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24.03.07 / Die Massenkommunikation beginnt / Serie: Die Geschichte der Kommunikation / Teil III und Schluß

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-07 vom 24. März 2007

Die Massenkommunikation beginnt
Serie: Die Geschichte der Kommunikation / Teil III und Schluß
von Klaus J. Groth

Als die Schwenkarme der optischen Telegrafie noch nicht einmal klapperten (die erste Linie wurde 1793 errichtet), da experimentierten Wissenschaftler und Laien bereits geraume Zeit mit der elektrischen Telegrafie. Der Schotte Charles Marshal schlug bereits 1753 den ersten Telegrafen vor: Das Gerät sollte so viele Drähte haben, wie das Alphabet Buchstaben. Der Strom, über die entsprechende Leitung geschickt, sollte beim Empfänger Papierplättchen mit den Buchstaben anziehen. Ähnlich arbeitete auch ein Gerät, das Louis Lesage 1782 in Berlin vorstellte.

Geworden ist daraus ebenso wenig wie aus dem von Samuel Thomas von Sömmerring 1809 vorgestellten Telegrafen. Dabei war das Gerät, wie Experten heute bescheinigen, durchaus funktionstüchtig. Sömmerring war vom bayrischen Kriegsministerium beauftragt worden, eine optische Telegrafenverbindung nach französischem Vorbild zu bauen. Da er sich mit galvanischer Elektrizität befaßt hatte, hielt er die flügelschlagende Signaltechnik für überholt und präsentierte seine elektrische Alternative. Allerdings vergebens.

Alle Welt experimentierte damals mit Elektrizität, und überall brüteten Tüftler über Telegrafen. Auch Forschung hat ihre Moden. Aber bei den Versuchen, ihre Erfindungen an den Mann zu bringen, stießen die Freunde der Elektrizität vornehmlich auf Bedenkenträger, denen das Flügelschlagen der optischen Telegrafie Fortschritt genug war.

Unverständlich ist das nicht. Denn Telegrafie verlangte Drähte, überall Drähte. Eine verdrahtete Welt aber lag außerhalb der Vorstellungen. Selbst die pfiffige Idee, das Streckennetz der Eisenbahn zu nutzen, scheiterte. Ein Antrag, die Strippen entlang der 1835 eröffneten Strecke Nürnberg-Fürth zu ziehen, wurde abgelehnt, weil kein Nutzen für das Publikum zu erkennen sei.

Während Frankreich und England bereits elektrisch telegrafierten, winkten die Preußen noch mit den Drehflügeln. Vor allem die Militärs sperrten sich gegen die unverständliche Technik. Offenbar fand erst der Artillerieleutnant Werner von Siemens die richtigen Argumente für die Herren. Er gründete 1847 in Berlin die Firma Siemens & Halske, bot 1848 dem Kriegsministerium einen dort entwickelten elektromagnetischen Telegrafen an und erhielt den Auftrag zum Bau eines Staatstelegrafennetzes, zuerst von Berlin nach Frankfurt am Main und später weiter nach Köln.

Von da an ging es im telegrafischen Tempo weiter. Das Kaiserliche Haupt-Telegraphenamt in Berlin, an der Ecke Französische und Ober-Wallstraße, wurde zum telegrafischen Nabel des Reiches. 177 Leitungen bündelten sich 1876 in ihm. In einem Bericht aus jenem Jahr wird der Betrieb im Schalterraum so geschildert: "Die Depeschenannahme ... ist Tag und Nacht geöffnet und selten ganz leer von Depeschen-Aufgebern. Mehrere Reihen von Pulten bieten dem Publikum Gelegenheit, die Telegramme an Ort und Stelle aufzuschreiben, und es kommt oft genug vor, daß die Zahl für die Schreiblustigen nicht ausreicht. Die Zahl der ausgehenden Depeschen beträgt täglich mehr als tausend."

Tausend Depeschen am Tag in Berlin! Und das Telefon war noch nicht an der Kommunikation beteiligt. Es wurde genau in jenem Jahr 1876 von Alexander Graham Bell zum Patent angemeldet.

1796 war in Berlin bereits der Vorschlag gemacht worden, Sprache durch riesige Schalltrichter zu übertragen und solches Telephon oder Fernsprecher zu nennen. Und 1809, als Sömmerring mit seinem elektrischen Telegrafen am bayrischen Kriegsministerium scheiterte, ahnte in München bereits der Physiker Johann Wilhelm Ritter: "Es ist in Aussicht, daß noch ganz leise gesprochene Worte durch viele Meilen lange, ganz einfache Drahtcontinuen fortgepflanzt, am anderen Ende der Leitung noch vollkommen vernehmbar anlangen."

