28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
24.03.07 / Zum Weinen wahr / Polin rettet 2500 jüdische Kinder aus Ghetto

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-07 vom 24. März 2007

Zum Weinen wahr
Polin rettet 2500 jüdische Kinder aus Ghetto

Dies ist die außergewöhnliche Lebensgeschichte einer bewundernswerten, unglaublich mutigen und starken Frau, die rund 2500 jüdische Kinder aus dem Warschauer Ghetto gerettet hat: Irena Sendler, geboren am 15. Februar 1910 in Warschau. Ihr Vater war Arzt aus Leidenschaft, engagierte sich sozial und trat für die Unabhängigkeit Polens ein. Er beteiligte sich an der Revolution von 1905 und kämpfte für die Rechte der polnischen Studenten. "Mein Vater starb, als ich sieben Jahre alt war. Aber ich prägte mir für immer seine Worte ein, daß man die Menschen in gute und böse einteilt. Nationalität, Rasse, Religion haben keine Bedeutung. Nur was für ein Mensch jemand ist. Der zweite Grundsatz, den man mir seit meiner Kindheit beibrachte, war die Pflicht, dem Ertrinkenden die Hand hinzustrecken, jedem Menschen, der in Not geraten ist", so Irena.

Nach dem bestandenen Abitur wollte sie Sozialpädagogik studieren, aber diesen Studiengang gab es an der Warschauer Universität damals noch nicht, und ein Auslandsstudium war für die Familie nicht finanzierbar. Sie nahm ein Jurastudium an der Warschauer Universität auf, wechselte dann aber an die humanistische Fakultät, um Polonistik und Pädagogik zu studieren. Es war eine unruhige Zeit an der Universität: Irena Sendler kämpfte für eine Senkung der Studiengebühren und gegen antisemitische Ausschreitungen, dafür wurde sie von der Universität suspendiert. Trotz erheblicher Schwierigkeiten konnte sie 1939 schließlich ihre Magisterprüfung ablegen. Eine Anstellung fand die engagierte junge Frau bei der Mütter- und Kinderhilfesektion des Bürgerkomitees für Sozialhilfe. Dort half man Bedürftigen, die medizinische, juristische und materielle Hilfe benötigten. "Vom ersten Tag meiner Arbeit an war ich von der herzlichen Atmosphäre, der Menschenliebe, der Absicht, die Idee des Guten und der sozialen Gerechtigkeit in aller Welt zu verbreiten, begeistert."

Im Zweiten Weltkrieg engagierte sich Irena Sendler in der konspirativen sozialistischen Partei, wo man sogenannte Judenhilfezellen gründete. Im November 1940 wurde das Warschauer Ghetto zum Sperrgebiet erklärt. Die mehr als 400000 Menschen lebten dort in ständiger Verzweiflung und Angst. Für Irena Sendler (unter dem Decknamen Schwester Jolanta) war es eine Selbstverständlichkeit, Kinder unterschiedlichen Alters aus dem Ghetto hinauszuschleusen und ihnen ein Leben auf der "arischen" Seite zu ermöglichen. Mit Hilfe verschiedener Untergrundorganisationen und ihrer Verbindungsfrauen wurden die Kinder in polnischen Familien, teils in klösterlichen und weltlichen Pflegeheimen untergebracht. Es mußten Dokumente, falsche Geburtsurkunden für die Kinder und authentische Kennkarten für die Erwachsenen ausgestellt werden. Dabei halfen die Kontakte zu Pfarrämtern und zum Einwohnermeldeamt. Die Kinder wurden auf den abenteuerlichsten Wegen, in Feuerwehrautos, Ambulanzen oder in der Straßenbahn aus dem Ghetto geschmuggelt. Ältere Kinder wurden zusammen mit Arbeitskolonnen hinausgebracht. Einige Kinder wurden sogar in Säcken, Kartons und Körben hinausgetragen. Auch Abwässerkanäle dienten als Fluchtwege. Viele kirchlichen Institutionen unterstützten Irena Sendler bei ihrer Arbeit. "Kein Priester und keine Nonne haben mir jemals Hilfe bei der Rettung jüdischer Kinder verweigert." Auch während des Aufstands im Warschauer Ghetto halfen Irena und ihre Mitarbeiter von draußen denjenigen, die aus dieser Hölle fliehen konnten.

"Die Mutter der Holocaust-Kinder" von Anna Mieszkowska dokumentiert auf eindrucksvolle Weise den verzweifelten und fast aussichtslosen Kampf der Irena Sendler ums Überleben der Kinder im Warschauer Ghetto. Dieses Buch ist schockierend, zum Weinen, schrecklich und wahr, aber ein wichtiger Beitrag zur jüngsten Geschichte. B. Mußfeldt

Anna Mieszkowska: "Die Mutter der Holocaust-Kinder", dva, München, geb., zahlr. sw Fotos, 318 Seiten, 22,90 Euro, Best.-Nr. 6104


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren