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10.03.07 / Zwischen Islam und USA / Mubarak versucht in Ägypten vielerlei Interessen zu dienen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-07 vom 10. März 2007

Zwischen Islam und USA
Mubarak versucht in Ägypten vielerlei Interessen zu dienen
von R. G. Kerschhofer

Tagesmeldungen aus Ägypten sind - relativ zur Bedeutung des Landes - in internationalen Medien eher selten. Weil ohnehin alles in Ordnung ist? Oder weil es steuernde Kräfte gibt? Über Terroranschläge auf Touristen, wie sie in den letzten Jahren vereinzelt vorkamen, wird natürlich berichtet, denn das paßt zum "Krieg gegen den Terror" und läßt sich trefflich verurteilen. Über verstärkte Repression - keineswegs nur gegen Extremisten - wird eher geschwiegen.

Kaum Erwähnung findet, daß auch die fundamentalistische Muslim-Bruderschaft Terror-Anschläge verurteilt - als "unislamisch", weil gegen Unbeteiligte gerichtet. Tatsächlich billigt die Bruderschaft seit Abspaltung der radikalen Gruppen Gewalt nur noch gegen "Besatzer".

Noch weniger Beachtung finden die Gründe, aus denen die Bruderschaft mehr Zulauf hat denn je: Sie betreibt Krankenhäuser, Sozialstationen und Armenspeisungen und hilft Jugendlichen bei der Arbeitsbeschaffung. Vor allem in den Augen der Unterprivilegierten, aber auch an den Universitäten erscheint sie daher glaubwürdiger als das korrupte und US-abhängige Regime. Die Kluft zwischen Arm und (Neu-)Reich hat unter Präsident Mubarak, der seit 1981 regiert, ein kaum vorstellbares Ausmaß angenommen. Dem Massenelend auf der einen Seite steht beispielloser Reichtum gegenüber - der nicht weniger provozierend wirkt, wenn er in umzäunten und bewachten Luxus-Ghettos residiert.

Internationale Beachtung fand, daß kürzlich ein "Blogger" wegen Verbreitung von Kommentaren im Internet zu vier Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Natürlich hieß es "islamischer Fundamentalismus", "Unterdrückung der Meinungsfreiheit" und dergleichen. Doch klingt das nicht sehr nach "Haltet den Dieb"? Denn überall werden Meinungen unterdrückt oder gar bestraft, wenn die wahren Machthaber (die nicht unbedingt in Regierungen sitzen müssen) ihre Interessen gefährdet sehen.

Die Sache mit dem Blogger ist insofern bemerkenswert, als dieser bis vor kurzem Student der Al-Azhar-Universität war. Vor allem aber illustriert der Fall die Gratwanderung des Regimes und seiner Justiz: Die Amerika-Hörigkeit, von den meisten Ägyptern mit Israel-Hörigkeit gleichgesetzt, und die soziale Katastrophe zwingen dazu, den Islamisten zuweilen Konzessionen zu machen - auf Kosten Dritter: Denn von den vier Jahren Gefängnis waren drei wegen Beleidigung des Islam. Und um es nicht zu "islamisch" erscheinen zu lassen, war ein Jahr wegen Beleidigung des Präsidenten.

Auf Kosten Dritter toleriert die Regierung auch die Diskriminierung und - wie Vorfälle in Oberägypten belegen - sogar die Verfolgung koptischer Christen, die zwölf bis 15 Prozent der Bevölkerung ausmachen. "Zum Ausgleich" werden die koptischen Weihnachts- und Osterfeierlichkeiten im Fernsehen übertragen.

Die Islamisierung hat auch emanzipatorische - und modische Aspekte: So gibt es tausende private "Frauenhäuser", in denen man zum Koran-Studium zusammenkommt, argwöhnisch beäugt von der allgegenwärtigen Polizei. Die Frauen sehen diese rein weiblichen Treffen - wenn Männer bei der Arbeit und Kinder in der Schule sind - als "Emanzipation". Damen "besserer Kreise" kommen ebenfalls zu solchen Parties zusammen - in privaten Salons, wo man natürlich auch islamische Mode diskutiert. Wie überhaupt beim "Kopftuch" und dem neuerdings in Ägypten wieder aufgetauchten Gesichtsschleier "Mode" mitzuspielen scheint.

Um dem Wildwuchs privater Religionsauslegung gegenzusteuern, läßt die Regierung an der Al-Azhar nun weibliche "Imame" ausbilden - die ersten 50 hatten kürzlich ihre Abschlußprüfung. Genau damit wird Al-Azhar aber noch mehr zum Instrument des Regimes und verliert an Autorität.

Mubarak kann sich ohne US-Unterstützung - unter anderem durch Überschußgetreide - nicht an der Macht halten. Das zwingt ihn zu Konzessionen im Interesse Israels - was ihn weiter diskreditiert und die Islamisten fördert. Die USA selbst sehen bei Verbündeten großzügig über Demokratie-Defizite und Menschenrechtsverletzungen hinweg und unterstreichen damit ihre Unglaubwürdigkeit. (Wenn sie nicht sogar selbst beteiligt sind: Soeben begann in Italien ein Prozeß gegen CIA-Leute, die einen Scheich nach Ägypten entführten, wo er jahrelang gefoltert wurde.) Ein Ausweg aus dem Teufelskreis ist nicht in Sicht.


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