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07.04.07 / Die Gefahr heißt Beliebigkeit / Der konservative Sarkozy kämpft in Frankreich ums Präsidentenamt, doch seine linken Gegenkandidaten sind zu glatt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-07 vom 07. April 2007

Die Gefahr heißt Beliebigkeit
Der konservative Sarkozy kämpft in Frankreich ums Präsidentenamt, doch seine linken Gegenkandidaten sind zu glatt
von Jean-Paul Picaper

Im Rennen um das französische Präsidentenamt hat der zur Zeit bestplacierte Kandidat, der Vorsitzende der liberal-konservativen Partei UMP, Nicolas Sarkozy, ein Problem: Seine sozialistische Gegnerin Ségolène Royal aus der Sozialistischen Partei (PS) hat keine glaubwürdigen Argumente mehr.

Es hat sich herumgesprochen, daß Ségolène Royal stark überschätzt worden, ja daß sie überfordert ist. Die Royal, die fast alle Medien im In- und Ausland als die französische Angela Merkel hochgejubelt hatten, verliert an Boden und zeigt, wie hohl ihre Diktion ist. Da sie nicht mehr weiß, was sie den Wählern noch an alten sozialen Hüten anbieten kann, schließt sie jetzt alle ihre Versammlungen mit dem Singen der Nationalhymne ab. Sie empfiehlt allen erwachsenen Franzosen, ein Exemplar der Trikolore zu besitzen, und will, daß die Jugend die Worte der Marseillaise in der Schule auswendig lernt. Bisher war der 78jährige Haudegen und Chef der nationalen Front Jean-Marie Le Pen der Kandidat, bei dessen Wahlauftritten die Hymne angestimmt wurde und der in einen Meer von Fahnen badete.

Über Frau Royals Schwächen kann sich Sarkozy jedoch nicht freuen, weil François Bayrou in die zweite Runde der Wahl am 6. Mai anstelle von Frau Royal kommen wird, falls letztere in der ersten Runde am 22. April scheitert. Sarkozy würde die Sozialistin im Endduell (die Stichwahl ist immer ein Zweikampf zwischen den zwei bestplacierten Kandidaten) mit links besiegen. Gegen Bayrou hätte er wesentlich schlechtere Karten. Was hilft's, wenn er jetzt mit satten 27 Prozent an der Spitze für den ersten Urnengang steht? Ein Großteil der sozialistischen und linken Wähler würde im zweiten Wahlgang auf jeden Fall dem starken Sarkozy den windelweichen Bayrou vorziehen, von dem keine Gefahr für ihre Errungenschaften droht und der antiamerikanisch eingestellt ist. Zusammen mit den Stimmen seiner kleinen Partei der Mitte (UDF) und einiger "Systemgegner" aus dem rechten Lager würde das den Ausschlag für Bayrou geben. Unpolitische Teile des Wahlvolkes werden tatsächlich diesen Kandidaten unterstützen, der stets unterstreicht, den politischen Zwiespalt im Lande überwinden zu wollen, keiner der beiden großen Parteien anzugehören, einen angeblichen "Pakt" zwischen Sarkozy und Royal denunziert und alle Kräfte der Nation zusammenarbeiten lassen will. Die Demokratie kann daran Schaden erleiden. Aber viele einfach gestrickte Menschen durchschauen das nicht.

In der Umgebung von Sarkozy stehen die Signale auf "Bayrou-Alarm". Kein Wunder, daß Sarkozy die Royal zu vergessen scheint. Seit zirka drei Wochen bestehen Argumentationshilfen, die seine Mitarbeiter den Parteimitkämpfern seiner UMP per Internet liefern, fast ausschließlich aus Fakten und Zahlen, die Bayrous Vorschläge zu bekämpfen helfen.

Der unscheinbare 56jährige Bayrou, Pferdenarr und Provinzler, ein bißchen naiv und unbeholfen wirkend wie seinerzeit der junge Helmut Kohl, gab sich anfangs als Polit-Amateur "vom Lande", obwohl er bereits Minister gewesen war. Er machte deutlich, daß er ohne medialen Firlefanz und mit einer kleinen Mannschaft seinen Wahlkampf improvisiert, auf die kleinen Leuten zugeht, ihren Sorgen zuhört, der schweigenden Mehrheit eine Stimme gibt und sich kaum um "Sarko" und "Ségo" schert. So sprang Bayrou von sechs Prozent auf gut 14 Prozent und überholte Le Pen bei den Wahlumfragen. Das reichte ihm, um in den Mittelpunkt des Medienrummels vorzurücken. Dann vollzog Bayrou Ende Januar eine Kehrtwende. Er machte dem linken Lager eindeutige Angebote, die in dem Vorschlag gipfelten, im Falle seines Sieges einen sozialistischen Premierminister zu nominieren. Damit zertrampelte er Royals Blumenbeete. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten und von linken Wählern getragen sprang Bayrou auf 16 Prozent, ja sogar auf 19 Prozent und 23 Prozent.

Bayrou ist also für Royal im ersten Wahlgang und für Sarkozy im zweiten Wahlgang extrem gefährlich. Die Royal hat noch eine kleine Chance, genügend linke Stimmen auf sich zu vereinen, weil die Extremlinken, Kommunisten, Trotzkisten, Anarchisten, diesmal deutlich unter zehn Prozent bleiben werden.

Nun wird mit härteren Bandagen gekämpft. Es geht um die Wirtschaft, um die Senkung der Arbeitslosigkeit, um den Schutz des französischen Arbeitsmarktes und um die Produktivität Frankreichs im europäischen und globalem Umfeld. Philippe de Villiers, zweiter Mann der Nationalen Front und Rivale von Le Pen, trumpfte neulich im Fernsehen auf, indem er darauf aufmerksam machte, daß die französische Schwimmeisterin Laure Manaudou (fünffache Medaillengewinnerin in Melbourne) auf ihrem Trikot das Wort "Arena" trägt. Gleichzeitig, erwähnte er zu Recht, hätten die Arena-Werke in Bordeaux angekündigt, daß sie schließen und ihre Produktion nach China verlagern. De Villiers geht mit diesem Skandal hausieren: "Ob die Europäische Union das nicht verhindern könnte?" Sarkozy bezeichnet Europa als "das trojanische Pferd der Globalisierung". Er will sich bei der Welthandelsorganisation WTO für eine Bevorzugung europäischer Produkte einsetzen. Wie De Villiers, wie Le Pen, wie Sarkozy plädiert jetzt Ségolène Royal für eine "europäische Wirtschaftsregierung", die darauf drängen soll, den starken Euro zum Vorteil des Exports abzuwerten, ein Vorschlag, der in Deutschland wenig Applaus bekommen wird.

Der Streit um die Wirtschaft gibt jedenfalls dem bisherigen Führungsduo "Sarko-Ségo" wieder Profil zurück. Hinzu kamen die Krawalle der letzten Woche im Pariser Nordbahnhof, die gerade noch rechtzeitig die Sicherheitsproblematik in den Vordergrund gebracht haben, ein Gebiet, auf welchem Sarkozy Meister ist.


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