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31.03.07 / Spiel mit den Schmerzgrenzen / Der Iran hat mit der Festnahme der britischen Soldaten festgestellt, daß London keinen Krieg will

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-07 vom 31. März 2007

Spiel mit den Schmerzgrenzen
Der Iran hat mit der Festnahme der britischen Soldaten festgestellt, daß London keinen Krieg will
von Hans Heckel

So beginnen Kriege: Um dem Feind die Verantwortung für die Eskalation anlasten zu können, setzt die eine Macht eine gezielte Provokation, welche die andere zum militärischen Handeln zwingt, um das Gesicht nicht zu verlieren. Die Gefangennahme der britischen Soldaten am Schatt-el-Arab durch die iranische Marine erscheint als geradezu klassisches Manöver zur Auslösung eines großen Waffengangs.

Aber welches Interesse kann Teheran an einem Schlagabtausch mit soviel mächtigeren Gegnern haben wie den verbündeten Briten und Amerikanern? Alle Erklärungsversuche bleiben unbefriedigend, Analysten bieten nur "Annäherungen" an die vermuteten Beweggründe. Womöglich ging es Teheran aber auch gar nicht um Krieg, sondern allein darum herauszufinden, wie die Gegenspieler reagieren, welchen Handlungsmaximen sie folgen und wo ihre Grenzen sind.

Die Behauptung, die 15 Patrouille-Soldaten seien zwecks Spionage in persisches Hoheitsgewässer eingedrungen, überzeugt nicht. Zunächst ist der Grenzverlauf am Schatt-el-Arab, dem gemeinsamen Mündungsarm von Euphrat und Tigris, bisweilen schwer auszumachen. Er verläuft nicht auf der Mitte des Flusses, sondern - wie 1975 in einem iranisch-irakischen Vertrag vereinbart - in der "Talrinne", an der tiefsten Stelle also. Diese ändert sich mit der Strömung, weshalb unbeabsichtigte Übertritte kaum gänzlich auszuschließen sind.

Doch selbst im Falle eindeutiger und klar erkennbarer Grenzverläufe werden unerlaubte Übertritte internationalen Gepflogenheiten zufolge anders gehandhabt: Die Eindringlinge werden abgedrängt und zum sofortigen Verlassen des eigenen Hoheitsgebietes aufgefordert und erst bei Zuwiderhandeln festgesetzt. Die Briten aber wurden regelrecht gekapert, ohne daß ihnen eine Chance gelassen wurde, aus den vermeintlich iranischen Gewässern wieder hinauszufahren.

Rennt das Mullahregime sehenden Auges in ein hysterisches Abenteuer? Allem für europäische Ohren mitunter unerträglichem Pathos zum Trotz handelt die iranische Führung vermutlich weitaus rationaler, als es vordergründig den Anschein hat. Die persischen Strategen wollen wie jede potentielle Konfliktpartei vor allem wissen, woran sie mit ihren Gegnern ist.

Womöglich wollte Teheran daher zunächst die Reaktionsbereitschaft der Briten testen. In unmittelbarer Nähe des Aufgriffortes sind starke britische Verbände stationiert, zu Lande, zu Wasser und in der Luft, die theoretisch umgehend militärisch hätten eingreifen können. Statt dessen überließen die Briten ihre unter UN-Mandat operierende Patrouille kampflos den Iranern. Die Iraner wußten nun genau bescheid über die Kommunikationswege der Briten, wo dort die Entscheider sitzen und wie lange es dauert, bis nach einem Vorfall eine Handlungsanweisung an die Soldaten erfolgt. Im Kriegsfalle sind dies äußerst wichtige Informationen.

London versuchte zunächst, den Zwischenfall als "Mißverständnis" herunterzuspielen. Erst später verschärfte der britische Premier seine Tonlage deutlich und schwenkte auf ein Vokabular ein, das schon des öfteren den Vorabend eines Krieges kennzeichnete. Somit macht London klar, daß es bei aller selbst auferlegten Zurückhaltung im Falle der Eskalation an der Seite der USA bleibt.

Wie weit Teheran das Spiel mit dem Feuer treiben würde, war bei Redaktionsschluß dieser Zeitung noch nicht absehbar. Ebenfalls war nicht erkennbar, ob und inwieweit die wachsenden Spannungen ins Konzept der USA passen, das heißt, ob Washington zum militärischen Schlagtausch mit Teheran zum jetzigen Zeitpunkt bereit ist, weil es das Vertrauen in die Wirksamkeit der neuerlichen UN-Sanktionen schon verloren hat.

In jedem Falle hat die iranische Führung ihren Handlungsrahmen bis an den Rand des Krieges ausgelotet. Ob es zum Überschreiten der entscheidenden Linie kommt, lag zu Wochenbeginn an Teheran.

Foto: Schnellboote: Angeblich waren die britischen Matrosen in persischen Hoheitsgewässern, als die iranische Marine sie festsetzte.


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