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31.03.07 / Brüsseler Lobbyisten / Eine Initiative für mehr Transparenz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-07 vom 31. März 2007

Brüsseler Lobbyisten
Eine Initiative für mehr Transparenz
von R. G. Kerschhofer

Der Este Siim Kallas, Vizepräsident der EU-Kommission und Kommissar für Verwaltung, Rechnungsprüfung und Betrugsbekämpfung, verkündete vorige Woche einen Plan zur Einrichtung eines elektronischen Registers, in welchem ab Frühjahr 2008 die in Brüssel tätigen Lobbyisten Angaben über ihre Finanzierung, ihre Ziele und ihre Auftraggeber der Öffentlichkeit zugänglich machen sollen. Freiwillig.

Als Anreiz wird den Registrierten eine bevorzugte Versorgung mit Informationen geboten. Stellungnahmen von Registrierungsverweigerern sollen hingegen als "nicht repräsentativ" entwertet werden. Der Entscheidung waren jahrelange Diskussionen und Polemiken vorangegangen, angeheizt durch Vorkommnisse, die bis in die Büros von Kommissaren reichten.

Die Zahl der Lobbyisten in Brüssel wird auf etwa 15000 geschätzt. Das heißt, daß auf je zwei in den EU-Institutionen Beschäftigte ein Lobbyist kommt. Die Zahlen sind aber insofern problematisch, als nur rund 5000 Lobbyisten ständig in Brüssel weilen, während die übrigen sich zeitweilig dort aufhalten. Außerdem gibt es - ähnlich wie bei "Experten" oder "Konsulenten" - kein definiertes Berufsbild. Nicht verwunderlich, daß die angekündigte Regelung manchen Lobbyisten nicht weit genug geht: Sie wollen einen quasi amtlich bescheinigten Status, der ihnen unlautere Konkurrenten vom Leib hält. Paßt aber nicht zu der EU-Wettbewerbsregel, auch Unqualifizierten in möglichst vielen Berufen den "Markt zu öffnen".

Lobbyisten hat es immer gegeben - man denke an das Treiben an Fürstenhöfen. Je weiter ein Machtzentrum vom Volk entfernt ist, um so größer wird leider auch der Einfluß von Meinungsmachern und Zwischenträgern. Die Entscheidungsfindung in der EU unterscheidet sich eben gänzlich von der in einem Schweizer Kleinkanton, und daran vermag auch das demokratische Mäntelchen eines de facto ohnmächtigen EU-Parlaments wenig zu ändern.

Wie sieht nun die Lobby-Tätigkeit in der Praxis aus? Kammern, Gewerkschaften und andere Interessensverbände unterhalten meist eigene Vertretungen in Brüssel, und ihre Ziele sind transparent. Ähnlich halten es die immer zahlreicher werdenden Nicht-Regierungs-Organisationen, die NGOs, wenngleich bei deren Zielen nicht alles so eindeutig ist, wie man uns glauben machen will. Denn NGOs finanzieren sich nicht nur aus kleinen Spenden, sondern auch aus großen - und dahinter stecken ebenfalls Interessen.

Auch große Unternehmungen haben meist ihre eigenen Büros oder entsenden eigene Leute zum "Bearbeiten" der Entscheidungsträger. Daneben werden "unabhängige" Lobby-Agenturen eingeschaltet - und hier liegt die Grauzone. Die Lobby-Arbeit beginnt nämlich nicht erst bei der Entscheidungsfindung, sondern lange davor im Herausfinden von Plänen, Absichten, Meinungen und internen Intrigen. Und die Grenzen zwischen "detektivischer" Arbeit und Spionage sind bekanntlich fließend. Ein Informationsvorsprung erlaubt es aber, rechtzeitig Strategien auszuarbeiten, Informationsmaterial an den richtigen Stellen zu deponieren oder sogar Postenbesetzungen zu beeinflussen.

Gut 80 Prozent aller Gesetze basieren heute auf EU-Richtlinien - über fast alles und jedes. Diese Richtlinien sind Vorgaben für die Mitgliedsländer, deren Parlamente nur noch als "demokratische" Erfüllungsgehilfen agieren. Es sind daher auch die EU-Richtlinien, die wesentlich über Schicksale von Unternehmungen, Personen und Regionen entscheiden.

Die Richtlinien werden aber nicht auf der höchsten Ebene erarbeitet - die ohnehin dem direkten politischen Einfluß der Mitgliedsländer ausgesetzt ist -, sondern auf mittleren Ebenen, wo die knifflige normative, technische und juristische Detail-Arbeit vor sich geht. Und die kann man den Beamten als Lobbyist "erleichtern", indem man ihnen mit Informationen und Konsultationen zur Seite steht. Oder indem man ihre Karriere-Pläne unterstützt. Oder ihnen Konsulantenhonorare und Posten für "danach" in Aussicht stellt. Oder ihnen sonstwie gefällig ist - das Brüsseler Restaurant- und Unterhaltungsgewerbe lebt davon.

Offen bleibt, ob das Lobby-Register hier etwas zu ändern vermag. Daß von der EU selbst beauftragte und bezahlte "Sonderberater" zugleich auch Honorare von interessierten Unternehmen bezogen, diese Schwachstelle scheint immerhin erkannt und ausgeschaltet worden zu sein.


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