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07.04.07 / Trakehnen lebt! / Die ostpreußische Pferderasse begeistert noch heute

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-07 vom 07. April 2007

Trakehnen lebt!
Die ostpreußische Pferderasse begeistert noch heute
von Klaus D. Voss

Es dauert nur ein paar Sekunden, und die Stimme hat wieder ihren gewohnten Klang: Hans-Heinrich Isenbart kehrt aus seinen 84 Jahren zurück in die Disziplin vor dem Mikrophon, wie tausendmal zuvor bei allen Fernsehübertragungen. Es ist selten geworden bei den TV-Anstalten, daß einer die Sache versteht, über die er spricht. Und noch seltener, daß einer seine Stimme so charakteristisch führt - Konsonanten, die aufsetzen wie die Hufe aus dem Galoppsprung.

Hans-Heinrich Isenbart steht vor den Festgästen in der Stadthalle Verden an der Aller, gegenüber vom Deutschen Pferdemuseum, und spricht von nichts anderem als vom Beginn der deutschen Pferdezucht: Weil mit der Gründung des Hauptgestüts Trakehnen 1732 der Grundstein gelegt wurde für eine planmäßige Zucht auf deutschem Boden überhaupt. Zucht nach Leistung, dadurch hat sich Trakehnen in aller Welt seinen Namen gemacht.

Preußenkönig Friedrich Wil-helm I. hatte 1732 per Dekret das erste Hauptgestüt Trakehnen ins Leben gerufen. Der König verstand sich aufs Sparen und wollte kein Geld mehr herschenken für die teuren Importpferde. In jahrelanger, mühseliger Arbeit legten Soldaten eine unwirtliche Sumpflandschaft trocken, rodeten und machten das Land urbar. Das "Königliche Stutamt Trakehnen" entstand, nach und nach die 15 Vorwerke, die große Hengstweide, wegen ihrer erhöhten Lage "Wartburg" genannt. Trakehnen hatte seine Post, mehrere Schulen, Mühlen und ein modernes Lagersystem, eine gut funktionierende Verwaltung. Und das Hotel "Elch", in dem sich alle Welt zur Pferdeauktion traf.

275 Jahre Trakehnen, das ist der Titel einer Ausstellung, für die Gisela Fürle (Leiterin des Deutschen Pferdemuseums) und Dr. Christoph Hinkelmann (Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ostpreußischen Landesmuseum) fleißig zusammengetragen haben, was selbst Pferdenarren noch nie in einem Museum sehen konnten - lassen Sie sich überraschen (Über die Ausstellung, die bis 1. Juli 2007 im Deutschen Pferdemuseum zu sehen ist und dann vom 14. Juli bis 21. Oktober 2007 im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg gezeigt wird, werden wir weiter berichten).

84 Lebensjahre - ein langes Leben hat sein Gutes. An der Hand seines pferdeversessenen Vaters hat Hans-Heinrich Isenbart natürlich Trakehnen noch selbst gesehen. Er erinnert sich an die knorrige Eichenallee, die ins Vorwerk Gurdzen führt, wo die Rappen standen. Auch wenn kein noch so aufmerksamer Besucher die ganze Anlage kennen konnte - 6000 Hektar, auf denen 3400 Menschen lebten und 1200 Pferde versorgten: Was den jungen Pferdenarren, in Wien geboren, aber in Hamburg aufgewachsen, bis heute beeindruckt, war die große Disziplin auf dem Gestüt, die gelassene Ordnung, die zielgerichtete Organisation. Vom Landstallmeister bis zum Reitburschen wußte jeder jederzeit, was er zu tun hatte. "Und tat es", erinnert sich Isenbart. Manager von heute kämen ins Schwärmen bei dieser Betriebskultur.

Ostpreußen war eine Region, die ganz und gar dem Pferd verschrieben war. Und, wie es der Pferdekopf Isenbart versteht, weil das Pferd zum Erzieher des Menschen wird, "halfen die Trakehner einen Menschentyp zu bilden, der in seiner Gelassenheit mit freundlicher, überlegener Ruhe die feurigsten Pferde zu den engsten Freunden der Menschen erziehen konnte". Für Isenbart ist und bleibt der Umgang mit Pferden "eine Schule der Menschlichkeit. Denn wer es gelernt hat, mit dem Pferd umzugehen, hat ein gutes Stück Erziehung an sich selbst vollbracht."

