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03.03.07 / Mehr als persönliches Utensil / Eine Ausstellung mit Besteck führt auf eine Reise durch die Kulturgeschichte des Speisens

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-07 vom 03. März 2007

Mehr als persönliches Utensil
Eine Ausstellung mit Besteck führt auf eine Reise durch die Kulturgeschichte des Speisens
von Silke Osman

An diesem Tag waren sie nicht gekommen, um unbeschwert Kunst und Kunsthandwerk zu genießen. An diesem Tag schritten sie durch die Eingangstüren des Museums, um die eigenen Schätze schätzen zu lassen. Und so mancher trug aus diesem Anlaß einen großen Karton, den er vorsichtig auf dem Arm balancierte, um durch die Drehtür zu gelangen. Rohe Eier waren kaum darin, eher vermutete Kostbarkeiten aus Familienbesitz. Und diese sollten von Fachleuten bewertet werden. Dazu war Sebastian Kuhn von Sotheby's London eigens in das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe gekommen. Die Hamburger hatten den Februar zum "Porzellanmonat" gekürt, in dem neben der Sonderausstellung mit Bildern von Armin Mueller-Stahl zum Drehbuch des Films "Utz" (siehe Folge 6) und einem Besuch der neu gestalteten Porzellanabteilung des Museums auch die Bewertung und Datierung von Porzellan aus Privatbesitz angeboten wurde. Dieses Angebot wurde so intensiv angenommen, daß die Interessenten lange Wartezeiten in Kauf nahmen, um zu erfahren, ob der Teller, den man von Großmutter geerbt hatte, wirklich "echt Meißen" war oder ob die Tasse mit dem ausgefallenen Muster tatsächlich aus dem 18. Jahrhundert stammte. Man sah an diesem Tag so manches strahlende Gesicht, aber auch das eine oder andere enttäuschte. Es ist eben nicht alles Gold was glänzt ...

Porzellan und edlem Glanz begegnet man auch in einer Sonderausstellung, die unter dem Titel "Gut in Griff" derzeit im Haus am Hamburger Hauptbahnhof präsentiert wird. Die Beispiele von Besteck aus acht Jahrhunderten machen die plastische Lebendigkeit und den ornamentalen Reichtum dieser Artefakten deutlich. Auf 400 Quadratmetern zeigt das Museum jetzt die reizvolle Fülle und künstlerische Qualität historischer Bestecke vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert und nicht zuletzt auch die eigene reiche Sammlung, die meist nur als Auswahl bedeutender Stücke in den Schauräumen zu sehen ist. "Der häufig wiederholte Vorwurf, Museen hüteten in ihren Depots sinnlos aufgehäufte Bestände, die dort in Staub und Vergessen versänken, gilt dennoch nicht", erläutert der Kurator der Ausstellung Bernhard Heitmann. "Nur wenn ein Museum auf umfangreiche Bestände in allen seinen Abteilungen und Sammlungsgattungen zurückgreifen kann, vermag es in steter Erneuerung und Veränderung der Präsentation die Sammlungen lebendig zu dokumentieren und entsprechend den Vorlieben des Publikums, die sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt verändern, zugänglich zu machen." So kann man sich nun in dieser Ausstellung auf eine kleine Reise durch die Kulturgeschichte des Speisens begeben.

Schließlich gibt es das Besteck wie wir es kennen - Messer, Gabel, Löffel - noch nicht allzu lange. Einst wurde Gebratenes mit dem Messer vorbereitet und nach dem Garen zerteilt. Schnell wird das Messer auch zum Tafelgerät, wenn es auch nicht so elegant aussieht wie heutzutage. Zumindest der Griff ist kunstvoll verziert und oft aus kostbarem oder ungewöhnlichem Material wie etwa Walroßzahn.

Suppen schlürfte man aus einem Napf oder einer Schale. Mit der Erfindung von Brei oder Mus entdeckte man, daß heiße Speisen nicht gerade angenehm in der Hand lagen. Ein Löffel mußte her. Er wurde aus Wurzelholz geschnitzt, später aus Zinn gegossen. Der Stil war meist kurz, aber bereits kunstvoll verziert. Erst im 16. Jahrhundert kam man auf die Idee, den Stil länger zu fertigen, vermutlich weil die breiten kreisrunden Kragen, aber auch die voluminösen Manschetten im Weg waren und nicht verunreinigt werden sollten.

Den Löffel wie überhaupt auch Messer und später die Gabel brachte man früher mit zum Essen. "Das Benutzen von Bestecken, die jedem Gast bei Tisch persönlich gehörten, hatte nicht nur den Sinn, daß dieser Besitz nach eigenem Geschmack und eigenen wirtschaftlichen Möglichkeiten aus kostbarem Material und mit künstlerischem Aufwand gestaltet war, sondern mehr noch als zum Beispiel auch neben hygienischen Vorstellungen spielte es lange Zeit eine Rolle, daß man sich bei Mahlzeiten vor Vergiftungen fürchtete und in abergläubischen Zwangsvorstellungen soweit ging, gewissen Stoffen giftanzeigende und giftneutralisierende Wirkung zuzuschreiben, etwa dem Serpentinstein - für Gefäße und Becher verwendet - oder den Natternzungen, versteinerten Haifischzähnen, die an Tafelaufsätzen hängend, bei Tisch ihre segensreiche Wirkung entfalten sollten", erläutert Heitmann. "Bei solchen Vorsichtsmaßnahmen war eine nicht überprüfbare Zuteilung von Tischgerät an die Gäste selbstverständlich nicht willkommen."

Erst im 17. Jahrhundert kam schließlich die Gabel dazu, zunächst nur mit zwei langen Zinken. Das alles mußte natürlich transportiert werden, es entstanden kunstvoll verzierte Etuis aus Leder, Haifisch- und Rochenhaut, passend zu Messer, Gabel, Löffel aus Silber mit Griffen aus Elfenbein, Achat oder Bernstein.

All diese kostbaren Gegenstände des täglichen Gebrauchs aus alter Zeit machen nicht zuletzt auch deutlich, wie tief eine Gesellschaft wieder zu sinken droht, in der "Finger Food" (also das Essen mit der Hand) als der letzte Schrei hochgelobt wird.

Die Ausstellung "Gut im Griff - Historische Bestecke" im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr geöffnet, Eintritt 8 / 5 Euro, Katalog im Museum 24,90 Euro, bis 22. April.

Foto: Auserlesener Geschmack anno dazumal: Das Besteck mit Griffen in Form einer männlichen und einer weiblichen Herme aus Elfenbein stammt aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts und ist eines der Glanzstücke in der Hamburger Ausstellung. Foto: Karin Kiemer


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