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24.03.07 / Die weltgrößte Propagandashow / Olympia 2008 soll ein modernes China präsentieren, mögliche Kritiker werden bereits jetzt ausgeschaltet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-07 vom 24. März 2007

Die weltgrößte Propagandashow
Olympia 2008 soll ein modernes China präsentieren, mögliche Kritiker werden bereits jetzt ausgeschaltet
von Albrecht Rothacher

In knapp 500 Tagen ist es soweit. Über die Fertigstellung der futuristischen Sportstätten braucht sich niemand Sorgen zu machen. Tag und Nacht wird an sieben Tagen der Woche gebaut. Stadtteile wurden abgerissen, um Stadtautobahnen und Hotels zu weichen. Vom historischen Peking werden die Besuchermassen in ihren sterilen Unterkünften und Arenen nichts mehr mitbekommen. Auch die anderen Austragungsstätten: Hongkong (Pferdesport), Tsingtao (Segeln) und die Fußballstadien von Schanghai, Tianjin, Shenjang und Qiuhuangdao sind ähnlich ultramodern. Die Verkehrsschilder sind alle zweisprachig. Das gesamte Personal bekommt 100 Sätze auf Englisch beigebracht, so daß niemand verlorengeht. Hundefleisch und Bärentatzen werden von den Speisekarten genommen, und es herrscht Spuckverbot. Wanderarbeiter, Obdachlose und Petitionsdemonstranten werden im August 2008 aus den olympischen Städten vertrieben werden. Zivilstreifen und Geheimdienst werden dafür sorgen, daß politische oder religiöse Proteste ausbleiben. Die Methoden wurden bei den Asienspielen 1990 bereits erfolgreich geprobt.

Damit niemand auf falsche Ideen kommt, läßt Partei- und Staatschef Hu Jintao jetzt schon die Daumenschrauben anziehen, die Internet- und Pressezensur verschärfen und die üblichen Verdächtigen einsperren, oder, sofern nicht opportun, lückenlos überwachen. Jiao Guobiao, ein Journalismusprofessor und Kritiker der Pressezensur meint: "Für alle, auf die diese Regierung ein Auge geworfen hat, bedeuten diese Spiele schlichtweg eine Katastrophe. Sie werden wie ich 24 Stunden überwacht. Alle, die nach Peking kommen, um Petitionen abzugeben, werden wahrscheinlich inhaftiert oder aus der Stadt geschafft werden." Daß Merkel dem chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao gegenüber beim Besuch in Berlin 2006 die Pressefreiheit "einen ganz wichtigen Punkt" nannte, dürfte die Pekinger Führung nicht beeindruckt haben, denn das neue Pressegesetz unterwirft auch die Berichterstattung von Auslandskorrespondenten und Nachrichtenagenturen der Zensur. Wer sich während der Spiele mit Informanten treffen will, dürfte in Peking ohnehin nur an Geheimdienstmitarbeiter geraten.

Sicherheitspolitisch ist also alles für eine ungetrübte Propagandaschau im Stile von Moskau 1980 oder Berlin 1936 bestens vorbereitet. Doch droht Ungemach an zwei Fronten: Die Sandstürme aus dem sich ausbreitenden Wüstengürtel im Westen Pekings lassen sich mit dem gepflanzten Baumgürtel kaum aufhalten. Und schließlich an der Außenfront: Nordkorea, das immer für Überraschungen gut ist, wenn es sich nicht beachtet fühlt, und Taiwan, dessen politisch angeschlagener Präsident Chen Shui-bian die Gunst der Stunde für eine symbolische Geste wie die Umbenennung der Landes von "Republik China" in "Taiwan" oder gar eine Unabhängigkeitserklärung nutzen könnte, wohl wissend, daß China während der Spiele keinen Krieg, den es angedroht hat, gebrauchen kann. Allerdings könnte China sich nach den Spielen rächen. 800 Raketen hat es auf Ziele in Taiwan gerichtet. Darunter befinden sich in Taipeh das höchste Gebäude der Welt sowie der Ölhafen und die Raffinerien von Kaohsiung, deren Beschuß Taiwan den Energiehahn abdrehen würde.

Allerdings scheint es momentan eher unwahrscheinlich, daß der von Korruptionsvorwürfen belastete Chen Shui-bian im März 2008 als Präsident Taiwans wiedergewählt wird. Sollte einer seiner Gegenspieler von der Kuomintang, der Partei der großchinesischen Nationalisten, gewinnen, ist das Unabhängigkeitsthema wieder vom Tisch.

Aktuell geht der Streit mit China um den Lauf der olympischen Fackel. Sie soll nach dem Willen Taipehs von Taiwan weiter nach Japan oder Korea getragen werden, um Taiwans souveränen Status zu unterstreichen, keinesfalls, wie von Peking beabsichtigt, von und nach dem Festland, als sei Taiwan ein Teil Chinas. Dazu wird Taiwan vom IOC verlangen, seine olympische Bezeichnung "Chinesisch Taipeh", in "Taiwan" umzubenennen. Zur Not droht man mit dem Boykott.

Foto: Kurz vor der Fertigstellung: Chinesische Arbeiter stampfen hochmoderne Stadien aus dem Nichts. In anderen Bereichen herrscht weniger Dynamik.


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