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07.04.07 / Nie ankommen / Suche nach dem toten Vater

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-07 vom 07. April 2007

Nie ankommen
Suche nach dem toten Vater

Es ist schön, wenn Menschen Ziele in ihrem Leben haben, doch manchmal verselbständigen sich diese, und irgendwann stellt man fest, daß man zum Getriebenen seiner Wünsche wurde. So erging es Hannelore Klar. In "Wir müssen weit gehen, liebes Kind" erzählt sie von ihrer Kindheit in Görlitz, die geprägt war von dem Warten auf den heimkehrenden Vater. Und obwohl die Mutter schon früh die Nachricht erhalten hatte, daß ihr Mann am 8. Mai 1945 bei der Flucht aus Ostpreußen auf dem Schiff, das ihn nach Dänemark bringen sollte, an seinen Kriegsverletzungen gestorben sei, wollte sie es lange Zeit nicht glauben. Jeden Abend mußten Hannelore Klar und ihr Bruder für die Heimkehr ihres Vaters beten, doch nichts geschah. Und auch nachdem ihr Vater nicht unter jenen Spätheimkehrern war, die Adenauer 1955 heimgeholt hatte, war der unbekannte Vater immer noch allgegenwärtig.

Nun war es Ziel von Mutter und Tochter, das Grab des Vaters in Dänemark zu besuchen, doch dies war vom Staatsgebiet der DDR aus unmöglich. Auf einer Reise durchs sozialistische Bruderland Ungarn lernten sie jedoch ein holländisches Ehepaar kennen, das sich bereit erklärte, bei seinem nächsten Urlaub in Dänemark das Grab zu suchen und Fotos zu machen.

Stück für Stück kommt Hannelore Klar dem Grab ihres Vaters näher. Dank des Volksbundes deutsche Kriegsgräberfürsorge darf ihre Mutter in den 80er Jahren, da inzwischen Rentnerin, die DDR für eine Reise gen Westen verlassen, bei der sie das Grab ihres Mannes besucht.

Auch Hannelore darf nach vielen Mühen dorthin reisen, doch: "Ich legte meine Blumen hin. Aber ich konnte nicht einordnen, was da in mir vorging. Ich war doch an meinem Ziel angekommen, hatte mir allen Widrigkeiten zum Trotz meinen großen Traum erfüllt. Doch ich fühlte nichts weiter als eine große Leere. Da erst begriff ich, daß ich längst nicht mehr realisiert hatte, daß all mein Streben nur einem Grab gegolten hatte. Ich konnte niemals ankommen - bei meinem Vater."

Trotzdem sucht die Autorin weiter, schaltet Anzeigen, trifft Menschen, die ähnliches wie ihr Vater in seinen letzten Lebensmonaten erlebt haben - alles mit dem Ziel, den unbekannten Mann, der ihr Vater war, kennenzulernen. Obwohl Hannelore Klar keine geübte Schriftstellerin ist, gelingt es ihr eindringlich, ihre Spurensuche und das Getrieben-Sein sowie die Verhältnisse in der DDR darzustellen. Auch ist es faszinierend zu lesen, wie viele fremde Menschen sich bereit erklärten, ihr bei der Spurensuche zu helfen. Bel

Hannelore Klar: "Wir müssen weit gehen, liebes Kind", Viadukt Verlag, Görlitz 2006, broschiert, 106 Seiten, 9,90 Euro, Best.-Nr. 6119


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