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31.03.07 / Ende der Belastbarkeit / Wehrbeauftragter Rogge kritisiert zahlreiche Mängel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-07 vom 31. März 2007

Ende der Belastbarkeit
Wehrbeauftragter Rogge kritisiert zahlreiche Mängel
von H.-J. von Leesen

Als das Amt des Wehrbeauftragten als Hilfsorgan des Deutschen Bundestages geschaffen wurde, waren manche von dessen Notwendigkeit nicht überzeugt. Was sollte eine solche Meckerecke für die Soldaten, wo es doch den Beschwerdeweg gab? Inzwischen hat sich herausgestellt, wie wichtig diese regierungsunabhängige Institution ist, die sich inzwischen als das Sprachrohr der Soldaten häufig genug gegen Intentionen der Regierung und ihrer Fraktionen entwickelt hat. Zwar machen mehr oder weniger gewichtige Meckereien aus der Truppe einen Teil der Tätigkeiten des Beauftragten aus, doch treten sie zurück zugunsten der politischen Aufgaben. Und sie wachsen von Jahr zu Jahr, seitdem die Bundeswehr von einer Verteidigungs- zu einer Interventionsarmee geworden ist, die sich in immer mehr Winkeln der Erde betätigen muß. Und es wird immer deutlicher, daß sie zu diesen Auslandseinsätzen nicht ausreichend gerüstet ist.

Immer wieder wird in den Jahresberichten über die überbordende Bürokratie, umständlichen Verwaltungsabläufe und mangelhafte Organisation der Bundeswehr im Einsatz geklagt, aber auch über unzureichende Ausstattung der Soldaten. Da geht es vom Schuhzeug bis zu gepanzerten Fahrzeugen - beides ist nicht in ausreichendem Maße vorhanden.

In dem neuesten Bericht schreibt der Wehrbeauftragte, der SPD-Politiker Reinhold Robbe, daß es ein "ganz ungewöhnliches Ausmaß der Kritik und der Verunsicherung" bei zahlreichen Soldatinnen und Soldaten vor allen Dingen wegen des von den Politikern befohlenen Einsatzes im Kongo gegeben hatte, doch ist davon kaum etwas an die Öffentlichkeit gedrungen. Während die militärischen Bedenken in der gesamten Gesellschaft diskutiert wurden, wurden die Soldaten, die doch als Bürger in Uniform Teile unserer demokratischen Gesellschaft sein sollten, abgeschottet, was sicherlich auch damit zu tun hat, daß sich immer deutlicher herausstellt, wie extrem ängstlich vor allem höhere Offiziere sind, wenn es um politische Äußerungen geht. Das ist um so merkwürdiger, als sich die Bundeswehr in ihrer Tradition auf den General Scharnhorst wie auf die Männer des 20. Juli beruft, hoch politische Offiziere allesamt. Aber die heutigen Offiziere wirken, als sei ihnen ein Maulkorb verpaßt.

Erfreulicherweise gibt es aber den Wehrbeauftragten. In dessen Bericht häuft sich die Auflistung der Mängel, was die deutsche Öffentlichkeit alarmieren müßte, doch es scheint, daß nicht einmal die Bundestagsfraktionen sich dadurch wesentlich gestört fühlen, kehren doch die meisten aufgezeigten Fehler Jahr für Jahr in den Berichten wieder.

Robbe lobt die Soldaten für ihren Einsatz im vergangenen Jahr bei der Fußball-Weltmeisterschaft, für Hilfe in Katastrophenfällen, für ihr soziales Engagement innerhalb wie außerhalb der Bundeswehr, für Hilfsaktionen in den Einsatzgebieten, doch haben all diese lobenswerten Aktivitäten nicht bewirkt, daß die deutsche Öffentlichkeit mehr als "freundliches Desinteresse" für die Soldaten gezeigt hat, um eine Formulierung des Bundespräsidenten aufzunehmen.

Man erfährt, daß die Bundeswehr nun wirklich an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sei. Bei den Heeresfliegern, bei den Feldjägern, bei Ärzten und Sanitätspersonal ist die Grenze weit überschritten. Der Wehrbeauftragte berichtet, und das war in dieser Schärfe bislang der Öffentlichkeit nicht bekannt, daß er bei seiner Besichtigung des deutschen Einsatzkontingentes im Kongo "mit Unverständnis und Empörung ... die teilweise unzumutbare Unterbringung der eingesetzten Soldaten" zur Kenntnis nehmen mußte. Er führt auf, was alles nicht funktioniert hat und was er "als eine Verletzung der Fürsorgepflicht (der Soldaten) durch ihren Dienstherrn (den Bundesverteidigungsminister)" beklagt. Dadurch sei "ein erheblicher Verlust an Vertrauen in die Kompetenz und den Weitblick ihrer Führung eingetreten". Besondere Sorge muß die auch vom Wehrbeauftragten konstatierte Tatsache hervorrufen, daß Soldaten in Afghanistan nicht sicher sein können, daß sie im Falle eines Angriffs der Taliban Luftunterstützung erhalten und - da müßten in Deutschland alle Alarmglocken klingeln - "gegebenenfalls auf dem Luftweg evakuiert werden könnten". Sachkenner weisen seit langem darauf hin, daß es keine Planung im Verteidigungsministerium gibt für den Fall, daß unsere Truppe sich in Afghanistan nicht mehr halten kann. Man ist bedrückt über die sich häufenden Meldungen über Fehlverhalten von Vorgesetzten, was sich "nicht nur auf Einzelfälle beschränkt".

