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07.04.07 / In der Wildnis / Eine Gruppe versnobter Geschäftsleute hat in Umbrien eine Autopanne

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-07 vom 07. April 2007

In der Wildnis
Eine Gruppe versnobter Geschäftsleute hat in Umbrien eine Autopanne

"Wenn der Wind dreht", ein Titel mit dem der Leser zu Beginn des Romans von Andrea De Carlo, der in Italien zum Bestseller wurde, noch nicht viel anfangen kann. Eine Geschichte, so scheint es, über ein

x-beliebiges Grüppchen von oberflächlichen, geschniegelten Geschäftsleuten, das sich mit dem kleingeistigen Makler Alessio, der krampfhaft hinter Designerkleidung und Sonnenbrillen seine einfache Kinderstube zu verbergen sucht, auf eine Reise in die umbrischen Wälder macht, um sich dort eine Wohnsiedlung auf dem Lande zu kaufen. Doch wie so häufig trügt der Schein und alles kommt anders als erwartet.

Als das Navigationsgerät des komfortablen Multivans die Gruppe mitten in die unbewohnte Einsamkeit eines Waldes führt, in der sogar das teuerste Mobiltelefon in ein düsteres Funkloch fällt, und das Auto aufgrund eines riesigen Schlagloches fahruntüchtig liegen bleibt, ist guter Rat teuer.

Durch die Kälte und den stürmischen Regen dieser Nacht schlägt sich der zankende Haufen verwöhnter Neureicher, um kurz vor der Verzweiflungskrise auf eine kleine Siedlung von Backsteinhäusern zu stoßen.

Ein großer schwarzer Hund sowie eine recht überraschte, mittelalterlich gekleidete Gruppierung von Aussteigern empfängt den durchgeregneten, erschöpften Haufen, der mittlerweile jeglichen Glamour verloren hat.

"Das Licht im Raum kommt von einer Öllampe, von den Kerzen und dem Feuer im Kamin. Über allem liegt ein Geruch, der Luisa bekannt vorkommt, auch wenn sie nicht weiß, woher: Es riecht nach Holzrauch, Bauernsuppe, Wein, Bienenwachs, Schweiß ..."

Dieser Roman bietet dem Leser köstliche Unterhaltung. Die lebhaften Beschreibungen des Autors, wie zum Beispiel die übermüdete, pingelige Gesellschaft in die muffig riechenden Betten krabbelt oder unter Entsetzen das Herzhäuschen auf dem Hof aufsucht, entlocken dem Leser so manches mal schadenfrohes, aber auch mal mitleidiges Grinsen.

Das Buch verdeutlicht, wie schnell das Blatt sich im Leben wenden, "der Wind drehen" kann, so daß man plötzlich mit leeren Händen dasteht, und daß eine schöne Fassade nicht alles ist.

"Margherita setzt sehr bedachtsam die Lampe neben das Loch auf dem Boden nieder ... Sie fragt sich, wie es nur möglich sein kann, innerhalb weniger Stunden von den Annehmlichkeiten eines ihrer Zuhause in einer Stadt der westlichen Welt zu einer solchen Anhäufung mittelalterlicher Unannehmlichkeiten überzuwechseln. Der Gegensatz läßt sie bis in die Knochen frösteln, und ein Zittern überkommt sie."

Das Besondere am Roman ist, daß jede Person der Gruppe diesen "Ausflug" vom alltäglichen Leben anders wahrnimmt und mit den Bewohnern der Siedlung seine eigenen, individuell verschiedenen Erfahrungen macht.

Gefühle, die nicht in das mondäne Leben von Karrieremenschen passen, kommen plötzlich zum Ausdruck, und unter den Tisch gekehrte, nicht immer schöne Wahrheiten treten ans Tageslicht.

Und so kehrt am Ende jeder einzelne mehr oder auch weniger geläutert in die geheiligte westliche Welt voller Staus und piepsenden Handys, voller Hektik und Alltagsstreß zurück. A. Ney

Andrea De Carlo: "Wenn der Wind dreht", Diogenes, Zürich 2007, geb., 427 Seiten, 22,90 Euro, Best.-Nr. 6121


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