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07.04.07 / Berliner Volk begehrt auf / Tempelhof als Symbol des freien Berlins: Kampf um Flugbetrieb

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-07 vom 07. April 2007

Berliner Volk begehrt auf
Tempelhof als Symbol des freien Berlins: Kampf um Flugbetrieb
von Peter Westphal

Fünf Monate nach Beginn ihres Aufrufs hat die Initiative zum Erhalt des Flughafens Tempelhof (ICAT. e.V.) Ende März beim Landeswahlleiter mit der Vorlage von 34000 Unterschriften den Antrag auf ein Volksbegehren eingereicht. Da das Quorum 20000 beträgt, dürfte die Prüfung der Unterschriften kein Problem darstellen, denn die Antragsteller haben die ungültigen Eintragungen bereits heraussortiert. Danach hat das Berliner Abgeordnetenhaus vier Monate Zeit, um sich zu der Sache zu erklären. Da es sich bei dem vorliegenden Antrag offenkundig um einen von politischer Tragweite handelt, wird das Abgeordnetenhaus - so es sich nicht doch noch von sich aus für den Flugbetrieb Tempelhofs entscheiden sollte - das beantragte Volksbegehren nicht abweisen können. Für ein erfolgreiches Begehren müßte die Initiative dann rund 170000 Unterschriften innerhalb von vier Monaten sammeln, um einen Volksentscheid durchzusetzen. Da dies einem Anteil von nur sieben Prozent der Wahlberechtigten entspricht, dürften die Chancen gut stehen: So sind laut einer repräsentativen Umfrage von Infratest Dimap von Anfang Februar dieses Jahres fast 75 Prozent aller Berliner gegen die Schließung des Flughafens Tempelhof. Allein 34 Prozent von ihnen fordern den weiteren Betrieb von Tempelhof als normalen Flughafen. Beachtlich ist dabei die parteipolitische Präferenz: So haben sich 76 Prozent der SPD- und - als schwächstes Votum - immerhin noch 60 Prozent der PDS-Wähler für eine Offenhaltung von Tempelhof ausgesprochen.

Entgegen diesem eindeutigen Bekenntnis des Souveräns hält der rot-rote Senat bislang weiter an dem Vorhaben fest, den Flughafen Tempelhof schon im Herbst 2008 zu schließen, weil sonst - so die zunehmend unglaubwürdig klingende Begründung - die Rechtsgrundlage für den Ausbau des Großflughafens Schönefeld (BBI) gefährdet würde. Dabei verliert dieses wie ein Mantra beschworene Argument zusehends an Kraft.

Da ist zum einen die Position des Bundesfinanzministeriums und der ihr nachgeordneten Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), die schon deshalb stark ist, da 51 Prozent des Geländes und 87 Prozent der Flughafengebäude dem Bund gehören. Das Finanzministerium, pikanterweise unter der Ägide von Wowereits Parteigenossen Peer Steinbrück (SPD), bezweifelt nämlich, daß die Schließung des Flughafens Tempelhof unabdingbar sei. Durch einen unabhängigen Gutachter läßt es derzeit prüfen, ob ein weiterer Flugbetrieb in Tempelhof die planungsrechtlichen Grundlagen für den Bau des Großflughafens Schönefeld (BBI) tatsächlich gefährden würde. Mit einer Antwort wird für diesem Monat gerechnet. Denkbar, wenn nicht gar wahrscheinlich, ist eine genau gegenteilige Beurteilung. Geradezu peinlich wurde die Situation Anfang März für die Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD), die - zuständig für das Ressort Stadtentwicklung - doch allen Ernstes in einem Wiesenmeer in Tempelhof (anstelle des Flugbetriebs) "neue Orte mit Zukunftspotential" ausmachte. Auf einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer Berlin mußte sie sich von einem Staatssekretär des Finanzministeriums belehren lassen, daß die offizielle Haltung des Ministeriums zu Tempelhof definitiv eine andere sei als die des rot-roten Senats. So hält Bima-Chef Dirk Kühnau die Verwertung des Flughafengeländes Tempelhof mit laufendem Flugbetrieb für wesentlich ökonomischer. Berlin jedoch hat einen Wirtschaftssenator (Harald Wolf, Linkspartei / PDS), den all das nicht anzufechten scheint. Er will dem Finanzminister anbieten, den Standort umzuwidmen, um dort Ministerien unterzubringen, Wowereit schlug vor, hier das Bundesinnenministerium unterzubringen.

Ein weiterer Grund, der für die Offenhaltung Tempelhofs spricht, ist - abgesehen von der architektonischen, historischen und damit auch politischen Bedeutung Tempelhofs, die ein Teil der eigenen Identität ist, einer lebendig gehaltenen Geschichte - die Lage in der Stadt, die gerade für Privat- und Geschäftsflieger einen unwiederbringlichen Vorteil bedeutet. In diesem Zusammenhang kommt inzwischen auch die Kapazitätsfrage zur Sprache. So zeichnet sich durch die Übernahme von LTU durch die Fluggesellschaft Air Berlin perspektivisch ein Kapazitätsengpaß für den Flughafen Tegel ab, zumindest bis zur Inbetriebnahme des BBI Schönefeld, die eventuell erst ab 2012 zu erwarten ist.

Hinzu kommt, daß wohl keine westliche Hauptstadt denkbar ist, die sehenden Auges sämtliche Flughäfen zugunsten eines einzigen außerhalb der Stadt schließt. Gegen die Singularität eines Flughafens in Schönefeld spricht denn auch das Risiko bei etwaigen Ausfällen durch Unwägbarkeiten verschiedener Art. Schon jetzt steht fest, daß eine eventuell notwendige Ergänzung um eine weitere Startbahn aufgrund der Bedingungen vor Ort ausgeschlossen ist. Wer die jüngsten Probleme anderer deutscher Flughäfen beobachtet (etwa München, Stuttgart, Dresden oder Hamburg), der dürfte einen Verzicht auf Tempelhof kaum nachvollziehen können.

Geradezu grotesk erscheint die derzeitige Situation mit Blick auf das doppelzüngige Verhalten des Landes Brandenburg. Dieses fordert die Schließung Tempelhofs, damit der Berlin Brandenburg International nicht gefährdet werde, gleichzeitig soll in Finow ein Regionalflughafen entstehen. Da in Finow - im Unterschied zu Schönefeld - ein 24-Stunden-Betrieb gewährleistet werden kann, gilt der Flughafen Finow jetzt schon als besserer Anschluß an Berlin als der zu bauende BBI.

Foto: Bis hierher und nicht weiter: Berliner wehren sich mit Antrag auf Volksbegehren gegen die für 2008 geplante Schließung des Innenstadtflughafens Tempfelhof.


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