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24.03.07 / Stein des Anstoßes / Moskau empfindet US-Raketen-Abwehr in Polen und der Tschechei als Provokation

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-07 vom 24. März 2007

Stein des Anstoßes
Moskau empfindet US-Raketen-Abwehr in Polen und der Tschechei als Provokation
von Pierre Campguilhem

Ende Februar waren alle Hürden genommen, die polnische und die tschechische Regierung hatten der Aufstellung des US-amerikanischen Abwehrsystems "Early Warning" auf ihrem jeweiligen Staatsterritorium zugestimmt. Bis 2011 sollten eine Radaranlage in Tschechien und eine Gruppe von zehn Abwehr-Raketen in Polen in der Nähe von Gdingen an der Ostsee aufgestellt werden. Darauf hat der russische Generalstab scharf reagiert, denn Moskau bezichtigt Washington, damit seine Baltische Flotte und Teile seines Territoriums beobachten und kontrollieren zu wollen.

Nach Meinung des Kremls war 2002 durch ein in Rom unterzeichnetes Abkommen über die Beziehungen zwischen Rußland und der Nato vereinbart worden, daß die beiden Parteien sich über die Modalitäten eines gemeinsamen Abwehrsystems verständigen würden. Moskau droht angesichts der aktuellen Pläne aus Washington, den INF-Vertrag über den Verzicht auf nukleare Mittelstreckenraketen, der 1987 von Reagan und Gorbatschow unterzeichnet worden ist, zu kündigen, um neue Raketen aufzustellen, die trotz "Early Warning" den osteuropäischen Teil des Nato-Gebiets erreichen könnten.

Bundesverteidigungsminister Jung mahnt zur Vorsicht und verlangt eine stärkere Rolle der multilateralen Gremien der Nato, die eher als das Pentagon ein Übereinkommen mit Moskau in dieser strittigen Frage erzielen könnten.

Nach Ansicht des französischen Strategieexperten General Pierre-Marie Gallois, einem der Haupttheoretiker der nuklearen Abschreckung, würde ein etwaiger Wahlsieg der Demokraten 2008 nichts an dieser Politik der USA ändern. Seit 1950 besteht die US-Strategie in der Sicherung von Energiequellen, egal ob die Republikaner oder Demokraten am Ruder sind. Durch Chinas Aufstieg und die Möglichkeit der Bildung neuer Blöcke nach dem Vorbild der aus der Volksrepublik sowie Rußland, Usbekistan, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan bestehenden Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) mit Sitz in Peking sehen sich die USA genötigt, eine Strategie "nach vorn" zu entwickeln, dieses um so mehr, als sie sich damit Stützpunkte in Europa an der Grenze zur Russischen Föderation verschaffen können.

Obwohl Basen des US-Abwehrsystems "Early Warning" bereits in Alaska und Kalifornien aufgebaut sind, rechnet man damit, daß die Realisierung des gesamten Vorhabens etwa zehn Jahre brauchen werde. Dann sei das System vollständig einsatzfähig.

Nach Ansicht Gallois' besteht das Hauptanliegen der USA darin, China einzukreisen, und zu verhindern, daß islamische Staaten, welche die US-amerikanische Vorherrschaft ablehnen, sich mehr nach Peking oder Moskau orientieren. Gallois sieht dabei die Herausforderung für die USA eher in China als in Rußland, da er den Chinesen eher eine langfristige fundierte Strategie zutraut. Von einem rein europäischen Abwehrsystem hält Gallois nicht viel, da die Europäer wegen der Energieversorgung von Rußland abhängig seien und nicht das Risiko eingehen wollten, durch ein eigenes Abwehrsystem den Mißmut des Kreml zu erregen. Es sei aber trotzdem nicht ausgeschlossen, daß das Programm "Early Warning" zu einem Bruch zwischen Westeuropa und Rußland führe.

Im Gegensatz zu Gallois spricht sich dessen Landsmann Bernard Lavarini, der Vater der Laserwaffe, für einen rein europäischen Schutzschild aus. Nach seinen Berechnungen würde ein solches Vorhaben den in der Verteidigungsbranche beschäftigten 550000 Europäern langfristig den Arbeitsplatz sichern. Eine Zusammenarbeit zwischen europäischen Staaten, die eine Nuklearindustrie haben, und anderen, die der Kernindustrie eine Absage erteilt haben, sei dabei möglich. Der Vorschlag Lavarinis stößt allerdings auf starke Vorbehalte in der britischen Verteidigungsindustrie, die eher nach den USA als nach dem Festland schielt. Lavarini schätzt, daß die Entscheidung für ein europäische Abwehrsystem fallen werde, sobald der Iran über Atomwaffen verfüge, aber auch nur dann.

Foto: Bis jetzt nur mobil: Soldaten der US-Army mit einem fahrbaren Patriot-Raketen-Abwehrsystem in Europa


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