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03.03.07 / Als die SED noch die Oder-Neiße-Linie ablehnte / Vor 60 Jahren äußerte sich Otto Grotewohl in Frankfurt zur deutschen Grenze in einer Weise, die heute bei Linken als revanchistisch gilt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-07 vom 03. März 2007

Als die SED noch die Oder-Neiße-Linie ablehnte
Vor 60 Jahren äußerte sich Otto Grotewohl in Frankfurt zur deutschen Grenze in einer Weise, die heute bei Linken als revanchistisch gilt
von Manfred Müller

Man reibt sich die Augen vor Verwunderung, wenn man heute liest, was SED-Spitzenfunktionäre vor 60 Jahren zur Oder-Neiße-Linie sagten. Otto Grotewohl, der die Sozialdemokraten der Sowjetzone in die Vereinigung mit der KPD geführt hatte, war der Hauptredner bei einer KPD-Kundgebung am 9. März 1947 in Frankfurt am Main. Er erklärte, die SED billige die Grenzziehung im Osten ebensowenig, wie sie sich mit einer geplanten Neuregelung der Grenzen im Westen - gemeint ist die Saarfrage - abfinden werde. Am 13. März 1947 sekundierte ihm Wilhelm Pieck, der mit ihm gemeinsam die SED führte, bei einer Pressekonferenz in München: "Die SED ist eine deutsche Partei, die die deutschen Interessen vertritt." Er dementierte angebliche Äußerungen des SED-Vorstandsmitglieds Anton Ackermann über die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie und betonte, daß die SED nach wie vor jede Grenzänderung ablehne.

Das aber war reine Wahlkampftaktik, wollte die SED doch der KPD in Westdeutschland Wahlhilfe leisten, und da waren solche national klingenden Erklärungen gut im Hinblick auf die Millionen Wähler, die aus ihrer Heimat vertrieben worden waren. In ihrem eigenen Machtbereich hatte die SED diese Position schon aufgegeben. Der stellvertretende SED-Vorsitzende Max Fechner, ein ehemaliger Sozialdemokrat, hatte zwar im Parteiorgan "Neues Deutschland" vom 14. September 1946 geschrieben: "Zur deutschen Ostgrenze möchte ich erklären, daß die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands sich jeder Verkleinerung deutschen Gebietes entgegenstellen wird. Die Ostgrenze ist nur provisorisch und kann erst bei der Friedenskonferenz unter Mitwirkung aller großen Siegerstaaten festgelegt werden!" Doch schon zwei Tage später folgte eine kalte Dusche aus Moskau. Der sowjetische Außenminister Molotow führte aus: "Die Berufung darauf, daß die Berliner Konferenz es für notwendig gehalten habe, die endgültige Festlegung der Westgrenze Polens bis zur Friedenskonferenz zurückzustellen, ist natürlich richtig. So sieht die formale Seite aus. Dem Wesen der Sache nach aber haben die drei Regierungen ihre Meinung über die künftige Westgrenze ausgesprochen, als sie Schlesien und die erwähnten Gebiete unter die Verwaltung der polnischen Regierung stellten und außerdem den Plan über die Aussiedlung der Deutschen aus diesen Gebieten annahmen. Wem könnte der Gedanke kommen, daß diese Aussiedlung der Deutschen nur als zeitweiliges Experiment vorgenommen wurde? Diejenigen, die den Beschluß über die Aussiedlung der Deutschen aus diesen Gebieten gefaßt haben, damit sich dort sofort Polen aus anderen polnischen Bezirken ansiedeln, können nicht nach einiger Zeit vorschlagen, entgegengesetzte Maßnahmen auszuführen. Schon der Gedanke an derartige Experimente mit Millionen von Menschen ist unfaßbar, ganz zu schweigen von seiner Grausamkeit sowohl gegenüber den Polen wie auch gegenüber den Deutschen selbst."

Grotewohl hatte für den deutschen Hausgebrauch zwar abgewiegelt: "Unsere Auffassung bleibt die gleiche. Zwar liegt die Entscheidung über die Frage nicht bei uns, aber unser Standpunkt muß von deutschen Interessen bestimmt sein. Russische Außenpolitik macht Molotow." Aber schon am nächsten Tag hatte der SED-Parteivorstand klein beigeben müssen. Unter sowjetischem Druck hatte sich der Vorstand gegen ein "demagogisches Hervorkehren der Grenzfrage" ausgesprochen. Für diejenigen, die sich trotz der sowjetischen Dominanz an einen Strohhalm klammern wollten, hatte er eine schön klingende Versicherung parat: Die SED "wird alles tun, damit auch in den Fragen der künftigen Grenzen Deutschlands die Stimme des deutschen Volkes auf der Friedenskonferenz Gehör findet."

Als Grotewohl und Pieck 1947 in den Westzonen Erklärungen zur Oder-Neiße-Linie abgaben, wußten sie, daß die Sowjetunion nicht daran dachte, die Vertreibung der Ostdeutschen rückgängig zu machen. Als die DDR 1950 im Görlitzer Abkommen mit Polen die Oder-Neiße-Linie als "Friedensgrenze" anerkannte, hatten die führenden SED-Genossen längst gelernt, diese Position zu verinnerlichen - ohne Rücksicht darauf, was sie früher einmal in dieser Frage geäußert hatten.


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