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07.04.07 / Ausbeutung in der Grauzone / Petitionsausschuß entscheidet über Praktika

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-07 vom 07. April 2007

Ausbeutung in der Grauzone
Petitionsausschuß entscheidet über Praktika
von Rebecca Bellano

Daß es ein Thema ist, das vielen unter den Nägeln brennt, zeigt das große Interesse: Fast 100000 Unterschriften unter zwei Petitionen zeugen von einer übergreifenden Beachtung.

In den letzten März-Tagen beriet der Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages über zwei Petitionen, die sich mit den Bedingungen von Praktika auseinandersetzen. Die erste Petition der Berlinerin Désirée Grebel hatte 2006 im Unterzeichnungszeitraum von April bis Juni 48151 Unterstützer gefunden. Die engagierte junge Frau fordert, daß Praktika von Hochschulabsolventen, die länger als drei Monate dauern und in dem Berufsbild abgeleistet werden, für das der Hochschulabsolvent ausgebildet wurde, in ein reguläres Arbeitsverhältnis umgewandelt werden.

Die zweite Petition ist von Silvia Helbig, Mitglied im DGB-Vorstand, eingereicht worden und hat von Oktober 2006 bis Anfang Januar 2007 60063 Unterzeichner gefunden. Auch sie fordert, daß Praktika als Lernverhältnis per Gesetz eindeutig von Arbeitsverhältnissen abgegrenzt werden, damit sie keine regulären Stellen ersetzen. Praktika müßten auf drei Monate begrenzt werden und mit mindestens 300 Euro monatlich vergütet werden. Volontariate und andere Berufseinstiegsprogramme müßten nach dieser Petition mit mindestens 7,50 Euro pro Stunden bezahlt werden.

Neben der starken Unterstützung durch zahlreiche Mit-Unterzeichner ist das Thema Praktikum inzwischen immer wieder in der öffentlichen Diskussion. Von der "Generation Praktikum" ist schon seit Jahren immer mal wieder die Rede - doch getan wurde nichts. Bald ist es schon die zweite Generation, die für wenig oder auch gar kein Geld nach dem Studium von potentiellen Arbeitgebern mit einem Praktikum angelockt wird. Vor allem in der Medienbranche hat es sich inzwischen eingebürgert, Hochschulabsolventen als Billigarbeiter auszunutzen, ihnen eine spätere Festanstellung zwar in Aussicht zu stellen, sie aber nach sechs Monaten gegen einen neuen billigen Praktikanten auszutauschen.

Grundsätzlich sind die Petenten für Praktika, so lange sie im Rahmen einer Ausbildung oder eines Studiums stattfinden. Sie wehren sich nur gegen die Unsitte der Wirtschaft, junge, qualifizierte Menschen mit einem abgeschlossenem Studium auszunutzen und hinzuhalten. Dies wäre nicht nur für die Betroffenen unfair, sondern würde auch die Gesellschaft schädigen, schließlich erhielten diese jungen Leute nicht die Chance, sich ein eigenes Leben aufzubauen. Mit ein paar hundert Euro im Monat und einer nur über wenige Monate laufenden Beschäftigung könnten diese Praktikanten, die ja in der Regel schon Ende 20 sind, nicht ihre Zukunft planen, geschweige denn eine Familie gründen. Außerdem würden ihre Potentiale nicht vollständig genutzt werden, denn schließlich verfügten sie ja schon über eine abgeschlossene Ausbildung, während der sie ja schon Praktika absolviert hätten.

Das Problem, vor dem der Petitionsausschuß jetzt steht, ist jedoch, daß über die in Deutschland absolvierten Praktika kaum Datenmaterial vorhanden ist. Ihre Informationen beruhen auf Hören-Sagen. Zwar hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) sich mit Betriebspraktika beschäftigt, doch auch das kann nur Schätzungen äußern, die auf den bei der Arbeitsagentur gemeldeten Betriebspraktika beruhen. Doch da es keine Meldepflicht gibt, ist dieses Datenmaterial sehr vage. Da das IAB das weiß, fügt es noch Informationen aus verschiedenen Umfragen hinzu. Und so hätten nach einer Betriebsbefragung des IAB rund 300000 Arbeitssuchende in den Jahren 2004 und 2005 einen sozialpflichtigen Job über ein Praktikum gefunden, was 2,3 Prozent aller Einstellungen in diesen zwei Jahren entspräche. Doch schon hier zeigt sich die Unsicherheit des Datenmaterials. Hiernach hätten 150000 ehemalige Praktikanten pro Jahr eine spätere Festanstellung bekommen, der bei der Bundesagentur gemeldete Stand liegt aber bei nur etwa 60000, was wiederum nichts aussagt, da Praktika ja zwischen einem Monat und einem Jahr dauern können.

Es ist die Pflicht des Petitionsausschusses, dafür zu sorgen, daß Praktika, die nun mal ein wichtiger Teil im Ausbildungsverlauf sind, endlich besser erfaßt und definiert werden und junge Menschen so vor Ausbeutern geschützt werden.


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