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17.03.07 / Stasi-Täter? Na und!

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-07 vom 17. März 2007

"Moment mal!"
Stasi-Täter? Na und!
von Klaus Rainer Röhl

Kürzlich wurde bekannt, daß die ehemaligen Opfer des DDR-Willkürsystems, die mindestens sechs Monate im Stasi-Knast gesessen haben, eine Opferrente bekommen. Bis zur Sommerpause soll darüber endgültig entschieden werden. Das monatlich zahlbare Geld soll also, 17 Jahre nach dem Fall der Mauer, den jahrzehntelangen Arrest in Stasigefängnissen wie Torgau oder Bautzen wenigstens symbolisch wiedergutmachen. Gut so! Schlecht ist, daß diese Pension ganze 250 Euro beträgt. Grotesk und grottenschlecht ist, daß es selbst diese Mini-Wiedergutmachung nur dann gibt, wenn die Opfer weniger als 1035 Euro monatlich erhalten, das heißt, wenn sie dicht an der Armutsgrenze leben. Die Opfer-Rente ist also keine Ehrenrente, sondern ein Almosen für Arbeitslose, Invalide und Sozialhilfeempfänger unter den Stasiopfern. Man faßt sich an den Kopf, glaubt es einfach nicht. Denn es ist der reine Hohn. Aber schon jammern die Gegner der Opferrente, daß dieses Gesetz den Staat etwa 48 Millionen Euro kosten soll.

Für einen anderen Personenkreis sind die Renten zu allen Zeiten gesichert und reichlich bemessen: Für die Stasi-Mitarbeiter und andere frühere Parteifunktionäre des Unrecht-Systems DDR. Bund und Länder mußten im letzten Jahr 4,1 Millarden (!) an ehemalige Beschäftigte des SED-Staates zahlen. Noch bestehende Rentenkürzungen für besonderes belastete Diener des Regimes wurden im letzten Jahr zur großen Genugtuung der gut organisierten Stasi-Funktionäre aufgehoben. Auch sie erhalten nun ihre volle, zum Teil hohe Rente für die Mühe, die sie sich jahrzehntelang als "Schild und Schwert der Partei" gemacht haben: Einschüchterung, Bespitzelung und Bedrohung der Einwohner des hermetisch abgesperrten Staates, Vernichtung ganzer Familien und Existenzen. Bis zu Mord und Totschlag und verdeckten Aktionen, deren Opfer längst tot oder unheilbar invalide sind, körperliche und seelische Krüppel. Wir haben in dem oskargekrönten Spielfilm "Das Leben der Anderen" einen vergleichsweise harmlosen Fall gesehen. Die Wirklichkeit war weit düsterer und hatte kein Happy-End.

Trotzdem wird der Stasi heute im Westen und Osten zunehmend mit Achselzucken begegnet: Der und der Abgeordnete oder gar Ministerialbeamte war ein IM des Stasi - na und?

Im Osten ist seit einiger Zeit zu beobachten: Die Stasiopfer machen sich unbeliebt, ihre Forderungen unpopulär. Die Stasimitarbeiter und -zuarbeiter, immerhin fast eine Million, also grob geschätzt jeder 17. DDR-Bewohner, werden in die gedankenlose Ostalgie einbezogen, die wehmütige Sehnsucht etlicher Bewohner nach dem nutzlosen und frustrierten, aber ruhigen und sogar gemütlichen Leben "früher". Dazu kommt ein dumpfer Haß gegen den "Westen". Stasimitarbeiter erfahren weitgehend Solidarität. Stasiopfer gelten zunehmend als suspekt, besonders wenn sie, als meistens junge Leute, alternative Lebensformen, Wohnsitten oder gar antibürgerliche (antisozialistische!) oder gar von der Norm abweichende erotische Freiheiten pflegten. Hatten sie eventuell statt des jedem Bürger vertrauten abendlichen Bierchens auch schon mal aus dem Westen stammende Drogen ausprobiert, kam ihnen gegenüber ein Gefühl des Neides, der Schadenfreude und der Ablehnung auf. Warum wollten sie es besser haben als die übrigen? Vielleicht sahen manche damals schon die Stasiaktivitäten mit klammheimlicher Freude. Heute drückt sich das Lebensgefühl in dem Achselzucken aus: Stasi - na und?

