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10.03.07 / Wehe, schlechte Nachrichten / Serie: Die Geschichte der Kommunikation / Teil I

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-07 vom 10. März 2007

Wehe, schlechte Nachrichten
Serie: Die Geschichte der Kommunikation / Teil I
von Klaus J. Groth

Mit Handy wäre das nicht passiert! Der heimgekehrte Columbus erholte sich bereits seit vier Monaten von den Strapazen der Entdeckung Amerikas, als ein Arzt aus Nürnberg im Juli 1493 König Johann II. von Portugal schrieb, seiner Berechnung nach genügten wenige Tage, um über das Meer nach China zu gelangen. Keine Ahnung hatte der Mann. Amerika war ihm in die Quere gekommen. Aber bis in die weltoffene Handelsstadt Nürnberg war die Kunde noch nicht gedrungen.

Machte sich heute noch einmal ein Columbus auf, einen Seeweg nach Indien zu finden, die Nachricht von der Entdeckung Amerikas ginge schneller um die Welt, als der Kapitän sie ins Logbuch eintragen könnte. Natürlich sponserte eine Medienanstalt die Karavelle und setzte ihr Logo auf die Segel. Von jedem Tag auf See kämen die Bilder via Satellit auf den Fernsehschirm. Und wenn dann das unbekannte Land auftauchte, wären nicht Forscher oder Seeleute zuerst am Strand, sondern ein Kamerateam samt Parabolantenne, um live die Landung in Amerika rund um den Erdball zu senden.

Das Ohr in jeder Lebenslage am Handy, die zappende Hand an der Fernbedienung, die Gedanken auf der Datenautobahn, vernetzt und verkabelt, sind wir in das Kommunikationszeitalter gerutscht.

Kulturpessimisten warnen vor Verarmung und Vereinsamung der Gesellschaft. Ihr Schreckensszenario sperrt den künftigen Multimedia-Menschen in seinen eigenen vier Wänden ein. Er wird dort lernen, arbeiten, einkaufen, seine Gesundheit checken und sich unterhalten lassen, Schwätzchen halten und wenn er Lust darauf verspürt, virtuell Fernsex treiben. Alles via PC. Einen Rechner und einen Bildschirm, mehr braucht der Mensch nicht.

Allerdings muß er lernen, neue Techniken zu beherrschen, sie für seine Zwecke zu nutzen. Doch keine Sorge, der Mensch lernt rasch. Kaum vorstellbar, daß vor gerade einmal zehn Jahren Experten eine scharfe Trennlinie in der Kommunikationstechnologie ausmachten. Die wurde folgendermaßen beschrieben: Über 65jährige können kaum ein Video bedienen, über 50jährige haben Probleme mit dem PC, über 40jährige finden keinen Zugang zum Netzwerk, 30jährige scheitern an schnellen Computerspielen. Die 20jährigen allerdings nutzen den Computer, um sich zu verabreden.

Inzwischen darf man diese Auflistung getrost vergessen. Die Jüngeren sind mit dem PC älter geworden - und die Älteren haben gelernt.

Das Schlimmste haben wir sowieso längst hinter uns - eine der kompliziertesten Leistungen, die der Mensch jemals bewältigte und die noch heute jeder beim Start ins Leben vollbringt: das Erlernen der Sprache. Nicht der Computersprache, sondern der menschlichen Sprache. Information beginnt mit Sprache, mit dem komplizierten Umsetzen von Begriffen und Tätigkeiten in abstrakte Laute, mit der Aneinanderreihung solcher Laute. Und noch komplizierter wird es bei der Umsetzung der Laute in Zeichen, in Buchstaben und Zahlen. Nur damit lassen sich Informationen speichern und ohne direkten Kontakt zwischen Absender und Empfänger weitergeben. Es ist ein permanentes Ver- und Entschlüsseln. Kommunikation ist Sprache und Schrift - und jede Menge Hilfsmittel.

Es war ein langer Weg von der Bilderschrift der Ägypter über die Keilschriften der Babylonier und der Assyrer bis zur perfekten Abstraktion der 24 Buchstaben unseres Alphabets. Dahinter stand stets der Wunsch, Mitteilung zu machen, das Verlangen, Informationen zu erhalten. Und nach Möglichkeit schneller als andere.

Zur Weitergabe von Informationen in schlichtester Form genügen Hände und Füße. Auch damit kann man reden. Wer mehr mitzuteilen hat - und das über weite Wege und ohne persönliche Anwesenheit - ersinnt Informationssysteme. An deren Anfang standen nicht ARD und NBC, aber sehr früh schon Lichtpunkte und Tonsignale. Babylonier und Perser, Chinesen und Indianer gaben Nachrichten mit Fackeln und Trommeln weiter. Das war schon Forschritt und Entwicklung.

Am Anfang wanderten die Botschaften mit den Boten. Sie waren die ersten Nachrichtenträger. Die Ägypter richteten feste Botenlinien ein. Die Perser organisierten einen Stafettenkurs, der selbst bei Nacht unterwegs war. Oder sie stellten Ketten von Rufposten auf, die sich die Nachricht stimmgewaltig zuriefen.

Die Griechen setzten Hemerodromen (Tagläufer) ein. Das griechische Botenwesen war zwar nicht so beeindruckend organisiert wie das der Perser, aber von allen Boten guter und schlechter Nachrichten stellen die Griechen den berühmtesten: den Läufer von Marathon. Er brachte 490 v. Chr. die Nachricht vom Sieg Miltiades über die Perser nach Athen. Es war eine gute Nachricht, und er bezahlte dafür doch mit dem Leben. Zu schnell war er mit der freudigen Botschaft gerannt. Immerhin, er kam zu Nachruhm. Überbringer schlechter Nachrichten kennen den nicht, Hiob ausgenommen. Aber dessen Botschaften stehen in Verruf.

