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07.04.07 / Alles rund um Pippi / Schweden feiert 2007 seine Astrid Lindgren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-07 vom 07. April 2007

Alles rund um Pippi
Schweden feiert 2007 seine Astrid Lindgren
von Uta Buhr

Der Passagier auf der "Nils Holgersson" Richtung Trelleborg reibt sich erstaunt die Augen. Er will im Salon in Ruhe seinen Kaffee trinken und sieht sich einer ausgelassenen Kinderschar gegenüber, die von einem rothaarigen, sommersprossigen Mädchen angeführt wird. Jetzt dämmert es. Ist das nicht Pippi Langstrumpf, die freche Göre aus der Villa Kunterbunt? Bereits auf den Schiffsplanken beginnt der Einstieg in den Themenpark "Astrid Lindgrens Welt".

Mit dem Auto geht es am nächsten Morgen durch eine üppig grünende Landschaft, vorbei an Birkenwäldchen, stillen Seen und winzigen Dörfern mit hölzernen Kirchen mitten hinein nach Småland. Auf dem kleinen bäuerlichen Gut Näs erblickte Astrid Lindgren, Pippis geistige Mutter, 1907 das Licht der Welt. In dem idyllischen Ort Vimmerby, umgeben von Hunden, Kühen und Pferden ersann sie die Gestalt ihrer kleinen Heldin, die mit bürgerlichem Namen Pippilotta Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf heißt und Generationen von Kindern mit ihrem Drang nach Unabhängigkeit begeisterte. "Sehen Sie sich nur um. Hier ist auch Bullerbü", sagt Manager Nils-Magnus Angantyr, "Astrid Lindgren hat schon als Kind fabuliert. Später wurde sie Redakteurin einer Zeitung. Und ihrer Tochter Karin erzählte sie vor dem Einschlafen stets spannende Märchen, aber so richtig losgelegt hat Astrid, als sie für längere Zeit mit einem gebrochenen Bein ans Bett gefesselt war. Während dieser unfreiwilligen Muße entstanden ihre besten Geschichten."

Unermüdlich schrieb sie bis ins hohe Alter von 95 Jahren und beglückte uns mit unzähligen Büchern, in denen wir noch mit der Taschenlampe unter der Bettdecke schmökerten.

Wer erinnert sich nicht gern an Kalle Blomquist, den kleinen Meisterdetektiv, die Brüder Löwenherz und die mutige Ronja Räubertochter! "Aber der Star ist und bleibt Pippi", lacht Nils-Magnus Angantyr und beginnt eine Führung durch das Terrain. Rund um das Gut Näs finden vom 16. Mai bis 2. September die schönsten Festspiele der Welt statt. Die Dialoge werden natürlich auf Schwedisch gesprochen. Aber was macht das schon. Nicht wenige von uns kennen ihre Bücher ja fast auswendig. Wir wissen genau, wie Pippi sich jeder angemaßten Autorität widersetzt. Da ist selbst Polizist Kling sprachlos. Und Fräulein Prüsselius räuspert sich verlegen.

"Die Ferien auf Saltkrotan" sind ein Vergnügen für die ganze Familie. Mitten im Grünen zwischen bunten schwedischen Holzhäusern, Wiesen und Rosenbüschen tritt man eine Reise durch die beliebtesten Szenen der gleichnamigen Fernsehserie an. Da wird vielstimmig gesungen, getanzt und auch gestritten. "Pippi, laß dir nix gefallen", ruft ein kleines Mädchen aus Berlin, als wieder ein "blöder Erwachsener" ihrer Heldin Vorschriften machen will. "Nicht so laut, Ulli", mahnt die Mutter und erntet dafür ringsum nur mißbilligende Blicke. Recht so. Nörgelnde Eltern und bevormundende Onkel und Tanten haben hier nichts zu suchen.

