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07.04.07 / "Nimm den Nerzmantel, wir gehen heiraten" / Berühmte Liebespaare der Kulturgeschichte: Franz Lehár und Sophie Meth

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-07 vom 07. April 2007

"Nimm den Nerzmantel, wir gehen heiraten"
Berühmte Liebespaare der Kulturgeschichte: Franz Lehár und Sophie Meth
von Esther Knorr-Anders

Im österreichischen Bad Ischl, an der schnellfließenden Traun, präsentiert sich die Galavilla Franz Lehárs. Er kaufte sie 1912. Nach seinem Tod ging sie mit allem Drum und Drin in den Besitz der Stadt über. 25 Operetten schuf er im "Großen Arbeitszimmer". Die Villa wird als Museum bezeichnet, wirkt aber eher wie eine Kultstätte. Von der Eingangshalle bis ins Schlafzimmer - es gibt keinen Zentimeter der nicht mit kostbaren Raritäten, Geschenken bestückt ist. Alles beweist die Beliebtheit Lehárs bei den Arrivierten der Welt.

Geboren wurde der Komponist 1870 in Komorn / Ungarn. Bevor er Operettenkönig wurde, war er 13 Jahre lang Militärkapellmeister in Budapest und Wien. Im 32. Lebensjahr entschied er sich, als freier Komponist zu arbeiten. Es war eine glückliche Entscheidung. Lehár führte eine unerhörte Neuerung ein: die Operette ohne "Happy-End". "Land des Lächelns", "Zarewitsch", "Paganini" wurden Welterfolge und mit Lehárs engstem Freund, dem Startenor Richard Tauber, am Broadway bejubelt. Mit sicherem Gespür für gesellschaftsgeschichtliche Veränderungen brachte er die emanzipierte, handlungsaktive Frau auf die Bühne, einen Typus, dem Lehár auch privat zuneigte. "Die lustige Witwe" brillierte in Europas Theatern. Schmissig, witzig, elegant und politisch spöttelnd sollten die Textvorlagen sein. Im "Grisettenlied" kann man das harte Klicken von Stöckelabsätzen der beruflichen "Pflastertreterinnen" hören. Der Kritiker Felix Salten befand: "Lehárs Musik ist heiß von offener Sinnlichkeit, ist erfüllt von geschlechtlicher Wollust." Operetten-Paganinis "Gern hab' ich die Frau'n geküßt" könnte für ihn zugetroffen haben.

Auf Gedeih und Verderb verbunden blieb Lehár jedoch nur einer Frau, die er nach 15 Jahren Zusammenlebens heiratete. Es war Sophie Paschkies, geschiedene Meth, eine Jüdin. "Nimm den Nerzmantel, wir gehen heiraten", erklärte er am 20. Februar 1924 in aller Herrgottsfrühe. Sein Name und Ansehen retteten ihr viele Jahre später das Leben.

Kennengelernt hatte er Sophie nach einer Premiere. Angeregt unterhielt sie sich im Foyer und wirkte trotzdem isoliert. Lehár, für eigentümliche Ausstrahlung empfänglich, ließ sich ihr vorstellen. Nach kurzer Pause fragte er, ob er sie zum Essen einladen dürfe. Ihm dünkte, sie wiche zurück. Schroff entgegnete sie: "Ich bin Jüdin." Er stutzte, ahnte, was hinter dieser Schroffheit steckte. Die Furcht, abgelehnt zu werden. Betont sachlich sagte er: "Ist das ein Grund, nicht mit mir zu speisen?" Ein entspanntes Lächeln verschönte sie: "Nein, es ist kein Grund." Sie fuhren ins "Sacher". Es wurde ein langes Essen, zusammengerechnet dauerte es 45 Jahre: "Niemand liebt dich so wie ich."

1912 bezogen Lehár und Sophie die Ischler Villa am Rudolfskai. Das Anwesen trug den Namen "Rosenvilla", und Rosenbäume bauschten ihre Pracht im Garten. In der Halle, oberhalb der Treppe zum Arbeitszimmer, hatte Lehár eine schmiedeeiserne Tür einbauen lassen, die er abschloß, sobald er zu komponieren begann. Eine Marotte? Dann war es auch Marotte, daß er und Sophie getrennt wohnten, egal wo sie sich niederließen. Im Ischler Anwesen bewohnte Sophie das weiträumige Hintergebäude, stattete es nach ihrem Geschmack aus. Eine kluge Frau muß sie gewesen sein. Sie respektierte, daß Lehár sich "ungebunden" fühlen wollte. Es kam ihrem eigenen Wunsch entgegen. Ein Bedürfnis, das unter Intellektuellen keine Seltenheit ist.

