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10.03.07 / Die Grünen überholen / Union ist in Sachen Umweltschutz besser im Thema, als ihr Ruf vermuten läßt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-07 vom 10. März 2007

Die Grünen überholen
Union ist in Sachen Umweltschutz besser im Thema, als ihr Ruf vermuten läßt
von Sverre Gutschmidt

Die CDU will im Umweltschutz die Grünen überholen und in ihrem neuen Parteiprogramm ein Öko-Profil zeigen, Autofahrer belasten sowie die Kernenergie nur noch sehr begrenzt berücksichtigen. Das plant nach übereinstimmenden Medienberichten eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Agrarstaatssekretärs Peter Paziorek. Ein radikaler Wandel bahnt sich an - doch was macht Unions-Umweltpolitik eigentlich aus?

1961 erntete Willy Brandt mit der Forderung, man müsse "den blauen Himmel über der Ruhr" sichtbar machen, Hohngelächter seitens der CDU/CSU und Unverständnis von SPD-Genossen. Das Zeitalter des Umweltschutzes brach gerade an. Für großes Aufsehen sorgte die amerikanische Biologin Rachel Carson 1962 mit ihrer Warnung vor einem "stummen Frühling", den Auswirkungen des damaligen Schädlingsbekämpfungsmittels DDT auf die Vogelwelt. Der Giftstoff wurde in Folge fast weltweit verboten. Die 60er waren die Zeit, in der erste Öko-Karrieren starteten: so die von Hubert Weinzierl. Von 1965 bis 1972 war der Konservative ehrenamtlicher Regierungsbeauftragter für Naturschutz in Niederbayern, ab 1969 Vorsitzender des Bundes Naturschutz (BUND) in Bayern. Mit Weinzierl kam die Wende vom unpolitischen, geselligen Verein zum Interessenverband. Doch konservatives Engagement war Privatsache.

In den 70er Jahren startete diese sogenannte zweite Umweltbewegung durch - die erste der 20er Jahre war keine Massenbewegung, sondern eine konservativ-intellektuelle Randerscheinung geblieben.

Kampagnen wurden von besorgten Bürgern gestartet. Vorbild waren die Protestbewegungen. Die Bürgeraktion Umweltschutz Zentrales Oberrheingebiet entstand 1971 aus dem Widerstand gegen die Expansionspläne einer Erdölraffinerien in Karlsruhe. An der Union gingen solche Initiativen weitgehend vorbei, fanden keinen Einzug in parteiliche Programmatik. Anfang der 70er waren allgemein jedoch Naturschützer aus konservativem Milieu tonangebend. So in der "Gruppe Ökologie", die unabhängig von ideologischen Zielen für den Erhalt der Umwelt eintrat. Der Journalist Horst Stern, Verhaltensforscher Konrad Lorenz, Zoologe Bernhard Grzimek und Tierfilmer Heinz Sielmann prägten die Gruppe. Auch der BUND vereinigte sich 1975 bundesweit gestützt auf diesen Personenkreis. Das Tannensterben im Schwarzwald alarmierte ab 1976 die dortige CDU-Landespolitik.

In den 80er Jahren nahm die CDU sich generell der Umwelt an. Die Grünen hatten das Schlagwort inzwischen für sich vereinnahmt. Innerhalb weniger Jahre drängten sie konservative Naturschützer ins politische Abseits. Dort formierte sich 1981 die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), die als Kleinpartei vor allem in Bayern im Kontrast zu den linksorientierten Grünen bescheidene Erfolge feierte. Weil CSU wie CDU ein Öko-Flügel fehlte, war eine Nische entstanden. Die forst- und landwirtschaftlich orientierten Politiker (Ignaz Kiechle) der Union waren zwar einflußreich, sie orientierten sich jedoch weniger an "naturverträglicher Landwirtschaft mit artgerechter Tierhaltung" (ÖDP, Grüne), sondern setzten sich im Sinne klassischer Interessenpolitik für Bauern und ländlichen Raum ein.

