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14.04.07 / Opfer einer Hetze / Zum Tode von Hans Filbinger

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-07 vom 14. April 2007

Opfer einer Hetze
Zum Tode von Hans Filbinger
von Klaus D. Voss

Ohne den Namen Rolf Hochhuth kommt die Biographie von Hans Filbinger nicht aus - dieser Mann verfolgt ihn bis ins Grab; dazu später mehr. Hans Filbinger, lange Jahre Ministerpräsident von Baden-Württemberg, starb am 1. April 2007 in seinem Haus in Freiburg-Günterstal, im Alter von 93 Jahren. Durch sein Leben hatte ihn Ehefrau Ingeborg begleitet, sie hatten vier Kinder.

Die Biographie beginnt dort, wo der Respekt vor seiner Arbeit es empfiehlt: Hans Filbinger hat sich Verdienste erworben, die ihm niemand nehmen konnte. Der Jurist, am 15. September 1913 in Mannheim geboren, ausgebildet in Freiburg, München und Paris, ging nach dem Krieg erst zurück an die Universität, dann in den Staatsdienst. Sein außerordentliches politisches Talent zeichnete die Laufbahn in der CDU vor. Kommunalpolitiker, Staatsrat, ab 1960 Innenminister in Stuttgart unter Kurt-Georg Kiesinger, dann 1966 dessen Nachfolger als Ministerpräsident.

Es gibt und gab auch Reformer, die nicht nur reden, sondern zupacken. Filbinger entschied sich 1966 für eine breite politische Basis, kündigte die Zusammenarbeit mit der FDP auf und schloß nach Bonner Vorbild eine Große Koalition mit der SPD. In seiner Regierungszeit bis 1978 kam Baden-Württemberg entscheidend voran. Er renovierte die Infrastruktur des Landes, setzte den Schulen neue Bildungsmaßstäbe mit hohen Anforderungen und zwang die Verwaltung in eine Reform-Roßkur.

Die Industrie und die gewerbliche Wirtschaft unterstützte Baden-Württemberg mit dem gezielten Aufbau von Hochschulen - den Reformgeistern von heute fällt auch nichts anderes ein: Wissenschafts-Cluster nennt man das 40 Jahre später.

Im Baden-Württemberg jener Zeit hießen die Vorgaben Wachstum und Wohlstand - auch wenn die Bevölkerungszahlen nahezu explodierten: Zwischen 1950 und 2001 wuchs das Land von 6,4 auf 10,7 Millionen. Jeder weiß: Zu Hunderttausenden kamen Flüchtlinge und Vertriebene ins Land, sahen ihre Chance und nutzten sie.

Ein Land, das wachsen will, muß sich in erster Linie um seine Infrastruktur kümmern. Hans Filbinger hielt sich daran. Schon seine Vorgänger hatten die Landeswasser-Versorgung organisiert und Wasser aus dem Bodensee auf die dürren Hungeräcker der Schwäbischen Alb gebracht - das Auskommen der Bauern war gesichert. So etwas wird kaum noch beachtet, weil die Ressource Wasser heute selbstverständlich ist.

Für Filbinger war es zwingend, Baden-Württemberg verläßlich mit der Ressource Strom zu versorgen, mit Kernenergie. Aber in seiner, manchmal an Trotz heranreichenden Standfestigkeit unterschätzte er die Antiatombewegung - Wyhl ist heute ein Naturschutzgebiet.

Baden-Württemberger können rechnen und wissen, was sich lohnt: Filbingers Politik honorierten Schwaben, Württemberger und Badener mit Wahlergebnissen weit über der absoluten Mehrheit - und sie genossen das CDU-Wahlkampf-Motto "Freiheit statt Sozialismus". Freiheit ohne Sozialismus wurde später die Jahrhundert-Losung.

Daß die DDR-Sozialisten Filbinger ins Visier genommen hatten, den erfolgreichsten CDU-Politiker seiner Jahre, bestätigten 1992 die Stasi-Offiziere Bohnsack und Brehmer. "Wir haben Filbinger durch aktive Maßnahmen bekämpft, das heißt Material gesammelt, gefälschtes oder verfälschtes Material in den Westen lanciert."

