhaltiges und qualitativ hervorragendes Angebot niemals das Selbststudium ersetzen kann. Das gilt auch für den Umfang des Stoffs.

Was für eine Pennälermentalität, wenn Studierende auf Fragen erwidern, daß der betreffende Gegenstand in der Vorlesung nicht "dran" gewesen sei. Wenn die Studierenden nicht lernen, mit dem verfügbaren Material umzugehen, wenn sie sich die betreffende Materie nicht selbst erarbeiten, wenn sie sich nur passiv berieseln lassen und nicht aktiv nacharbeiten, was vorgeführt wird, fruchten alle Bemühungen der Lehrenden nicht, es mögen noch so viele neue Stellen eingerichtet werden.

Foto: An der Universität: Es gibt eine Lehrverpflichtung von acht Wochenstunden.


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