Johann Philipp Reis hat das dann 1861 vor dem Physikalischen Verein in Frankfurt vorgeführt mit dem Satz: "Das Pferd frißt keinen Gurkensalat." Vielleicht war der Satz nicht bedeutungsvoll genug, jedenfalls wurde das Gerät, mit dem eine solche Erkenntnis übermittelt werden konnte, als Spielerei abgetan.

Der Erfolg kam erst mit Bell. Und nach Deutschland kam er mit zwei Bell-Telefonen, die dem Generalpostmeister Heinrich von Stephan nach Berlin gebracht worden waren. Es waren die ersten Geräte in Europa. Bell hatte sie im Gepäck, als er auf seiner Hochzeitsreise in London Station machte. Stephan ließ eine Leitung zum Generaltelegrafenamt an der Französischen Straße legen, und am 26. Oktober 1877 wurde das erste Ortsgespräch geführt. Mit dem Fernsprecher, wie Stephan betonte, nicht mit dem Ferntöner, wie andere den Apparat nennen wollten.

Das Telefon machte Karriere vom ersten Moment an. 1877 notierte Werner von Siemens: "Die Telephone machen jetzt alle verdreht. Wir sind schon einmal auf 700 Telephone in einem Tag gekommen ... und bisher ist es ein Tropfen auf einen heißen Stein." Er konnte frohlocken, denn die Post hatte bei Siemens & Halske bestellt. Dort wurden Bell-Telefone ohne teure Lizenz gebaut. Durch ein Versehen war Bells Patent nicht für Deutschland geschützt.

Dennoch sah von Siemens baldige Grenzen des Booms. So begeistert er die Zukunft der Telegrafie ausgemalt hatte, so skeptisch war er gegenüber dem Telefon. 1878 dämpfte er die Erwartungen: "Das Telephon wird für den Verkehr in den Städten und zwischen benachbarten Ortschaften große Dienste leisten, die weit über das hinausgehen, was der Telegraph für kurze Entfernungen zu leisten vermag. Aber wie er auf ganz kurze Entfernungen das Sprachrohr nie verdrängen wird, ebenso wenig wird es für größere Entfernungen den Telegraphen ersetzen können."

Stephan allerdings hatte andere Pläne. Jedem Berliner, der es wünschte, wollte er ein Telefon zur Verfügung stellen können. Die Wünsche hielten sich jedoch in Grenzen. Ein Aufruf 1880 an die Geschäftswelt, Bedarf anzumelden, brachte nach einem halben Jahr lediglich 94 Teilnehmer. Als 1881 das erste Fernsprechamt mit 48 Anschlüssen eröffnet wurde, waren im ersten Fernsprechbuch Berlins 187 Anschlüsse verzeichnet. 1889 wurde dann der 10 000. Anschluß gefeiert.

Und alle Gespräche wurden per Hand vermittelt. Das "Fräulein vom Amt" avancierte zur "süßen Klingelfee". Doch feenhaft war die Arbeit nicht. Laut war sie, weil sich die Frauen zu vermittelnde Nummern zurufen mußten, hektisch war sie, weil mit der Spitze eines Elektrokabels blitzschnell das Feld des gewünschten Teilnehmers berührt werden mußte, um zu sehen, ob die Leitung frei ist, und ebenso rasch mußte dann die Verbindung gestöpselt werden.

Schließlich wurde so viel kommuniziert, telegrafiert, telefoniert, daß die Klingelfee überfordert war. Allerdings: Feen überfordert man nicht. Dann entschwinden sie. Und werden ersetzt durch immer neue Technik. Eine spannender als die andere. Aber eine der bedeutendsten Erfindungen in der Kommunikation bleibt die Überwindung des Raumes mit Hilfe der Elektrizität. Was nach diesem Sprung folgte, war die ebenso erstaunliche wie logische Weiterwicklung des einmal aufgenommenen Fadens.

Am 6. Januar 1924 präsentierte die "Berliner Jllustrirte Zeitung" ihren Lesern per Schlagzeile "Eine Sensation" und darunter einen "Spezialapparat", über den die Weihnachtsansprache des Reichskanzlers drahtlos übertragen werden könne. Fachleute bezeichneten den "Spezialapparat" als "Radio". Die Redaktion setzte das neue Wort vorsorglich noch in Anführungsstriche. Die Kommunikation hatte endgültig eine neue Dimension. Sie war zur Massenkommunikation geworden.

Foto: Der telegrafische Nabel des Reiches: Der Apparatesaal des Kaiserlichen Haupt-Telegraphenamtes in Berlin (1879)


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