Die große Wende brachte die Katastrophe im sowjetischen Kernkraftwerk Tschernobyl am 26. April 1986. Als Reaktion berief Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) den Frankfurter Oberbürgermeister Walter Wallmann (CDU) am 6. Juni 1986 zum ersten Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Knapp ein Jahr später im April 1987 schied Wallmann bereits aus dem Amt. Zu sehr war er während einer Unfallserie, bei der 1986 aus Chemiefirmen in großer Menge Gift in den Rhein floß, beschwichtigend aufgetreten. Hilflos erschien dabei die Politik gegenüber der Industrie. "Ich gehe nicht davon aus, daß mir bewußt die Unwahrheit gesagt worden ist. Aber objektiv war es die Unwahrheit", sagte Wallmann. Tonnenweise tote Fische, geschlossene Wasserwerke und Trinkwasser nur per Lkw verhagelten im Bundestagswahlkampf Helmut Kohl die Laune.

Wallmanns Amtsnachfolger Töpfer (CDU) setzte dagegen zahlreiche Änderungen der Umweltgesetze durch. Kläranlagen wurden ausgebaut, Braunkohlekraftwerke mit Filtern ausgestattet. Unvergessen bleibt auch Töpfers Bad im Rhein. Aktionismus für die einen, eine Zeit wichtiger Anfänge für andere. Das Waldsterben wurde ab 1984 bundesweit erfaßt. Flächenstillegungsprämien entschärften die Belastung in der Landwirtschaft. Die Dünnsäureverklappung in der Nordsee endete. Und auch das Dosenpfand und der Katalysator als Pflicht im Auto seit den 90ern gehen auf Unionsentscheidungen dieser Epoche zurück.

Foto: Sünder? Aktionen gegen CDU/CSU sind bei Umweltschützern beliebt.

 

Zeitzeugen

Baldur Springmann - 1912 geboren stellte Springmann schon 1954 seinen Hof in Holstein auf biologisch-dynamischen Anbau um. In den 70ern stieg er zur Ikone der Umweltbewegung auf und gehörte zu den Mitbegründern der Grünen. Von ihnen trennte er sich bald wegen der Linkswendung der Partei und gründete mit Herbert Gruhl 1982 die "Ökologisch-Demokratische Partei" (ÖDP). Springmann bekannte sich auch stets zu seiner patriotischen Gesinnung. Er starb 2003.

Klaus Töpfer - Nachdem der allererste Bundesumweltminister Walter Wallmann schon nach neun Monaten aus dem Amt schied, bekleidete Klaus Töpfer diesen Posten von 1987 bis 1994. Der 69jährige gebürtige Schlesier verlieh dem Ministerium öffentliche Aufmerksamkeit. Bereits in seine Zeit fallen die Vorbereitungen für das "Kyoto-Protokoll" von 1997. Von 1998 bis 2006 war Töpfer Umweltdirektor der Vereinten Nationen in Nairobi.

Joschka Fischer - Der 1948 geborene Joseph Martin Fischer trieb sich nach dem Schulabbruch in linksradikalen Zirkeln herum und war an Übergriffen beteiligt. 1985 wurde er Umweltminister in Hessen - in der ersten rot-grünen Landesregierung überhaupt. Umweltfragen reizten ihn jedoch weniger, weshalb er 1998 bis 2005 lieber auf seinen Traumjob als Bundesaußenminister wechselte.

Angela Merkel - Heute fast vergessen, fungierte Angela Dorothea Merkel (52) im letzten Kabinett Kohl 1994 bis 1998 als Bundesumweltministerin, nachdem die heutige Kanzlerin zuvor bereits das Ressort Frauen und Jugend geleitet hatte. Im Unterschied zu Vorgänger Töpfer vermochte sich Merkel jedoch kaum als Umweltpolitikerin zu profilieren. In ihre Amtszeit fällt allerdings die Verabschiedung des "Kyoto-Protokolls" zum sogenannten Klimaschutz.


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