"Freunde, das Leben ist lebenswert!" Ein Erfolg jagte den anderen. Im November 1931 übertrugen 113 europäische Radiostationen ein Live-Konzert mit Melodienfolgen vom Walzer bis zur Operette: "Schön ist die Welt!" Lehár dirigierte die Wiener Philharmoniker. Es wurde notwendig, einen zweiten, ständigen Wohnsitz in Wien zu haben.

1932 kaufte er das "Schikaneder Schlößl" an der Donau in Wien-Nußdorf. Dort erarbeitete er, von Sophie vor Ruhestörung abgeschirmt, in neun Wochen die Partitur zu "Guiditta". Den ersten Klavierauszug erhielt Richard Tauber mit der Widmung: "Du wirst und mußt es fühlen, daß ich bei jeder Note an dich gedacht habe."

Kein Volk, geschweige ein einzelner Mensch, kann der dauerhaften Sonnenseite des Lebens sicher sein. Mit der Machtübernahme Hitlers 1933 veränderte sich Sophies und Lehárs Dasein, erst unmerklich, dann massiv. Lehárs Freunde emigrierten. Im "Handbuch zur Judenfrage" von 1935 wurden dem "Arier" Lehár seine von "jüdischen Händen" verfaßten Libretti vorgeworfen, die Musik für "undeutsch" erklärt; die Operetten sollten aus den Spielplänen verschwinden. 1936 verfügte Joseph Goebbels, daß Lehárs Bühnenwerke aufzuführen seien. Aus gleicher Zeit datierte die Freigabe durch Entscheid Adolf Hitlers. Weder ihn noch Goebbels interessierte die Ehe Lehárs mit einer "Volljüdin". Der reale Grund der Freigabe mutet fast grotesk an. Beide Herren hörten Lehárs Musik mit Begeisterung. Sie luden ihn als Ehrengast nach Berlin ein und besuchten die von Lehár dirigierte Luxus-Inszenierung des "Zarewitsch".

Offiziell wurde er zum "Meister der deutschen Operette" ernannt. Lehár nahm die Achtungsbeweise gern entgegen, denn sie garantierten auch die Sicherheit Sophies. Das war entscheidend.

Sophie aber fühlte sich nicht sicher. Die Urangst ihres Volkes vor Verfolgung gewann in ihr Oberhand. 1938 bat sie Lehár aus Wien ins unauffällige Ischl zurückzukehren. Er stimmte sofort zu. Sophies Angst erwies sich als begründet. Zwei Gestapo-Beamte läuteten. Lehár fragte, was sie wollten. "Wir sollen Ihre Frau abholen." Er erblaßte. Mühsam brachte er heraus: "Ich rufe Gauleiter Birkel an." Der antwortete kurz: "Schicken Sie mir einen ans Telefon." Nach Ende des Gesprächs entschuldigte sich der Geheimpolizist: "Offenkundig ein Versehen, Herr Lehár."

Auch Lehár wurde nun von Angst erfaßt. Noch spürte er nicht, daß sie als schleichendes Gift nach seiner Gesundheit griff. Als er 1943 in Budapest die Uraufführung seines letzten Werkes "Garaboncia" (Freiheitskampf Ungarns) dirigierte, brach er am Pult zusammen. Nach Ischl zurückgekehrt, lag er monatelang zu Bett. Nerven, Magen, Galle streikten. Sophie übernahm seine Pflege und erkrankte selbst an Angina pectoris.

Sie waren beide physisch und psychisch überfordert. "Lange kann das Elend nicht mehr dauern", stöhnte Lehár. Er meinte den Krieg und das NS-Regime. Noch zwei Jahre währte es.

Am 6. Mai 1945 umarmten die alten Eheleute sich: "Durchgestanden!" Zu einem Heilungsaufenthalt reisten sie 1946 nach Zürich, logierten im Nobelhotel "Baur au Lac". Richard Tauber und weitere, aus der Emigration zurückgekehrte Freunde besuchten sie. Heitere Stunden verlebten sie. Lehár hatte sich erholt. Sophie dachte, wenn es ihm gut geht, dann würde auch sie genesen. Lachend ging sie ins Nebenzimmer, um Konfekt zu holen. Ein Schrei ertönte. Lehár stürzte ihr nach. Sophie lag am Boden. Er betastete ihren Puls. Sie war tot.

"Dein ist mein ganzes Herz, wo du nicht bist, kann ich nicht sein ..." Und er wollte nicht allein in der "Rosenvilla'' sein, in der jeder Türgriff an Sophie erinnerte, keine Melodie aufrauschte. Am 24. Oktober 1948 erlag er seinem Magenkrebsleiden.

Auf dem Ischler Bergfriedhof ruhen Lehár und Sophie, nahe bei ihnen Richard Tauber. Die "Unzertrennlichen" waren sie genannt worden.


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