Vimmerby ist ein Paradies für Kinder und Junggebliebene. Der Vater von zwei halbwüchsigen Söhnen bedauert, daß Bücher der weltberühmten Autorin in der DDR, wo er aufwuchs, nur unter dem Ladentisch gehandelt wurden. "Na klar", sagt er, "ein so aufmüpfiges Vorbild konnte dieses autoritäre Regime auch kaum dulden." Inzwischen hat er das Versäumte mit seinen Kindern nachgeholt. "Und das mit großer Begeisterung", wie er betont. Viele Schweden sind übrigens der Meinung, eine ebenso kluge wie unkonventionelle Frau wie Astrid Lindgren habe mehr für ihr Land nach innen und außen bewirkt als irgendein gekröntes Haupt. Deshalb sprechen sich Schwedens Republikaner offen dafür aus, das Porträt von König Carl Gustav auf den Münzen durch ein Konterfei Pippi Langstrumpfs oder ihrer "Mutter" Astrid Lindgren zu ersetzen.

Im Rahmen der Feierlichkeiten zu ihrem 100. Geburtstag wurde gerade Astrid Lindgrens Näs dem Publikum zugänglich gemacht. Eine umfassende Ausstellung über ihr Leben und Werk erwartet die Besucher in ihrem Elternhaus, das jüngst durch ein Wissenszentrum erweitert wurde (Infos unter www.astridlindgrensnas.se )

"Ich befürchte, daß in dem Astrid-Lindgren-Rummel der 300. Geburtstag eines der größten Geister des Landes untergehen wird!" Nils B., seines Zeichens Student der Pharmazie, bewundert Carl von Linné, den Vater der modernen biologischen Systematik. Linné, eigentlich Carl Linnaeus, wurde 1707 in Kronoberg / Småland geboren. Zu seinen Ehren werden in diesem Jahr hochkarätige botanische Entdeckungsreisen veranstaltet. Diese beginnen in Linnés Rashult, wo er als Sohn eines Pfarrers aufwuchs. In der einzigartigen Flora der heute unter Naturschutz stehenden Reservate Taxas, Kronan und Höö machte er seine ersten Entdeckungen. Die Kirche von Stenbrohult, in der Carls Vater einst predigte, ist eine Station auf dieser Exkursion. Einen weiteren Höhepunkt stellt die prachtvolle Orangerie von Möckelsnäs dar. Hier diniert man bei dezenter Tafelmusik, umgeben von einer einzigartigen Blumenpracht. Anschließend wird uns ein fesselnder Vortrag über die Forschungen des Gelehrten geboten. Als Überraschungsgast tritt Carl von Linné höchstselbst auf, angetan mit Seidenwams, Kniehosen und Allongeperücke. "Seid mir herzlich willkommen, meine Damen und Herren", begrüßt er seine deutschen Gäste. Und dann beginnt er auf charmante Weise, über sein "Systema naturae" zu dozieren und gezielte Fragen zu stellen: "Wißt Ihr auch, unter welchem Namen ich das Hundsveilchen klassifiziert habe?" Unter Viola canina! Drei der Gäste haben gut in der Schule aufgepaßt.

Carl von Linné ist beeindruckt und bekennt sich jetzt als Tobias Herz aus Berlin. Der Liebe und der Pflanzen wegen ist er nach Schweden gekommen. "Und als Blumenkönig, wie man Linné hier gern nennt, fühle ich mich sehr wohl. Es macht immer Freude, Menschen durch dieses herrliche Land zu führen." Also - auf nach Schweden. Die TT-Line sticht abends in See. Und am nächsten Morgen gegen halb acht legt die Fähre schon am Pier von Trelleborg an.

Auskünfte: Telefon (069) 22 22 34 96, www.visit-smaland.com und www.TTLine.com

 

Astrid Lindgren, geboren am 16. November 1907 in Vimmerby / Småland gilt als Ikone der schwedischen Literatur. Sie wurde mit Preisen überhäuft, darunter mit dem Schwedischen Staatspreis für Literatur (1965) und dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels 1978. Zur "Schwedin des Jahrhunderts" wurde die 1999 ernannt. Sie starb am 28. Januar 2002 in Stockholm im Alter von 95 Jahren. Als streitbarer Geist mischte sie sich auch in die Politik ihres Landes ein und rief Ende der 70er Jahre zur Abwahl der Sozialdemokraten auf, um diese von "ihrer Machtvergiftung zu reinigen". Diese verloren auch die nächsten Wahlen nach einer Regierungszeit von 40 Jahren.

Foto: Alles Gute zum 100. Geburtstag: Pippi Langstrumpf gratuliert ihrer verstorbenen Erfinderin.


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