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24.03.07 / 14 Jahre und im Vollrausch / Bewahrt Alkoholverbot für Minderjährige Jugendliche vor der Sucht?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-07 vom 24. März 2007

14 Jahre und im Vollrausch
Bewahrt Alkoholverbot für Minderjährige Jugendliche vor der Sucht?
von Rebecca Bellano

Lieber den Magen verrenken, als dem Wirt etwas schenken" - dieser Volksweisheit werden wohl die meisten zustimmen, doch seit einigen Wochen ist dieses Motto in Verruf geraten. Es geht um sogenannte "flatrate"-Partys, die in immer mehr Großraumdiskotheken auf dem Programm stehen. Hier können die jungen Partygänger für rund 15 Euro bei Männern und 13 Euro bei Frauen so viel Alkohol trinken, wie sie wollen. "Saufen bis der Arzt kommt" also - und der kommt tatsächlich immer öfter, da die jungen Leute ihre Grenzen nicht kennen. Nachdem ein 16jähriger Berliner sich mit 50 Tequilla ins Koma gesoffen hat, wird jetzt von Politikern heiß diskutiert, ob man Alkohol erst ab 18 Jahren freigeben sollte.

Fakt ist, daß laut Statistiken des Bundes die Zahl der Klinik-Einlieferungen der 15- bis 25jährigen aufgrund von Alkoholmißbrauch rasant gestiegen ist: Wurden im Jahr 2000 16731 Jugendliche wegen einer Alkoholvergiftung behandelt, waren es 2004 bereits 24810. Nach Angaben der Techniker Krankenkasse landeten 2006 drei von 1000 Jugendlichen zwischen 15 und 20 Jahren mit einem Vollrausch oder einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus, fast doppelt so viele wie 2001. Alkoholbedingte Notfälle bei Jugendlichen stiegen nach Angaben der Krankenkasse um 72 Prozent an. Dabei werden die Rauschpatienten immer jünger. Nach EU-Angaben machen Jugendliche ihre erste Alkohol-Erfahrung im Schnitt mit zwölf Jahren, den ersten Vollrausch erleben sie mit 14 Jahren. Gleichzeitig sollte aber nicht unerwähnt bleiben, daß der Alkoholkonsum bei Jugendlichen in den vergangenen 30 Jahren insgesamt gesunken ist. Es ist vielmehr so, daß sich die Jugend aufteilt in die große Mehrheit, die früh zwar hin und wieder trinkt, aber durchaus ihre Grenzen kennt, und in jene Minderheit, für die Party gleichzusetzen ist mit Komasaufen und für die Alkohol auch im Alltag standard ist.

Bisher dürfen Jugendliche in Deutschland nach dem Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit ab 16 Jahren Wein, Bier und Sekt in Gaststätten konsumieren und im Supermarkt kaufen. Spirituosen sind erst ab 18 Jahren erlaubt.

Wenn es nach der öffentlichen Diskussion geht, soll nun auch Bier, Wein und Sekt erst ab 18 Jahren verkauft werden dürfen. Ein Blick in europäische Länder, in denen diese Regel schon gilt, zeigt allerdings, daß es wenig bringt. Teilweise sind die Saufgelage der Minderjährigen noch drastischer als bei uns, denn verbotene Kirschen schmecken immer besser.

"Für mich war es nie ein Problem mit 16 Jahren, ja sogar schon mit 14 Jahren an Alkohol zu kommen", so eine heute 19jährige Schülerin. "Irgendwie war immer ein älterer mit in der Clique, der den Alkohol besorgt hat. Und als ich 16 Jahre war, zeigte ich an der Supermarktkasse meinen Ausweis vor, und wer glaubt, daß die Kassiererin sich die Mühe macht und nachrechnet, ob ich schon 18 Jahre bin, der irrt. Der reicht der Ausweis und gut."

Demnach würde eine Heraufsetzung des Mindestalters für den Alkoholbezug auf 18 Jahre also nicht viel bringen. Es würde nur den Staat aus der Verantwortung nehmen und sie noch mehr auf Supermärkte, Tankstellen, Gaststätten und Diskotheken verlagern. Diese werden so jedoch noch mehr zum Polizisten und Täter in einer Person, denn schließlich wollen sie ja Umsatz machen. Außerdem ist bei sogenannten "flatrate"-Partys die Minderjährigkeit der Gäste kein Problem, denn die Diskobetreiber wollen sich schließlich nichts nachsagen lassen und kontrollieren hier äußerst gewissenhaft das Alter ihrer Gäste. Doch ist es letztlich nicht gleich, ob der sich ins Koma gesoffene junge Mensch 17 Jahre und 11 Monate oder 18 Jahre und ein Tag alt ist? Es ist die grenzenlose Freiheit, zu trinken bis der Arzt kommt, die die gefährdeten Jugendlichen der Gegenwart nutzen.

