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31.03.07 / Weltberühmt und heiß begehrt / Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg zeigt Möbel aus der Roentgen-Manufaktur

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-07 vom 31. März 2007

Weltberühmt und heiß begehrt
Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg zeigt Möbel aus der Roentgen-Manufaktur

Ein Schreibtisch von Roentgen? Das war doch der mit den Strahlen, der Physiker, der 1901 mit dem ersten Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurde. Nein, Wilhelm Conrad Röntgen (1845-1923) ist nicht gemeint, wenn man von Roentgen-Möbeln spricht. Von Paris bis Sankt Petersburg, von Brüssel bis nach Wörlitz bestellten die europäischen Fürstenhäuser zwischen 1750 und 1800 die Luxusmöbel aus den Werkstätten von Abraham und David Roentgen. Das Germanische Nationalmuseum präsentiert derzeit kostbare Möbel der Roentgen-Werkstatt aus seiner Sammlung. Aufsehen erregend sind neue Erkenntnisse zur ursprünglichen Farbigkeit dieser Möbel, die von der heute gewohnten Ansicht deutlich abweichen.

Anlaß der Ausstellung ist der 200. Todestag von David Roentgen (1743-1807). Mit seinem Namen und dem seines Vaters Abraham Roentgen verbindet sich deutsche Möbelkunst des Rokoko und Klassizismus von allererster Qualität. Gemeinsam zeichneten sie verantwortlich für die "Neuwieder Arbeithen", worunter unter anderem Tische, Kommoden, vor allem aber Schreib- und Verwandlungsmöbel aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu verstehen sind.

David war der älteste Sohn des Tischlers Abraham Roentgen. Nach einer Schulausbildung im oberschlesischen Niesky absolvierte er eine Schreinerlehre bei seinem Vater und ging dann als Geselle auf Wanderschaft. Später trat er in die väterliche Schreinerei ein, deren Leitung er 1772 übernahm.

In seinem Handwerk setzte er neue Maßstäbe, aber auch mit der Organisation der Werkstatt feierte er Erfolge. In den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts war es zu finanziellen Engpässen gekommen, selbst der Adel konnte sich die Möbel der Roentgens nicht mehr leisten. David schlug seinem Vater vor, eine Lotterie zu veranstalten, um das Möbellager zu leeren und so wenigstens einen Teil der Kosten wieder hereinzubekommen.

Als Leiter der Werkstatt war David Roentgen außerordentlich erfolgreich. So verwendete er anstelle der teuren exotischen Hölzer solche der heimischen Obstbäume und rationalisierte den Betrieb. Ende der 80er Jahre des 18. Jahrhunderts waren rund 80 Mitarbeiter in der Werkstatt tätig, wo man ohne Maschinen auskam und jährlich mehrere hundert Möbel für den Export herstellte.

Erst die Französische Revolution bereiteten dem Erfolgskurs ein Ende. Die Nachfrage aus Adelskreisen, der Hauptklientel der Roentgens, ließ nach, und David ließ die Manufaktur schließen. Er starb in Wiesbaden auf einer Reise, die er im Dienst der Herrnhuter Brüdergemeinde unternahm.

In der Nürnberger Ausstellung sind sämtliche Möbel frei aufgestellt und von allen Seiten zu betrachten. Sofern es restauratorisch vertretbar ist, sind die Schreibtische geöffnet, so daß auch das ansonsten verborgene "Innenleben" sichtbar wird. Um den Besuchern einen Eindruck von der Vielfalt der Objekte zu geben, sind zusätzlich Bilder unterschiedlicher "Entfaltungs-Stadien" zu sehen. Doch nicht nur die verschiedenen Zustände des Öffnens und Schließens werden gezeigt, besonderer Wert wird vielmehr auf den Versuch gelegt, einen Eindruck vom ursprünglichen Aussehen der Möbel zu vermitteln.

Allerdings muß schon sehr genau hinschaut werden, um die Feinteiligkeit und den Naturalismus des Dargestellten bis ins Detail wahrzunehmen.

Dies war zur Entstehungszeit der Möbel anders: Anstelle der heute durch Lichteinwirkung verbräunten Oberflächen erstrahlten die in das Furnier eingelegten Blüten und Vögel in kräftigen Farben.

Wissenschaftliche Untersuchungen zu den verwendeten Hölzern und deren ursprünglichem Aussehen, durchgeführt von Holzbiologen und Restauratoren, kamen zu diesem überraschenden Ergebnis. Die gleichfalls in der Ausstellung präsentierten Blumenbücher und Porzellane jener Zeit geben Anhaltspunkte für das ursprüngliche Erscheinungsbild. In die farbenfrohe Welt der höfischen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts waren folgerichtig auch die Möbel eingebunden.

Ein besonderer Glücksfall besteht darin, daß sich bei einem gleichfalls im Besitz des Museums befindlichen Männerbildnis aus der Roentgen-Werkstatt die Marketerie, also die furnierte Fläche, von der Trägerplatte gelöst hat und somit die Rückseite des Bildes sichtbar wird. Da durchgefärbte Hölzer verwendet wurden, hat sich die ursprünglichen Farbigkeit nahezu unverändert erhalten.

Und auch hier gibt es wieder eine Überraschung: Selbst feinste Holzspäne sind farblich voneinander unterschieden und derart nebeneinander gesetzt, daß sie, wie David Roentgen selbst sagte, "eine vollkommene Mahlery" ergeben. pm/os

Die Ausstellung "Weltberühmt und heiß begehrt - Möbel der Roentgen-Manufaktur in der Sammlung des Germanischen Nationalmuseums" ist dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr, mittwochs bis 21 Uhr geöffnet, Eintritt 6 / 4 Euro, bis 7. Oktober.

Foto: Meisterhaftes Handwerk: Klappschreibtisch (1765 / 68) aus der Werkstatt Roentgen (mit Detail der Intarsienarbeit)


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