18 Jahre nach dem Fall der Mauer leben und fühlen noch immer viele Bürger der neuen Bundesländer anders als die übrigen Deutschen. Trotz aller Anpassung an den Westen, trotz Verwirklichung aller früher für unerfüllbar gehaltener Träume und Wünsche, trotz großartiger wirtschaftlicher Aufbauleistungen in einigen Bezirken und Regionen sind die meisten Menschen dort unzufrieden. Schon eine Fahrt mit der Berliner S-Bahn vom Bahnhof Zoo oder gar Wannsee zum Ost-Berliner Bahnhof Friedrichstraße gleicht einer Reise in ein unbekanntes Land. Auch heute noch, im Jahre 2007. An den Kiosken am Bahnhof Friedrichstraße kaufen die Menschen andere Zeitungen und Zeitschriften als im Westen: Das "Neue Deutschland" zum Beispiel, das frühere Zentralorgan der SED, die "Junge Welt", einst die Zeitung der FDJ, die satirische Zeitung "Eulenspiegel" und die kleine Wochenschrift "Die Weltbühne", die mit der Zeitschrift von Tucholsky und Ossietzky nichts als den Namen gemeinsam hat. Extra für den Ostmarkt gibt der Bauer-Verlag eine ganz besonders plump-populistische Illustrierte "Super-Illu" heraus, mit nackten Mädchen und nackten Tatsachen, primitiv geschildert. Ost-Berlin hat immer noch typische Kabaretts und Theater, Liedermacher und Schlagerstars. Die "Randfichten" kommen aus Thüringen, ihr Erfolg begann dort, bleibt im Osten. Und selbst die Fernsehzuschauer in Zittau und Görlitz, die früher vom Westfernsehen nur träumen konnten, warten jetzt geduldig und mit Vorfreude auf jeden alten DEFA-Schinken, den der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) regelmäßig ausstrahlt, den genießen sie wie die alten Bundesdeutschen ihre Ufa-Filme: Das waren noch Filme. Das waren noch Zeiten! Selbst die bieder gemachten DDR-Kriminalfilme mit dem beliebten Genossen Kommissar, der die Verbrechen verständnisvoll und meistens unblutig aufklärt, werden gern gesehen. So wächst nicht zusammen, was auch nicht zusammengehört. Soweit es noch DDR-Produkte von früher (wieder) auf dem Markt gibt, kauft man die. Vom für den westdeutschen Geschmack ungenießbaren Brasilkaffee bis zum süßen Krim-Sekt. Selbst alte Zahnpasta-Marken und Haushaltsgegenstände aus "Plaste" werden wieder hergestellt und finden ihre Käufer.

Auf die flächendeckende Versorgung mit Krippen und Kitas sind alle stolz.

Obwohl die Frauen früher darüber gejammert haben, daß sie arbeiten mußten. Die Gehälter waren so bemessen, daß ein einzelner keine Familie durchbringen konnte. Flächendeckend wurden die Babys in Gruppen von 30 bis 40 verwahrt und erzogen: Zu einem bestimmten Zeitpunkt "aufgetöpft" (Händchen falten, Köpfchen senken, an Genossen Ulbricht denken!), gefüttert, schlafen gelegt und geweckt. Indoktrination begann früh. Kollektive Verwahrung und kollektive Verwahrlosung.

Vielleicht ist es kein Zufall, daß nur in den neuen Ländern Millionen Menschen undemokratische oder antidemokratische Parteien wählen, die bei uns in einigen Ländern vom Verfassungsschutz beobachtet werden wie PDS (Linkspartei) und NPD.

Äußerste Wachsamkeit bricht jedesmal aus, wenn in einem der östlichen Länder die NPD ein paar Wähler gewinnt, auf örtlicher Ebene Erfolge hat. Wehret den Anfängen. Mehr Demonstrationen, mehr Geschichtsunterricht, mehr Gedenkstätten, Aufklärung der Jugend über die Gefahren. Aber Aufklärung über Honeckers Terror-Regime - Fehlanzeige. Der Mauerbau, nach Ansicht eines Vorstandsmitglieds der PDS, eine gute Sache.

Gysi und seine SED light - kein Thema. Hier bitte nicht den Anfängen wehren. Sondern einen Schlußstrich ziehen. Die fast eine Million Spitzel einbeziehen. Integrieren. Über die Mauertoten nicht so viel Geschichtsunterricht. Möglichst keine neuen Museen mehr an der Mauer. Gekürzte Gedenkstunden, gestrichene Gedenktage. Versöhnen! Die Stasi-Mitarbeiter nicht ausgrenzen, bitte. Auf die Menschen zugehen. Die Talkshows gehen mutig voran. Markus Wolf, bis zu seinem Tode 26mal in der Talkshow, Sahra Wagenknecht 17mal, Gysi - immer.

Totalitäre Parteien - grauenhaft. Stalin und Hitler waren Massenmörder. Aber die DDR? Die "Zeit" rechnet die Todesopfer neuerdings getrennt ab. Da stehen den Massenmorden der Nationalsozialisten nur 600 Todesopfer des SED-Regimes gegenüber, Erschießungen, Todesurteile, Morde von Stasiagenten. Praktisch - nichts. Das stärkt das "Na und?"-Gefühl natürlich gewaltig. Sollte es vielleicht auch.

Dem gegenüber steht nur die Wahrheit. Und an sie sollte tatsächlich durch mehr Geschichtsunterricht und Gedenkstätten erinnert werden: an die Opfer des kommunistischen Terrors. Das Sowjetsystem mit Maos China und Pol Pots Kambodscha stellte weltgeschichtlich eine Einheit dar, in der die DDR ein integraler und sogar besonders gut funktionierender Bestandteil war. Das System war mörderisch. Es brachte, nach dem "Schwarzbuch des Kommunismus", mehr als 20 Millionen Menschen den Tod, dem Rest "nur" Elend. Das grinsende, also maskenhafte "Na und?"-Gefühl gegenüber der SED und der Staatsicherheit erweist sich als ein Grinsen über 80 Millionen Tote.

Und durch Deutschland geht ein tiefer Riß. Dafür gibt es keinen Kompromiß.

Foto: Berühmter DDR-Häftling ohne Rentenanspruch: Der langjährige Fernsehmoderator der Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst", Eduard Zimmermann, besucht die Gedenkstätte Bautzen II. Hier war er viereinhalb Jahre als "Spion" inhaftiert.


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