Durch die Presse gingen bereits Berichte über scheußliche Zustände in den Heimat-Kasernen. Schimmelbefall in den Räumen, Ungeziefer, mangelhafte sanitäre Einrichtungen, undichte Fenster, fehlende Türschlösser. All das wird vom Verteidigungsministerium damit erklärt, daß die Haushaltsmittel nicht reichten. Die Verpflegung sei teilweise schlecht, die Bekleidung reiche häufig nicht aus. In den Bundeswehrkrankenhäusern fehlen Ärzte und Sanitätspersonal, die überwiegend im Ausland eingesetzt sind, woraus Rogge die Frage herleitet, "wie unter diesen Bedingungen die sanitätsdienstliche Versorgung langfristig gesichert ... werden kann." Man erfährt, daß bislang die Weiterverwendung und Versorgung von im Einsatz verwundeten Soldatinnen und Soldaten nur mangelhaft geregelt war, doch soll es einen Gesetzentwurf für die Weiterverwendung solcher Soldaten geben.

Lächerlich ist wieder der ausführliche Hinweis auf angebliche rechtsextremistische Vorkommnisse, der wohl der politischen Korrektheit geschuldet ist. Dafür fehlt der bisher übliche Bericht über Drogenkonsum in der Truppe.

Zusammengenommen: Ein alarmierender Bericht, der aber genausowenig bewirken wird wie die vorangegangenen. Die Politik wird weiterhin die Bundeswehr in immer neue Auslandsseinsätze schicken, ohne die dafür notwendigen Mittel für Ausrüstung und Versorgung zu stellen. Ein Zeichen für deren Mißachtung der Soldaten.

Der Bericht kann angefordert werden vom Wehrbeauftragten, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, Telefon (0 30) 22 73 81 00, wehrbeauftragter@bundestag.de

Foto: Verteidigungsminister Jung im Lazarett: Im Inland fehlen Sanitäter.

 

Zeitzeugen

Volker Rühe - Der Hamburger CDU-Sicherheitspolitiker (64) leitete von 1992 bis 1998 das Verteidigungsministerium. Im Führungsstil autoritär, ging Rühe laut Kritikern vor allem erfolgreich gegen innere Führung und Traditionen der Bundeswehr vor, besonders wenn letztere als "rechts" galten. Er verschmolz die DDR-NVA mit der Bundeswehr, setzte ertmals Soldaten jenseits der Bündnisgrenzen ein. Die "Zeit" kritisierte ihn dafür, den Soldaten das "Mitdenken verboten" zu haben.

Franz Josef Jung - Seit 2005 Verteidigungsminister meisterte der hessische CDU-Politiker (58) den umstrittenen, schlecht ausgestatteten Kongo-Einsatz. Er schlug ein zentrales Ehrenmal für gefallene Bundeswehrsoldaten vor. Vor allem setzt er sich für mehr Aufgaben der Armee nach Innen wie Außen ein (Weißbuch von 2006). Eine entsprechende erweiterte Finanzierung der Truppe bleibt aber aus. Kasernen wie Truppenmoral leiden nach Medienberichten wie Aussagen des Wehrbeauftragten.

Rudolf Scharping - Minister (59) von 1998 bis 2002, schickte als erster die Bundeswehr in Kampfeinsätze. Der SPD-Politiker stolperte über private Skandale: Fotos von ihm im Swimmingpool, während deutsche Soldaten im Kampf waren, beendeten seine Karriere. Im Konflikt um Ex-Jugoslawien entsetzte er mit Berichten von Völkermord. Sie stellten sich als Propaganda heraus.

Peter Struck - Von 2002 bis 2005 leitete der SPDler und Erziehungswissenschaftler das Verteidigungsressort. Er behauptete zum Afghanistan-Einsatz 2002, Deutschland werde am Hindukusch verteidigt. Traditionsnamen für Standorte ließ er streichen, erweiterte mit den Verteidigungspolitischen Richtlinien die Aufgaben.

Gerhard Stoltenberg - Von 1989 bis 1992 Verteidigungsminister (verst. 2001) hatte der schleswig-holsteinische CDU-Politiker noch in der Wehrmacht gedient. Er war erster Verteidigungsminister nach der Wende, war mit den militärischen Rahmenbedingungen des Abzugs Westalliierter wie dem der sowjetischen Truppen betraut. Nach einer umstrittenen Sendung von Panzern an die Türkei trat er 1992 zurück.


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