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24.03.07 / Estland entledigt sich sowjetischer Denkmäler / Russische Minderheit im Land wertet die Aufarbeitung der roten Fremdherrschaft als Angriff gegen sich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-07 vom 24. März 2007

Estland entledigt sich sowjetischer Denkmäler
Russische Minderheit im Land wertet die Aufarbeitung der roten Fremdherrschaft als Angriff gegen sich
von M. Rosenthal-Kappi

Nachdem das estnische Parlament ein Gesetz verabschiedet hatte, das unter anderem die Entfernung des Denkmals zu Ehren der gefallenen sowjetischen Soldaten in Tallinn - des "Bronzenen Soldaten" - verlangt, kam es am Vortag des estnischen Unabhängigkeitstages (24. Februar) zu Raufereien zwischen Anhängern der Konstitutionspartei (sie vertritt die Interessen der russischen Bevölkerung Estlands) und der Estnischen Nationalen Bewegung.

Laut Gesetzestext sollen alle Bauten, "die Zwietracht entfachen und Staaten erhöhen, die Estland okkupiert haben", in Zukunft verboten werden. Für die Esten war die Sowjetunion solch ein Staat. Das Gesetz sieht auch ein Verbot von Denkmälern vor, "die Personen rühmen, die in erheblichem Maße das estnische Volk unterdrückt haben oder in großem Umfang estnische historische Orte ausgeplündert haben".

Eine weitere Gesetzesänderung des Riigikogu (estnisches Parlament) widmet den Feiertag am 22. September um. Er soll nicht mehr an die sogenannte Befreiung Tallinns vom Faschismus durch die Sowjettruppen erinnern, sondern an die Freiheitskämpfer, die sich gegen die Rote Armee gewehrt haben. Für diese Änderung stimmten 63 von 101 Abgeordneten, acht waren dagegen.

Diese Entscheidung hat zu empörten Reaktionen von russischer Seite geführt, in der Presse war von "verheerenden Auswirkungen auf die zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen Rußland und Estland" zu lesen, es hieß, die russische Staatsduma habe bereits wirtschaftliche Sanktionen gegen Estland in Erwägung gezogen oder die Unterbrechung von Gaslieferungen.

Bis zur Unabhängigkeit Estlands von der Sowjetunion versammelten sich am "Tag der Unabhängigkeit" traditionell Menschen am Denkmal des bronzenen Soldaten, um Kränze und Blumen niederzulegen. Nach der sogenannten Befreiung Tallins vom Faschismus fiel ganz Estland unter die rote Okkupation. Der 24. Februar wurde von den Sowjets als estnischer Nationalfeiertag eingeführt (anknüpfend an die estnische Unabhängigkeitserklärung vom 24. Februar 1918), an dem obligatorisch Kranzniederlegungen an Kriegerdenkmälern und Militärparaden stattfanden.

In diesem Jahr gab es in Tallinn keine Militärparade. Statt dessen kam es am Denkmal des Bronzenen Soldaten zu handfesten Auseinandersetzungen. Kriegsveteranen wollten dort wie immer ihre Blumen und Kränze niederlegen. Dazu gesellten sich estnische Nationalisten, die Kränze mit der Aufschrift "Den Mördern des estnischen Volkes" dort ablegen wollten.

Die Polizei mußte die prügelnden Gruppen trennen. Die Regierung sah sich gezwungen, die Feierlichkeiten in die Stadt Tartu zu verlegen.

Schon seit längerem gibt es in Estland einen sehr emotional ausgetragenen Streit um die Vergangenheitsbewältigung des Landes. Als eines der baltischen EU-Beitrittsländer tritt Estland besonders westlich orientiert auf; es scheint so, als wollte man ohne Verzug mit der ungeliebten Geschichte der Sowjetbesatzung, unter der die Esten besonders zu leiden hatten, aufräumen. Nach 1944 siedelten die Sowjets vor allem Russen, aber auch andere Nicht-Esten im Lande an, erklärten Russisch zur Landessprache, so daß alles Estnische verdrängt wurde.

Heute sind die Russen, die von den Sowjets nach dem Zweiten Weltkrieg in Estland angesiedelt wurden, meist staatenlos, wenn sie nicht die estnische Staatsbürgerschaft angenommen haben. Diese können sie jedoch nur bei ausreichenden Estnisch-Kenntnissen erhalten.

Knapp ein Drittel der Bevölkerung Estlands sind ethnische Russen.

Immer wieder kommt es zu Protestaktionen gegen Gesetze des estnischen Parlaments, wie auch gegen das jüngste über die "Entfernung verbotener Bauwerke".

Eigentlich müßte die Regierung innerhalb von 30 Tagen nach Verabschiedung des Gesetzes dafür sorgen, daß das Denkmal des "Bronzenen Soldaten" entfernt wird, doch Präsident Hendrik Toomas Ilves hat es bislang noch nicht unterzeichnet, weil es in einigen Punkten verfassungswidrig sei.

Dennoch richtete auch er deutliche Worte an die Adresse Moskaus, indem er es abscheulich nannte, "sich von der Verantwortung für den Tod Tausender und Abertausender Esten und der Deportation Zehntausender Esten freisprechen" zu wollen.

Er reagierte damit auf den Vorwurf aus Rußland, "faschistische" Parteien hätten das Thema für die estnischen Parlamentswahlen mißbraucht. Deshalb geht Moskau davon aus, daß es sobald nicht umgesetzt werden wird, zumal das Gesetz in Estland selbst nicht unumstritten ist.

 

Unterhalt für sowjetische Denkmäler in Deutschland ist Ländersache

Im Vertrag über "gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit" zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion vom 9. November 1990 hat sich die Bundesregierung verpflichtet, die sowjetischen Kriegsgräber auf deutschem Boden zu pflegen und Denkmäler, "die den sowjetischen Opfern des Krieges und der Gewaltherrschaft gewidmet sind" zu achten. "Pflege" und "Achtung" bedeutet, daß die Bundesrepublik Deutschland "auf ihre Kosten die Erhaltung und Pflege russischer Kriegsgräber im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland" leistet. Zur Erhaltung und Pflege gehören auch die Unterhaltung der Anlagen, die Grundinstandsetzung sowie die Verkehrssicherung.

In Berlin ist für die Sanierung sowjetischer Denkmäler die Senatverwaltung für Stadtentwicklung zuständig. Allein die Grundinstandsetzung des Sowjetischen Ehrenmals im Treptower Park kostete 11,6 Millionen Euro. Die Arbeiten umfaßten das Bauhauptgewerbe, Natursteinarbeiten, Dämm- und Dichtungsarbeiten, Sanitärleistungen sowie Elektro- und Metallbauarbeiten. Der Bund stellt jährlich im Rahmen des Hauptstadtkulturvertrages rund eine Million Euro im Bundeshaushalt zur Verfügung.

Gemäß der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes sind für Errichtung, Einrichtung und den Erhalt von Denkmälern und Gedenkstätten die Bundesländer zuständig. Der Bund kann sich jedoch auf der Grundlage der Gedenkstättenkonzeption an der Finanzierung beteiligen, für "Gedenkorte, die den Opfern sowjetischer Gewaltpolitik auf deutschem Boden gewidmet sind" mit einem 50prozentigen Anteil.

Im Gegenzug hat die Regierung der Russischen Föderation sich verpflichtet, entsprechend dem bilateralen Kriegsgräberabkommen "für die Vergangenheit und Zukunft kostenlos und auf unbegrenzte Dauer" die als Kriegsgräberstätten dienenden Geländeflächen als Ruhestätten für die deutschen Kriegstoten zu überlassen.


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