"Die entsprechende Klientel hat noch nie mit ihren Eltern einen Kuchen gebacken. Wer glaubt, daß diese Eltern ihren Kindern sagen, wo Grenzen beim Alkoholgenuß sind, der erwartet zuviel. Häufig trinken die Eltern dieser Kinder ja selber", klagt eine Sonderschulpädagogin. Hier schlägt sich die Entwicklung nieder, daß seit zwei Jahrzehnten die bürgerliche Mittelschicht immer weniger Kinder bekommt und der Anteil der Unterschichtskinder zunimmt. Somit werden die bekannten Unterschichtsprobleme offensichtlicher.

Also müssen die Schulen besser aufklären? Doch Alkohol zu verteufeln wäre der falsche Weg, da die Jugendlichen ja sehen, daß unsere Kultur über Jahrhunderte vom Alkoholgenuß geprägt wurde. Was wäre das Oktoberfest ohne eine Maß Bier oder die Mosel ohne Wein? Außerdem müssen Jugendliche auch ihre Grenzen austesten. Und ob sie diese mit 16 oder mit 18 Jahren austesten, ist letztendlich unwesentlich. So mancher Großvater erzählt schließlich noch heute, wie er mit 14 Jahren seinen ersten Vollrausch hatte. Doch jener muß ein Einzelerlebnis im Prozeß des Austestens bleiben. Grenzen erkennen und dann einhalten, lautet die Devise. Ob dies nun im Keller der Eltern, auf dem Dorfplatz oder der Großraumdiskothek geschieht, ist am Ende egal.

Foto: Keine Scheu vor Hochprozentigem: Immer mehr Alkoholvergiftungen bei Jugendlichen

 

Zeitzeugen

Boris Jelzin - Der ehemalige Präsident der Russischen Föderation (1991-1999) ist für seinen Alkoholkonsum berüchtigt. Im September 1994 erschien er bei einer Zwischenlandung in Irland nicht zum vereinbarten Treffen mit dem irischen Ministerpräsidenten. Später wurde mitgeteilt, der Präsident habe geschlafen. Bei anderen Staatsbesuchen machte er einen verwirrten Eindruck.

Harald Juhnke - (1929-2005) Das "Berliner Original" fiel 1959 erstmals wegen Trunkenheit am Steuer auf. Der Schauspieler, Sänger und Entertainer durchlebte seither Alkoholabstürze, die seinen Erfolgen auf der Bühne schadeten und ihm Regreßforderungen von Arbeitgebern einbrachten. Das Publikum liebte ihn. 1995 verarbeitete er seinen Alkoholismus filmisch in "Der Trinker". 2000 kam der letzte Absturz - er erholte sich nicht mehr, starb im Pflegeheim.

Al Capone - (1899-1947) In Chicago kontrollierte er die Unterwelt, verdiente während des Alkoholverbots in den USA (Prohibition) am Handel mit Alkohol. Capone wurde zum Sinnbild der Mafia, die wiederum erst durch das totale Alkoholverbot der 20er Jahre zu enormen Geldvermögen gelangte.

Mohammed - (zirka 570-632) Der Religionsstifter des Islam lebte in einer arabischen Umgebung, die Alkohol durchaus schätzte. Im Laufe der Zeit verurteilten er sowie die islamische Überlieferung den Konsum immer deutlicher (Scharia: 40 bis 80 Peitschenhiebe). Grund ist der Legende nach, daß Mohammeds Gegner vor allem in den Weinhäusern Mekkas den Propheten verspotteten. In der islamischen Geschichte ist das absolute Verbot jedoch nie so strikt angewendet worden.

Christoph Daum - (*1953) Der deutsche Fußballtrainer sollte 2000 Trainer der Fußballnationalmannschaft werden, als der Vorwürf erhoben wurde, er habe harte Drogen konsumiert. Daum beteuerte seine Unschuld, gab freiwillig eine Haarprobe ab, mit der allerdings eindeutig sein Kokainkonsum nachgewiesen wurde. Daum mußte seine Bundesliga- wie Nationalmannschaftspläne aufgeben, ging ins Ausland. Ein Gerichtsverfahren wurde eingestellt.


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