Seinerzeit, so Isenbart weiter, gab es in Ostpreußen keinen Menschen, der Pferde nicht führen konnte. In der Hand des erfahrenen Menschen konnte der edle Ostpreuße Trakehner Abstammung seine ganze Stärke zeigen - Leistungsbereitschaft, unendliche Treue, Härte, Ausdauer - und Menschenfreundlichkeit: "Auf dem Acker, als Soldatenpferd und vor dem Treckwagen im Flüchtlingsstrom zwischen den Trümmern des Krieges", erinnert Isenbart.

Die Gefühle, die der Mythos Trakehnen auslöst, drängen sich nach vorn. Die Exponate der Ausstellung im "Deutschen Pferdemuseum", zum größten Teil aus Privatbesitz, rufen die Erinnerung wach - an die schweren Leiden der Menschen auf der Flucht, an die schwerste Leistungsprüfung, die je einem Pferd abverlangt wurde. Die Erinnerung von Menschen, die ohne ihre Pferde nicht überlebt hätten.

Nach 1945 ging es um das Überleben dieser Tiere. Was war übrig geblieben nach der Flucht, der Weigerung vieler Einheimischer im Westen, fremde Tiere durchzufüttern, nach dem Raub der besten Herden - die später in Kirow am Don eine neue Zucht begründeten: 26 (manche zählen bis zu 28) Zuchtstuten kamen in den Westen; alle erfaßt auf Passierscheinen der britischen Besatzungsmacht - Adelsbriefe für die neue Zucht. Dazu kamen an die 1600 Stuten, die den Treck überlebt hatten, und die kleine Hengstherde im Hunsrück. Das war der Restbestand von einstmals 26000 Tieren.

"Lebendes Kulturgut" zu erhalten ist eine Aufgabe, die dem traditionellen Denkmalschutz in Nichts nachstehen sollte. Heute hat die Trakehner-Zucht mit rund 4000 Zuchtstuten und 220 Hengsten eine solide Basis.

Hans-Heinrich Isenbart weiß, was die Trakehner im Blut haben: ein braves Allgebrauchspferd, das immer wieder alle Erwartungen übertrifft: Olympiasieger, Weltmeister oder World-Cup-Sieger - wie "Nurmi" 1936. Aus der neuen Zucht "Perkunos", "Pepel", "Ultimo", auch "Tyra", "Hirtentraum" und "Acartenango". Isenbarts Lobliste nimmt kein Ende - "Windfall" und "Abdullah". Dann rühmt er das Talent von "Grafenstolz", Trakehner des Jahres 2006. Ein Hengst, der alles habe, was Pferde in Ostpreußen auszeichnete: Bei aller Härte und allem Temperament sei er sanft, dem Menschen zugewandt, freundlich.

Wie viel hat er von ihm, von "Tempelhüter", dem unvergleichlichen Hengst, dem Reinhold Kübarth 1932 zum 200jährigen Bestehen Trakehnens das Denkmal in Bronze gesetzt hatte. Isenbart hatte noch in Trakehnen das Standbild bewundern können, später dann den originalgetreuen Abguß, der vor dem Verdener Pferdemuseum steht. Das Original hatten die Russen als Kriegsbeute mitgenommen.

Trakehnen, heute Jasjana Poljana, kann nur mit größten Mühen vor dem Verfall gerettet werden - doch manchmal gelingen mit den Spendengeldern kleine Wunder. Und manchmal geschehen auch ganz große Wunder: in der Vorfreunde, in der Hoffnung verläßt Hans-Heinrich Isenbart für einen Augenblick die Stimme. Es könnte sein, daß die Russen sich erweichen lassen und das Original-Standbild zurückschicken an seinen angestammten Platz im Trakehner-Gestüt. Es werde noch verhandelt, sagt Isenbart, aber es werde auch nichts unversucht gelassen, damit Trakehnen "in aller Zukunft lebe".


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