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17.03.07 / Schuldig ja - verurteilt nein / Russen bekennen eigene Verbrechen während sowjetischer Militärverwaltung in Deutschland 1946/47

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-07 vom 17. März 2007

Schuldig ja - verurteilt nein
Russen bekennen eigene Verbrechen während sowjetischer Militärverwaltung in Deutschland 1946/47
von Wolf Oschlies

Hätten wir damals alle Kriminellen verurteilt", erinnert sich Vladimir Schafir, nach Kriegsende sowjetischer Vize-Militärstaatsanwalt in Berlin, "dann wären alle Truppenteile in der Sowjetischen Besatzungszone ohne Offiziere geblieben." Alle? Nach Berechnungen des US-Historikers Norman Naimark nahmen über 2,5 Millionen Rotarmisten am Sturm auf Berlin teil, von denen anfänglich 1,5 Millionen in Mittel-Deutschland verblieben, die bis Februar 1947 auf 500000 reduziert wurden. Bereits am 5. Juni 1945 hatte Moskau die Bildung der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) verfügt, die aber von der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland getrennt war (wegen des schlechten Rufs der Armee, wie US-Geheimdienstler vermuteten).

Seit 1998 unterhält das Russische Staatsarchiv (GARF) beste Arbeitskontakte zum deutschen Bundesarchiv und zu US-Archiven, um endlich selber Klarheit über das chaotische SMAD-Wirken in der ersten Nachkriegszeit zu gewinnen. Daß dieses Chaos auch eine immense Korruption unter den Sowjet-Besatzern begünstigte, war zwar in Umrissen bekannt, wird aber erst jetzt von Moskauer Blättern wie dem "Kommersant" in allen boshaften Details ausgebreitet. Die haben's in sich!

Am 7. Dezember 1946 berichtete Innenminister Sergej Kruglov Stalin von der Verhaftung eines gewissen Anochin - "Kommunist, Reserveoffizier und Ordensträger" -, in dessen Gepäck und Wohnung rund 4700 Felle von Pelztieren gefunden wurden, alle geraubt aus deutschen Kürschnerein und darum von höchstem Wert auf dem Moskauer Schwarzmarkt. Wäre Ex-Besatzungsoffizier Anochin noch in der SMAD aktiv gewesen, wäre er mit einer "Parteirüge" davongekommen, so aber fiel das Strafmaß härter aus.

In Deutschland begingen Sowjetoffiziere "in unglaublichen Ausmaßen Diebstähle", erkundet heute "Kommersant"-Reporter Evgenij Shirnov, ganze Banden wurden verhaftet, aber "trotz klarer Beweise kam es zu keiner einzigen Verurteilung". Auch nicht jenes Kommandanten, der aus dem Safe einer Bank in Berlin-Tempelhof einen Koffer mit 500 goldenen Schweizer Uhren stahl, diesen trickreich in ein Flugzeug nach Moskau schmuggelte und im letzten Moment gefaßt wurde. Der Dieb war ein hochdekorierter Oberst, "den ganzen Krieg über in vorderster Linie", und darum entschieden SMAD-Obere, "ihn nicht dem Gericht zu übergeben".

Und das war die Norm. Zwar wurden nicht wenige Offiziere strafweise in die UdSSR zurück versetzt - ganz "still", wenn es sich um Generäle handelte -, aber im besetzten Deutschland geschah ihnen nichts. Es war nämlich unmöglich, der Korruption auszuweichen - für höhere Dienstgrade wegen der Verlockung, für niedere aus schierer Not. "Die Versorgung der Deutschen war weit besser als die der Sowjetsoldaten", heißt es im "Kommersant", denn die Sowjets wurden gleich dreifach über den Tisch gezogen: Offiziere stahlen Mannschaftsverpflegung und verhökerten sie auf dem Schwarzmarkt. Militärverwaltungen knöpften Offizieren überhöhte Summen für die "pajki" ab, die legendären Verpflegungspakte; diese hatten einen Wert von etwa 70 Mark, wurden aber mit 570 Mark berechnet, so daß "das Gehalt eines Hauptmanns gerade für drei pajki reichte". Schließlich waren Offiziere daheim für den Dienst in Deutschland mit phantastischen Versprechungen geködert worden, die sich dann nicht erfüllten - das Gros der Soldaten und Offiziere war schlecht verpflegt und noch schlechter uniformiert: "Keine Bettwäsche, zerrissene Mäntel, alles zum Erbarmen", beklagte sich damals Ingenieur-Hauptmann Gurjanov.

Was tun, besonders wenn man als Offizier Frau und Kinder mithatte? Beliebt waren Hamsterfahrten ins ebenfalls besetzte Polen, wo die Sowjets billiges Schmalz aufkauften und in Deutschland gegen Nahrungsmittel eintauschten. Wem solche Fahrten verwehrt waren, dem blieb nur Armeeeigentum, vor allem Benzin und die vom US-Alliierten erhaltenen Ausrüstungen, und deutsches Beutegut. Kunden fanden sich immer.

Das waren Kleinigkeiten - richtiges rotes Gangsterleben fand sich in höheren Offizierskreisen. Ex-Vizestaatsanwalt Schafir berichtete, daß er eines Tages den Kommandanten von Güstrow verhaftete und bei diesem Unmengen von Gütern und Wertsachen fand, die an "Sk." weitergehen sollten. Dahinter verbarg sich Generalmajor Michail Skosyrev, Chef der SMAD in Mecklenburg. Später untersuchte die Militärstaatsanwaltschaft dessen Haus und benötigte acht Stunden, um die dort aufgehäuften Schätze schriftlich zu erfassen. Die Juristen forderten von Verteidigungsminister Bulganin einen Strafprozeß gegen Skosyrev. Nach dreimonatigem Bedenken antwortete der Minister-Marschall im April 1947: nur Personalverfahren, aber alle Mittäter vor Gericht! Das wiederum erschien den Juristen "unsinnig", den Hautverbrecher ungeschoren zu lassen und seine Helfershelfer zu bestrafen, also wurde die ganze Angelegenheit unter den Teppich gekehrt.

Es war ja auch nur eine unter Zehntausenden, nicht einmal die schwerwiegendste - verglichen mit den 36 Tonnen Zucker, aus Armeebeständen gestohlen und von Kommandant Tolstoj in Stendal für einträgliche Geschäfte genutzt. Oder mit dem Treiben von Generalmajor Scharov, SMAD-Chef von Brandenburg, der tonnenweise gestohlenes Beutesilber auf gestohlenen Lkws in die Sowjetunion verfrachtete, endlich enttarnt wurde, aber straffrei blieb, weil er die ganze Sore rechtzeitig der Leningrader Parteiorganisation "schenkte". Oder Genosse Efremov, Außenhandelsbevollmächtigter in Chemnitz, dessen "Besitzgier sogar die der Generäle übertraf" und der nach einem kurzen Verfahren freikam, weil er zumeist "im Auftrag seiner Moskauer Chefs" gestohlen hatte.

An jedem Drei-Sterne-Gangster hingen Hunderte Familienmitglieder, uniformierte Helfer, Empfänger und Weiterverkäufer in der Heimat. "Stalin machte zwei Fehler", sagten Sowjets schon 1945, "er hat uns der Welt gezeigt und die Welt uns gezeigt." Verglichen mit Stalins ärmlicher Sowjetunion war sogar das kriegszerstörte Deutschland ein Paradies - vor dem keine Erzengel mit Flammenschwert Wache standen.


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