Inwieweit sich der Schriftsteller Rolf Hochhuth von der Staatssicherheit alimentieren ließ, kann offen bleiben. Jedenfalls wird Hochhuth den Verdacht nicht los, seine Papst-Schmähung "Der Stellvertreter" sei vom Sowjet-Geheimdienst KGB diktiert worden.

Die Sache mit dem "furchtbaren Juristen" hat Filbinger nie richtig verstanden - oder er wollte nicht verstehen, daß 1978 in Deutschland schon ein Kampagnen-Journalismus die Oberhand gewonnen hatte, bei dem kaum noch ein Reporter nach den Fakten stöbern mochte. Filbinger hatte übersehen, daß in der aufgeheizten Atmosphäre nach Radikalenerlaß und Terroristen-Fahndung die Linke sich ihre Opfer suchte.

Rolf Hochhuth hatte 1978 in der "Zeit" seine Erzählung "Eine Liebe in Deutschland" veröffentlicht und damit das Thema durchgesteckt, Filbinger sei ein unbeirrbarer Nazi-Marinerichter gewesen, der noch weit nach Kriegsende Soldaten hinrichten ließ - der "furchtbare Jurist".

Heute würde man sagen, Filbinger hatte die falschen Medienberater - Experten, die wissen, wie man eine Kampagne tot macht. Er versuchte, die Wahrheit Stück um Stück mit Fakten aus seiner Biographie zu belegen - doch niemand hörte ihm zu. Er war Opfer einer "meisterhaft konzertierten Hetze" geworden, wie es der Historiker Golo Mann später formulieren wird - nachdem die CDU Filbinger aus dem Amt gedrängt hatte.

Die Partei hat sich längst entschuldigt; sie hatte ihren Ehrenvorsitzenden wieder in die Mitte genommen und auf jeder Veranstaltung durch langen Beifall entschädigt. Sein Trostgeschenk, das Studienzentrum Weikersheim, das er für die Ausbildung von Kopfmenschen gründen durfte, wird hoffentlich gesichert bleiben und sein Andenken bewahren.

Die Fakten zu Filbingers Leben im Krieg sind wieder in die richtige Reihenfolge gebracht worden, nur wenige wollen es immer noch nicht wahr haben. Seine Rolle als Ankläger und Richter wird jetzt historisch korrekt wahrgenommen, sie ist in seiner Biographie nachzulesen. Da bleibt nicht die Spur vom Vorwurf des "furchtbaren Juristen". Festgehalten ist auch, was Hochhuth und andere unterschlagen hatten: Filbingers Einsatz für Gefangene, die er vor dem Tod retten konnte. Belegt ist auch, daß Filbinger die Militärjustiz umgehen wollte und sich zur U-Boot-Flotte gemeldet hatte. Wer nach 1943 auf ein U-Boot ging, wußte, was das bedeutete - meistens das Ritterkreuz post mortem.

Und: Einer, der heimlich Reinhold Schneider las und die verpönte katholische Literatur, der hielt auch seinen Abstand zu den Nazis.

Jedenfalls hat Hans Filbinger den Kontrahenten Hochhuth auf seine Weise überlebt. Hochhuth ist seither nichts mehr gelungen, Stücke wie "McKinsey kommt" sind Provinzlangweiler. Seit er in Interviews vom Holocaust faselt, hat er den Flankenschutz der linken Schickeria verloren, die ihm - immerhin jetzt schon - vorhält, mit fortlaufenden Skandalisierungen dem Niedergang seines Ruhmes entgegenarbeiten zu wollen.

Aber ohne Erfolg: Zuletzt notierten die Medien Rolf Hochhuths Gastauftritt in "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten", in einer TV-Serie auf dem deprimierenden Niveau der Vorabendunterhaltung - furchtbar für Dichter.

Foto: Eintragen ins Kondolenzbuch: Baden-Württemberg trauert um Hans Filbinger.


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