Die Römer bauten gute Straßen. Die nutzten die Feldherren und die Boten. Ausreichend mit Möglichkeiten zum Wechseln der Pferde versehen, konnten auf dem cursus publicus innerhalb von 24 Stunden mehr als 300 Kilometer zurückgelegt werden. Als später dann das Straßensystem in den cursus clabularis für die Frachten und den cursus celer für den Schnellverkehr aufgeteilt wurde, blieb der cursus celer für private Boten gesperrt. Expreß-Information behielten sich die Herrscher Roms vor. Die Verlockung zur Einrichtung eines staatlichen Nachrichtenmonopols war stets sehr groß und hat in Dutzenden von Varianten die Jahrhunderte überdauert.

Mit der Antike erlosch offenbar auch das Bedürfnis nach Kommunikation. Die römischen Straßen verfielen. Man bedurfte ihrer nicht. Der Expreß-Läufer auch nicht. Ein paar Boten, die gelegentlich von Fürst zu Fürst trabten, genügten der Mitteilsamkeit offenbar. Wanderkaufleute und fahrendes Volk erzählten von der Welt rundum, mehr oder minder verläßlich. Nachprüfen konnte es ohnehin niemand. Wer ausnahmsweise wirklich etwas mitzuteilen hatte, sandte im Bedarfsfall eigene Boten aus - die Städte, die Klöster, die Ämter, alle trauten nur ihren eigenen Botschaftern.

Läufer lebten gefährlich. Sie wurden mit der Nachricht abgefangen, sie wurden beraubt. Boten der Antike vermachten ihren Kindern das Erbe, bevor sie aufbrachen. Niemand konnte sicher sein, daß Bote und Nachricht den Empfänger unbeschadet erreichen würden. Die Römer machten sich erst gar nicht selbst auf den Weg. Botendienst war bei ihnen Sklavenarbeit.

Die Klage über verlorengegangene Kuriere gehörte zum mittelalterlichen Alltag. Eine hansische Empfehlung aus dem Jahr 1399 lautete: "Besser breve ez twe, een to watere, dy ander to lande: off dy ene vorloren worde, dat dy ander jo vort queme." Wer nicht zur Sicherheit einen Boten zu Wasser und einen zu Lande senden wollte, gab unter Umständen mehrere Briefe gleichen Inhalts an einen Empfänger auf. Der Lübecker Kaufmann Hildebrand Veckinchusen schickte unter dem Datum des 29. Juni 1419 gleich vier Briefe an seine Frau. Wider Erwarten erreichten alle vier Briefe die Empfängerin in Lübeck.

Etwas Zuverlässigkeit brachte die Einrichtung fester Botenlinien. Die wichtigste Route zur Zeit der Hanse verlief über Brügge / Antwerpen-Köln-Hamburg-Lübeck-Danzig-Riga-Reval. "Willem de loeper" bediente die Strecke Brügge-Köln, während ein Bote namens Hinrich von Brügge bis Lübeck und gelegentlich darüber hinaus bis Livland lief.

Neue Botenlinien mit festen Abgangszeiten kamen hinzu, Botenordnungen sollten für mehr Verläßlichkeit sorgen. Veckinchusen, der Vierfachschreiber, mußte noch mit einer Transportzeit von Brügge nach Lübeck von elf bis 20 Tagen im Sommer rechnen. 200 Jahre später benötigte ein Brief auf dem Weg nur noch acht Tage. Und als alles noch besser und noch perfekter organisiert war, griff Thurn und Taxis nach dem Monopol. Die Hansestädte wehrten sich heftig, denn inzwischen verdienten sie mit der Kommunikation via Botendiensten viel Geld. Doch alles Sträuben half nichts. Ab ging die Post.

Während sich die Boten des europäischen Mittelalters über schlammige Wege mühten, vervollkommnete der Orient ein seit altersher bekanntes System geflügelter Boten: Den Einsatz von Brieftauben. 1171 wurde unter Sultan Nur-Ed-Din ein Brieftauben-Liniendienst über dem Vorderen Orient eingerichtet. In der staatlichen Brieftaubenzucht in Kairo flatterten bis zu 2000 gefiederte Boten. Im 15. Jahrhundert wurden staatliche Nachrichten über feste Brieftaubenlinien befördert. Alle 100 Kilometer gab es darauf Stationen. So war die Strecke Kairo-Damaskus in zwölf Abschnitte eingeteilt. Inder, Chinesen, Phönizier, Ägypter, Sumerer und Assyrer wissen vermutlich schon seit 3000 Jahren um die Fähigkeiten der Tauben als fliegende Boten. Homer berichtet von griechischen Städten, in denen Tauben in großem Umfang gezüchtet wurden. Tauben trugen aus Olympia die Botschaft von den Siegen in die Heimatorte der Athleten.

In Europa entdeckte man ihre Dienste erst am Ende des Mittelalters. Die großen Handelshäuser der Neuzeit bedienten sich ihrer, die Börsen, die Zeitungsredaktionen, die Nachrichtenabteilungen der Heere. Und selbst als die Telegrafie ihren Kinderschuhen entwuchs, flatterten noch die Tauben kommunikativ. Die Väter der Telegrafie ließen sie sogar für sich aufsteigen, um die Leistungsfähigkeit ihrer Erfindung unter Beweis zu stellen.

Lesen Sie in der nächsten Folge: Depeschen von Feuer und Wasser.

Foto: Ein Postbote bei der Arbeit: Im Heiligen Reich während des 18. Jahrhunderts


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