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07.04.07 / Arabisch hat viele Gesichter / Eine Sprache, die eigentlich eine Sprachfamilie ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-07 vom 07. April 2007

Arabisch hat viele Gesichter
Eine Sprache, die eigentlich eine Sprachfamilie ist
von R. G. Kerschhofer

Es vergeht kein Tag ohne Meldungen aus arabischen Ländern. Aber über "Arabisch" als Sprache und "arabisch" als ethnische, kulturelle und politische Bezeichnung herrschen oft recht vage Vorstellungen. Nicht zuletzt, weil auch "die Araber" selbst sich manches vorgaukeln.

Nehmen wir an, wir würden Latein und die modernen romanischen Sprachen einfach nur "Latein" nennen. Absurd? Genau das tun wir aber, wenn wir von "Arabisch" sprechen. Denn die aus dem Altarabischen, einer westsemitischen Sprache, entstandenen Varianten unterscheiden sich heute voneinander so sehr, daß man sie als eigene Sprachen bezeichnen müßte. Mauretanier und Iraker oder Syrer und Jemeniten verstehen einander ebensowenig wie Portugiesen und Rumänen oder Nordfranzosen und Sizilianer. Wohlgemerkt, das gilt für die gesprochene Sprache.

Bei Latein wie bei Arabisch war die Entwicklung ähnlich: Es gab Veränderungen in Lautsystem und Grammatik, und Wörter bekamen eine andere Bedeutung, gerieten in Vergessenheit, wurden neu gebildet oder aus Fremdsprachen entlehnt. Auch die Ursachen hiefür sind ähnlich. Teils sind es natürliche Prozesse, vergleichbar der Evolution, denn bei der "Reproduktion" kommt es eben zu "Kopierfehlern". Ungenauigkeit in Wortwahl, Aussprache und Satzbau führen zur "Entdeutlichung", zu Mißverständnissen. Und Mißverstandenes stirbt entweder aus oder es erfährt eine "Verdeutlichung" durch Ergänzungen und verschmilzt mit diesen zur neuen Norm.

Dazu kommt, daß die Ausbreitung nicht durch massive Bevölkerungsbewegungen erfolgte, sondern durch Eroberung. Die Unterworfenen standen den Eroberern sprachlich unterschiedlich nahe und waren deren Einflüssen verschieden lange ausgesetzt. Daher die mannigfachen "Endprodukte". Und so wie die Latinisierung in Gebieten mit älteren Hochkulturen (Griechenland, östlicher Mittelmeerraum) nicht gelang, konnten auch die arabisch-islamischen Eroberer manche Länder nicht arabisieren, sondern nur islamisieren.

Nun zu den Unterschieden: Arabisch besitzt im Koran einen Fixpunkt, ohne den das moderne Hocharabisch undenkbar wäre. Koran-Arabisch dürfte etwa der Sprache in der Umgebung des Islam-Begründers Mohammed entsprechen. Dieses "dürfte" gilt für die linguistische Analyse. Denn für den Muslim ist der Koran das Wort Gottes, nicht das des Propheten. Und man beachte: Christen zitieren die Bibel mit "in der Bibel steht", Muslime den Koran mit "Gott sagt".

Das klassische Arabisch ist im Koran - der von Begleitern Mohammeds aufgezeichnet wurde - und in den wissenschaftlichen und literarischen Werken der mittelalterlichen Blütezeit dokumentiert. Diese Sprache spielte im gesamten islamischen Raum, also auch unter Nicht-Arabern, ja zum Teil sogar in Europa (man denke an Kaiser Friedrich II.) jene Rolle, die in Europa dem Latein zukam. Es erlaubte Gebildeten, über nationale Zugehörigkeiten hinweg zu kommunizieren. An der - wie in Europa - größtenteils schriftunkundigen Bevölkerung ging die konservierende Kraft der Schrift aber vorbei und konnte das Auseinanderdriften nicht verhindern.

Das moderne Hocharabisch ist ein Produkt des unter Fremdherrschaft im 19. und 20. Jahrhundert erwachenden Nationalbewußtseins. In der Grammatik basiert es auf dem klassischen Arabisch, unterscheidet sich davon aber in Stil und Wortschatz. Und es gibt kaum jemanden, der es berechtigterweise als seine Muttersprache bezeichnen könnte. Geschriebenes Hocharabisch - in Literatur, Zeitungen und Amtssprache - weist trotz aller Bemühungen regionale Unterschiede auf. Neben den Universitäten kommt heute den Übersetzern in internationalen Organisationen eine wichtige Rolle bei Normierung und Wortneuschöpfungen zu.

Gesprochenes Hocharabisch hört man von Nachrichtensprechern, Vortragenden, Predigern und bei feierlichen Anlässen sogar von manchen Politikern. Doch auch hier sind lokale Varianten in Aussprache und Vokabular unverkennbar. Umgekehrt ist die lokale Umgangssprache von der Hochsprache beeinflußt, je nach Bildungsgrad und Situation.

Die von den meisten Arabern verstandene Umgangssprache ist Ägyptisch-Arabisch - nicht nur weil Ägypten das bevölkerungsreichste Land und ein politisches Zentrum ist, sondern mehr noch wegen seiner früh entstandenen Filmindustrie: Die Mehrzahl der Filme und "Seifenopern" auf arabischen Sendern kommt aus Ägypten. Doch so nützlich die elektronischen Medien bei der Verbreitung der Hochsprache sein mögen - sie sorgen leider ebenso für die Verbreitung von (meist) überflüssigen Fremdwörtern, vor allem von Anglizismen.

Foto: Koranstudien: Sonderzeichen dienen zur leichteren Lesbarkeit.


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