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10.03.07 / Wowereit wurstelt weiter / Trübe Aussichten nach 100 Tagen - Brandenburg wendet sich sogar von der Idee einer Fusion mit Berlin ab

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-07 vom 10. März 2007

Wowereit wurstelt weiter
Trübe Aussichten nach 100 Tagen - Brandenburg wendet sich sogar von der Idee einer Fusion mit Berlin ab
von Markus Schleusener

In Berlin waren verschiedene Jubiläen angesagt, und immer war Klaus Wowereit auf die eine oder andere Art mit dabei. Das Nobelhotel Adlon und das Kaufhaus Kadewe feierten den 100. Jahrestag ihrer Eröffnung.

Wo so viel Glanz ist, da ist der Regierende meist nicht weit. Und so kam Stammkunde Klaus Wowereit als Ehrengast zur Geburtstagsfeier. Dort zog er einen Konditorkittel an und verteilte Torte an seine Untertanen - wie üblich eine perfekte "Wowi-Show".

Wowereit aber hat auch ein Jubiläum zu feiern: Sein neuer Senat ist 100 Tage im Amt. Sektkorken sollen hierfür allerdings keine geknallt haben im Roten Rathaus.

Normalerweise endet an diesem Tag die "Schonfrist" für neue Regierungen. Diesmal aber hat bereits die beinahe verpatzte Wahl des Bürgermeisters (Erfolg erst im zweiten Wahlgang) alle medialen Selbstbeschränkungen aufgehoben. Und seit dem Wiedereinzug ins Rathaus ist es Wowereit auch kaum gelungen, Positiv-Schlagzeilen zu produzieren. Der Senat wurstelt vor sich hin, als wäre er am Ende einer langen Regierungsperiode und nicht an deren Anfang.

Die Senatoren der Linkspartei/PDS Harald Wolf (Wirtschaft) und Heidi Knake-Werner (Soziales) wirken nach dem Wahldebakel ihrer Partei wie traumatisiert. Ihre Truppe war 2006 auf 13,4 Prozent gefallen, nach 22,6 fünf Jahre zuvor. Und PDS-Senatorenneuling Katrin Lompscher (Gesundheit) trägt kaum zu einem erfolgreicheren Erscheinungsbild der Regierung und ihrer gerupften Partei bei.

Die SPD-Regierungsmitglieder stehen kaum besser da. Der neue Schulsenator Jürgen Zöllner mogelt sich um die Anerkennung der Realitäten an den Schulen herum: Die Statistik weist mehr Straftaten an Schulen auf? Das liege nur an der gestiegenen Anzeigenbereitschaft - so in etwa sieht die offizielle Linie des Senators aus zur Lage an den Gewaltschulen.

Solide erscheint nur die Arbeit von Innensenator Ehrhart Körting und Finanzsenator Thilo Sarrazin (beide SPD). Um so schlechter ist dagegen das Bild, das ihre Genossin Gisela von der Aue (Justiz) abgibt. Schon ihre Vorgängerin mußte Rede und Antwort stehen wegen der katastrophalen Zustände im Strafvollzug. An denen hat sich seit dem Amtswechsel nichts geändert. Jetzt gab es in den Anstalten auch noch einen Medikamentenskandal. Die "Berliner Morgenpost" will läuten gehört haben, daß im Parlament bereits Wetten darauf abgeschlossen würden, daß von der Aue als erste aus dem Senat fliegen dürfte.

Vor diesem Hintergrund ist der konzertierte Widerstand der Medien, gerade jener aus dem Hause Springer wie "Bild" Berlin, "BZ" und "Berliner Morgenpost/Welt" gegen die Schließung des Tempelhofer Flughafens nur ein weiteres Ärgernis. Wowereit hat bisher alle Angebote und Pläne für einen Weiterbetrieb vom Tisch gewischt, muß sich deswegen als "Tempelhof-Blockierer" beschimpfen lassen. CDU-Spitzenmann Friedbert Pflüger wittert seine Chance. Die Union wird sich wahrscheinlich massiv an einem Volksbegehren gegen die Tempelhof-Schließung beteiligen. Immerhin sind laut Umfragen drei Viertel aller Berliner für den Erhalt von Tempelhof.

Einem anderen Herzensanliegen hat der Regierende Bürgermeister überraschenderweise eine Beerdigung zweiter Klasse verschafft: der Länderfusion mit Brandenburg. Seit Jahren trommelt der Senat für ein Zusammengehen beider Bundesländer. Wowereit: "Ich stehe geschmückt wie ein Bräutigam vor dem Fusionsaltar. Aber meine Braut kommt nicht." Regelmäßig hat er einen Korb von seinem Amtskollegen und Parteigenossen aus Potsdam, Matthias Platzeck, erhalten. Zuletzt nach der Karlsruher Entscheidung über den Berliner Schuldenberg. Den sollen die Berliner mal schön alleine abbauen, ist der parteiübergreifende Konsens der Brandenburger. "Auf absehbare Zeit" sei eine Fusion ausgeschlossen, erklärte daraufhin Platzeck. Eine Abfuhr für die Hauptstadt, die mit dem Versuch gescheitert war, einen Großteil ihrer Miesen auf den Bund und andere Länder abzuwälzen.

Wowereit war beleidigt über Potsdam, hat die Charmeoffensive beendet und eine Retourkutsche gefahren, wie es in Senatskreisen heißt: Berlin hat die Zusammenlegung der Wirtschaftsfördergesellschaften beider Bundesländer gestoppt. Sehr zum Ärger der Brandenburger. Wenn diese Episode etwas beweist, dann das: Wowereit ist jederzeit bereit, seine Überzeugungen zu beerdigen, sobald es ihm opportun erscheint. Warum sollte er sich im Falle der Schließung von Tempelhof anders verhalten? Wenn das Volksbegehren gegen ihn zu laufen droht - und das wird es - dann ändert er eben seine Meinung. Bisher ist er stets gut damit durchgekommen. Die ersten 100 Tage seines neuen Senats geben einen entsprechend zwiespältigen Vorgeschmack auf die Zeit bis 2011.


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